Marxismus und Klassenkampf
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UKRAINE: WENN DER WESTEN IN DEN SPIEGEL SCHAUT…


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Ukraine: Wenn der Westen in den Spiegel schaut…
Zur Invasion russischer Truppen in der Ukraine
Zankapfel Krim und Ostukraine
Die Urheber des gegenwärtigen Krieges
Defätismus als Gebot der Stunde
Zum Kapitalismus gehört der Krieg
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Kapitalismus heisst: Krieg!

Ukraine: Wenn der Westen in den Spiegel schaut…

Zur Invasion russischer Truppen in der Ukraine

Am Tag des Einmarschs der Armee der Russischen Föderation auf das Staatsgebiet der Ukraine erklärte die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock sie sei »in einer anderen Welt« aufgewacht. Man fragt sich, in welcher Welt sie wohl vorher gelebt hat. Oder hat sie einfach nur ein Spiegelbild der westlichen Interventionspolitik der letzten Jahrzehnte gesehen, all die »völkerrechtswidrigen« Kriege, die die Bundesregierung im Verein mit ihren westlichen Verbündeten geführt oder mehr oder weniger offen unterstützt haben, in Jugoslawien, Libyen, Irak, Afghanistan… – die nun der Kreml, mit all der Argumentation von »Völkermord«, »Demokratie«, »Antifaschismus« etc. vor der eigenen Haustür kopiert.

Dabei ist die russische Militärintervention lediglich ein Element im weltweiten Konkurrenzkampf der national organisierten und international verkuppelten Kapitalisten, ein Kampf um die Neuaufteilung der Welt in Einflusssphären der entsprechenden ökonomischen Blöcke. Natürlich weisen die staatsmännischen und -frauischen Heuchler des Westens dies zurück, offiziell haben sie ihre Expansionspolitik in wattierte Worte verpackt, geht es um »Freiheit«, »Demokratie« und sonstige »Werte«. Letzteres ist noch am ehesten nachvollziehbar, geht es doch vor allem um »Mehrwerte«, die man aus der Ausplünderung der beherrschten Territorien und der dortigen Proletarier herausschlägt. Das bekam auch die Ukraine zu spüren: es hat sich zum ärmsten Land Europas entwickelt, geplündert von seinen eigenen Oligarchen und den westlichen Geldgebern der enormen Kredite, mit denen das Land verschuldet ist.

Die dubiose und westlich-imperialistische »Wertegemeinschaft«, repräsentiert durch EU und NATO, hat sich in den letzten Jahrzehnten immer mehr an das Staatsgebiet der Russischen Föderation herangerobbt, immer darauf bedacht, dem langsam wieder zu Kräften gekommenen kapitalistischen Konkurrenten im Osten in dessen ökonomischen Orbit zu grätschen und ein Territorium ums andere von dort herauszulösen und der eigenen Botmässigkeit unterzuordnen, mittels Korruption, Krediten und neuen vielfältigen Abhängigkeiten.

Das Gerangel um die Ukraine zwischen dem westlichen und russischen Kapital begann schon recht früh, kurz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, als sich dort ein »oligarchisches« System des Kapitalismus entwickelt hatte – und diese schwerreichen Oligarchen die Politik in der Ukraine massgeblich bestimmten. Ihre internen Widersprüche reproduzierten sich auf allen Ebenen der Gesellschaft, und die so gelobte ukrainische »Demokratie« war dominiert von den jeweiligen ökonomischen Interessen dieser Grosskapitalisten. Manche von ihnen sahen grössere Profitchancen in einer Anbindung an den Westen, für andere war der Handel mit Russland wichtiger. Diese Widersprüche wurden auch ideologisch aufgeladen, und die prowestlichen Oligarchen wurden – vor allem aus Kreisen der USA, auch durch die Förderung und Wiederbelebung des ukrainischen Nationalismus und bishin der Glorifizierung seiner faschistoiden Vorbilder wie Bandera etc. – unterstützt.

Bis zum Maidan 2014 beteiligten sich der Westen wie Russland an diesem Spiel der oligarchischen Kür der ukrainischen Präsidenten, dem das Wahlvolk zustimmen durfte, aber nicht immer den wählte, der auch den ausländischen Interessenten jeweils zupass war.

Als der wankelmütige Oligarch Janukowitsch, dem sein eigener unermesslicher Reichtum selbst nicht genug war, Ende 2013 ein Assoziierungsabkommen mit der EU aussetzte, unter anderem, weil die Russische Föderation mit wirtschaftlichen Sanktionen gedroht hatte, nahmen das westlich orientierte Kreise und Oligarchen zum Anlass, eine Dauerdemonstration auf dem Kiewer Maidan zu inszenieren, die sich bis in das Jahr 2014 hinzog und mit Geld und Keksen von der USA und der EU angeheizt wurde. Die konkurrierenden Oligarchen organisierten private Schlägertrupps wie den ultranationalistischen Rechten Sektor, die für die Herausforderung und Konfrontation mit der Staatsmacht zuständig waren. Am 20. Februar kam es schliesslich zum Showdown, bei der Schusswaffen zum Einsatz kamen und ca. 50 Menschen getötet wurden – unter anderem durch Heckenschützen. Eine kurz danach getroffene Vereinbarung über die Beilegung der Krise in der Ukraine zwischen Regierung, Oppositionellen und (als Zeugen) dem deutschen und polnischen Aussenminister Steinmeier und Sikorski wurde fast gleichentags zu Makulatur und kurz darauf Janukowitsch staatsstreichartig abgesetzt. Die EU beeilte sich, diesen parlamentarischen Coup anzuerkennen, und der von der USA präferierte neue Präsident Jazenjuk trat dessen Nachfolge an. Heute bekleidet der Komödiant Selenskyj dieses Amt, gefördert vom ukrainischen Oligarchen Kolomojskyj.

Zankapfel Krim und Ostukraine

Die seit 1774 unter russischer Kontrolle stehende Halbinsel Krim, heute eine Art unsinkbarer Flugzeugträger im Schwarzen Meer, und seit 1783 Sitz der russischen Schwarzmeerflotte, war 1954 vom ukrainischstämmigen Chef der Sowjetunion Chruschtschow der Ukrainischen Sowjetrepublik vermacht worden, zuvor gehörte sie zur russischen Sowjetrepublik, von 1921 bis 1946 als eine autonome Republik. Als sich nach dem Umsturz in Kiew der Sieg der oligarchischen Westfraktion klar abzeichnete entschloss sich der Kreml zu einer Art Gegenputsch auf der Halbinsel, Ende März war das Gebiet durch eine geschickte unblutige Militäroperation de facto und formell wieder an die Russische Föderation angeschlossen, natürlich nicht, ohne die üblichen Sanktionen des Westens nach sich zu ziehen. Dort hatte man gehofft, mit einem Auslaufen der entsprechenden Verträge mit der Ukraine, Russlands Zugang zum Schwarzen Meer und seinen Flottenstützpunkt zu eliminieren. Um so grösser war die Verärgerung, als dies misslang und der russische Imperialismus in dieser Sache Oberhand behielt. Damit hatte der Westen nicht gerechnet, war doch die Krim ein strategisches Filetstück der Ukraine, und somit ein wichtiger Grund Millionen von Dollar über die vielfältigsten Kanäle in die umstürzlerischen ukrainischen Kräfte zu investieren. Natürlich haben deshalb die westlichen Staaten diese »Wiedervereinigung« der Krim mit Russland bis heute nicht anerkannt und bemühen sich mit Vehemenz diesbezüglich für weiteren Gegendruck in Form von Flottenmanövern, diplomatischen Noten und sprechen von »Annexion«, trotz eines Referendums in der die grosse Mehrheit der Bevölkerung für einen Anschluss der Krim an Russland stimmte, wohl auch mit deshalb, weil die Ukraine die Krim ökonomisch verwahrlost hatte, das Pro-Kopf-Einkommen auf der Krim lediglich ein Drittel von dem in Russland üblichen betrug.

Anders verhielt es sich in der Ostukraine, namentlich in den Bezirken Lugansk und Donezk. Hier verquickten sich Befürchtungen der lokalen russischstämmigen Bevölkerung vor der neuen ukrainischen Regierung und ihren ultranationalistischen Repräsentanten mit einer von der russischen Regierung und chauvinistischen russischen Kreisen angestachelten Angst zu einer Art eigentlich programmlosen Revolte, bei dem auch aus Russland eingereiste – und oft dubiose – Elemente vor allem später eine nicht unerhebliche Rolle spielten. Die dort auftretenden »Volksmilizen« zielten zunächst auf eine Sonderrolle innerhalb des ukrainischen Staats ab, und entmachteten lokale staatstreue Behörden. Die ukrainische Regierung reagierte darauf mit einem »Anti-Terror-Einsatz« und setzte so einen offenen und brutalen Bürgerkrieg wesentlich mit in Gang, angetrieben von »Freiwilligen-Bataillonen«, in denen sich, von Oligarchen teilweise direkt finanziert, neonazistische und ultranationalistische Figuren und Söldner aus aller Herren Länder auslebten. Zu Verhandlungen mit den Rebellen war der ukrainische Staat nie wirklich bereit. Das wäre auch teuer geworden, schliesslich waren die erhaltenen gewaltigen IWF-Kredite der Ukraine unter anderem an die Beherrschung der aufständischen Gebiete gebunden, im Falle ihres Verlustes hätte eine Neubewertung der Kredite im Raum gestanden (Weniger ausbeutbare Proletarier hätten erschwerte Kreditbedingungen bedeutet).

Dem russischen Imperialismus konnte die Rebellion im Osten nur recht sein, verhinderte der offene Konflikt und Krieg doch die Beitrittsambitionen der Ukraine zur NATO. Selbst im Falle einer Verhandlungslösung à la Minsk, bei einer Einigung zwischen den Rebellen der »Volksrepubliken« und der Regierung der Ukraine wäre diese Frage auf den Tisch gekommen und kein Vertrag in Sicht gewesen, wenn nicht zumindest eine »Finnlandisierung« der Ukraine dabei herausgekommen wäre. Das wollten weder die ukrainische Regierung noch die westlichen Partner derselben, trotz aller gegensätzlichen Beteuerungen. Die ukrainische Regierung lehnte die Verhandlungen immer wieder ab und beschoss lieber ihre eigenen Staatsbürger in den rebellischen Territorien mit Granaten und Artillerie. Keine westliche Träne wurde für diese Opfer des ukrainischen Beschusses vergossen, um so ungehemmter können sie jetzt angesichts des russischen Einmarschs in der Ukraine fliessen.

Der Westen selbst hat das Minsker Abkommen immer wieder torpediert, aufgeschoben, durch neue Verhandlungsformate (»Normandie-Format«) geschickt auf die lange Bank geschoben, eine Blockfreiheit der Ukraine wollte man partout keine Zustimmung geben. Schliesslich wäre das ein Strich durch die Rechnung der strategischen Planung des Westens gewesen: die Destabilisierung und womöglich der Zerfall der Russischen Föderation in beherrschbare aus ausplünderbare Einzelteile. Statt »Finnlandisierung« der Ukraine eine Eindämmung der Russischen Föderation, wenn nicht gar die »Jugoslawisierung« des Vielvölkerstaats Russland. Wir erinnern uns zu gut, welche Rolle die verschiedenen westlichen Mächte bei der Anheizung des Bürgerkriegs in Jugoslawien spielten. Und an die 1999 auf Serbien drei Monate lang geworfenen Bomben, um den neuen Staat Kosovo aus der Taufe zu heben. Die westlichen Oberheuchler betonen ohne rot zu werden dennoch: einen Angriffskrieg hat es – vor der jetzigen Invasion in der Ukraine – seit 1945 in Europa nicht mehr gegeben…. Argumentativ knüpft der Kreml genau an diese NATO-Operation an, hält dem Westen zynisch den Spiegel vor.

Die Urheber des gegenwärtigen Krieges

Auf den allerersten Blick scheinen die Dinge offensichtlich. Der russische Präsident Putin hat unbestreitbar den Einsatzbefehl für die russischen Invasionstruppen gegeben. Die genauen Kriegziele dieser »Militäroperation«, wie es verharmlosend in offiziellere Lesart heisst, liegen noch nicht offen: geht es nur um den Austausch der ukrainischen Regierung, um die Zerstörung des militärischen Potentials, oder um eine Neuaufteilung des Territoriums nach ethnisch-linguistischen Gesichtspunkten, wie das »Novorossija«-Projekt, also der Abtrennung und Vereigenstaatlichung der südöstlichen Ukraine von Odessa bis Lugansk/Charkow, um eine dauerhaftere Besetzung des Landes zum Preis eines ausgedehnten Bürgerkriegs? Man kann im Moment nur orakeln.

Ganz sicher ist Putin aber nicht ein neuer Hitler, ein Phantast der von der Wiederherstellung der Sowjetunion oder gar des russischen Zarenreiches träumt, sondern er ist lediglich der kühl kalkulierende Repräsentant des im russischen Staat ausbeutenden Kapitals, das sich im weltweiten Verteilungskampf der Bourgeoisie zu behaupten sucht und sich nicht in eine nachteilige Stellung bringen will. Nachdem alle Verhandlungslösungen offensichtlich gescheitert sind, die Anbiederungsversuche an die »westlichen Partner« über die Jahre alle gescheitert sind, nachdem EU und USA in selbstüberschätzender Siegesgewissheit weiter unermüdlich an der Umkreisungs-, Destabilisierungs- und Eingrenzungspolitik gegenüber Russland festhielten, greift die Russische Föderation zum militärischen Gegenschlag, mit der langfristigen Kalkulation, dass sich das Risiko und die Kosten dieses Krieges auf die Dauer bezahlt macht. Das schon fast notorisch gewordene »Preisschild«, das die westlichen Politiker inzwischen überall da anheften, wo sie ihre Interessen herausgefordert sehen – und was nicht nur ihre zutiefst bürgerliche Seele offenbart – scheint nicht abgeschreckt zu haben.

Vermutlich hat man im Kreml ohnehin damit gerechnet, dass die westlichen Sanktionen früher oder später als Waffen im ökonomischen Krieg gegen Russland zum Einsatz kommen, zu welchem für den Westen willkommenen Anlass auch immer. Nordstream 2 drohte sowieso zu kippen, da die USA und ihre transatlantischen Verbündeten in der BRD und anderen Ländern das Projekt wo es nur ging zu verhindern suchten oder bis ins Ungewisse hinauszögern wollten. Schliesslich ist auch das Sanktionsarsenal irgendwann erschöpft, allerdings ist der Ausschluss Russlands aus dem SWIFT-System noch nicht vollzogen – und es wäre eine nicht unkomplizierte Angelegenheit und hätte wohl ein Aussetzen der russischen Öl- und Gaslieferungen zur Folge. Andererseits zeigt der Westen auch im sanktionsgeschwängerten Wirtschaftskrieg gegen Russland seine ureigensten Absichten: entweder Unterwerfung Russlands unter die westliche Botmässigkeit oder Zerstörung der russischen Wirtschaft. Ob das, aufgrund der globalen Verflechtungen, der russischen Exportprodukte Öl, Gas, Weizen etc., der Kooperation mit China, so ohne weiteres gelingt, steht auf einem anderen Blatt.

Den »Aggressor« dieses Konflikts, der die Form des offenen Krieges angenommen hat, einseitig zu bestimmen, fällt also schwer. Alle Beteiligten, die herrschenden Bourgeois der EU, der NATO, der Ukraine und der Russischen Föderation, alle haben sie ihr Scherflein dazu beigetragen die Situation eskalieren zu lassen. Alle sind sie auf ihrer unermüdlichen Jagd nach Mehrwert und Profit, keiner will nur ein Jota zurückweichen, die jämmerlichen Bourgeois können nicht teilen, sondern nur unter Gezänk aufteilen, und selbstverständlich nur das, was sie zuvor den Proletariern der Welt mit ihren Ausbeutungsregimes abgepresst haben. Seit Clausewitz wissen wir: »Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln«. In welche Form der Politik dieser Krieg wieder umschlägt bleibt zunächst offen, aber mit einer Gewissheit: für die Arbeiterklasse, ob im Westen, in Russland, in der Ukraine, wird sich nichts verändern, wenn sie sich nicht anhand ihrer eigenen Interessen organisiert, kämpft und den jeweils herrschenden Bourgeois die Zügel aus der Hand schlägt.

Defätismus als Gebot der Stunde

Die Bourgeois aller genannten Kriegsparteien, USA, EU, Ukraine und natürlich Russland, versuchen ihr beherrschtes Volk hinter ihre Interessen zu scharen. Der Westen verhängt seine Sanktionen mit den üblichen Schrullen von der Verteidigung von »Freiheit« und »Demokratie«, also der Freiheit zur Ausbeutung und zur Wahl von Kriegshetzern. Dafür soll jetzt aufgerüstet werden. Statt Deeskalation will man mit noch mehr Mann und militärischem Gerät an die russische Grenze rücken, um die künftigen Verhandlungspositionen mit weiteren Drohungen zu untermauern. Mit über 1000 Milliarden US-Dollar sind die NATO-Länder jährlich im Rüstungsgeschäft, über das 16-fache von dem, was die Russische Föderation aufwendet (61 Milliarden). Aber das sei noch nicht genug lassen die Kriegshetzer verlauten. Die Ukraine liegt mit 6 Milliarden im Rennen, in den letzten drei Jahren kontinuierlich ansteigend (Zahlen für 2020). Begleitet wird das ganze von einer widerlichen medialen Hetze und Kriegslüsternheit der journalistischen Kanaille der grossen bürgerlichen Presse, ganz ohne Gleichschaltungsgesetz. Ähnlich ist die Lage in der Ukraine und Russland. Die herrschende Ideologie in der Presselandschaft ist überall die Ideologie der herrschenden Klasse.

Dem gegenüber steht die Wirklichkeit proletarischen Lebens, das in allen erwähnten Ländern zunehmend schwieriger wird – wenn natürlich auch auf unterschiedlichem Niveau. Am schlechtesten ist die Situation unbestritten für Proletarier in der Ukraine, etwas besser in Russland, und wiederum besser im Westen. Aber deren Sorgen kümmert das herrschende Kapital im grossen Ganzen einen Dreck. Für sie steht die Profitmacherei im Vordergrund, und dafür gehen alle auch über Leichen. Es gibt weder im Westen noch in der Ukraine und Russland für die Arbeiter irgendeinen triftigen Grund sich vor den Karren ihrer Bourgeoisie spannen zu lassen, im Namen von »Vaterlandsverteidigung«, »Freiheit«, »Antifaschismus«, »nationale Grösse« oder was den bürgerlichen Ideologen sonst noch so einfällt, um die Arbeiter der Welt gegeneinander zu hetzen. Solange der Bourgeoisie das gelingt, sind die Arbeiter verloren, verdammt sich im Kriegsfalle auf Befehl gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Der Gewinner bleibt allein das Kapital und seine Ausbeuterordnung. Und jeder imperialistische »Frieden«, egal ob verhandelt oder militärisch erzwungen, ist nur das Sprungbrett für die nächsten Kriege.

In dieser Auseinandersetzung der Kapitalisten untereinander ist der Defätismus das Gebot der Stunde, d. h. die eigene Bourgeoisie nicht nur nicht zu unterstützen, sondern sich für ihre Niederlage einzusetzen. Angelehnt an die alte Parole der Arbeiterbewegung, den imperialistischen Krieg in einen antikapitalistischen revolutionären Bürgerkrieg gegen die eigene Bourgeoisie zu verwandeln, ist dies zwar keine konkrete Option, weil es zur Zeit eine starke Arbeiterbewegung in keinem der involvierten Länder gibt, sondern vielmehr eine Frage der Haltung und Richtschnur für das Handeln, wo immer dies möglich ist. So kann man sich zum Beispiel weigern bei der Kriegslogistik mitzuwirken und seine Kollegen auffordern, dem gleich zu tun. Oder versuchen, sich einer Zwangsrekrutierung zu entziehen. Keine Unterstützung des Krieges auf keiner Seite von Seiten der Arbeiterschaft. Krieg dem Kriege, in dem wir uns selbst für den Klassenkampf organisieren – und langfristig darauf hinarbeiten, an der Bildung einer wahrhaft internationalen kommunistischen Partei zu arbeiten, die in der Lage ist die Arbeiterklasse in allen Ländern hinter ihrem den Kapitalismus negierenden Programm zu einigen, zu führen und schlagfertig zu koordinieren.

Zum Kapitalismus gehört der Krieg

Der Westen beteuert zwar offiziell für den »Frieden« zu sein und lanziert offiziell entsprechende Appelle, nicht zuletzt um die hilflos um »Frieden« bettelnden Pazifisten in ihre Kriegsfront einzubinden, gleichzeitig giesst man aber fleissig Öl ins Feuer. Die deutsche Bundesregierung gibt inzwischen Waffenexporte in das »Krisengebiet« frei, liefert Waffen aus Bundeswehrbeständen, genehmigt den Niederlanden den Export deutscher Panzerabwehrwaffen, Estland den Export von Haubitzen aus NVA-Zeiten. Die Ukrainer sollen damit ihren Kopf für die Interessen auch des deutschen Kapitals hinhalten, Hauptsache der Gegner wird geschwächt. Der Westen, allen voran die USA, haben schon lange zuvor die Ukraine mit Waffen vollgepumpt und den Krieg des ukrainischen Staates gegen die abtrünnigen »Volksrepubliken« unterstützt, eine ukrainische Militäroffensive gegen diese Gebiete wurde dort schon von langer Hand vorbereitet, schliesslich wäre eine solche Operation ja auch von dem zwischen Kapitalisten ausgehandelten »Völkerrecht« gedeckt.

Von den Kriegsflüchtlingen aus der Ostukraine, die vor den ukrainischen Waffen nach Russland und Abchasien geflüchtet sind, spricht im Westen kaum einer, dafür werden die nach Westen strömenden ukrainischen Kriegsflüchtlinge in den westlichen Medien ausgiebigst begleitet und im Westen wie selbstverständlich willkommen geheissen. Ganz andere Erfahrungen mussten diejenigen Flüchtlinge machen, die vor den NATO-Kriegen und ihren Folgen flüchteten und an der belarusisch-polnischen Grenze auf den unbarmherzigen Widerstand der polnischen Behörden stiessen. Für 366 Millionen Euro befestigt Polen nun seine Grenze zu Belarus mit einer mehr als fünf Meter hohen Mauer, die diese Menschen daran hindern soll, in die EU zu gelangen. Auf solche Hindernisse stossen die propagandistisch nützlichen Flüchtlinge nicht, selbst ein Visum brauchen sie nicht. Dahingegen verhindern die ukrainischen Behörden die Ausreise von Männern zwischen 18 und 60 Jahren, um ihren »Volkssturm« aufzufüllen, denn jeder, auch der ärmste Arbeiter, soll das Vermögen und die Macht der ukrainischen Oligarchen mit seinem Blut verteidigen, danach bleibt er arm wie ehedem zuvor – falls er mit dem Leben davonkommt!

Der gegenwärtige Krieg in und um die Ukraine ist nur eine Episode in der langen Reihe von weltweiten Kriegen um die Aufteilung der Welt. Es geht nicht um einen Gegensatz von »Demokratien« und »autoritären Staaten«, von »Guten« und »Bösen«, es geht um die kapitalistische Konkurrenz, Vorherrschaft, Suprematie, um Märkte und Rohstoffe, darin gleichen sich alle imperialistischen Staaten. Aggressoren sind sie alle, im Kriegsfall wird es nur offensichtlicher. Diese Aggression ist quasi in der DNA des Kapitalismus verankert, der mit seiner gewaltigen Überproduktion an Waren und Kapital beständig an seine Grenzen stösst, und dieses Dilemma stets auf Kosten seiner Konkurrenten zu lösen sucht. Dies ruft politische Krisen und in letzter Konsequenz Kriege hervor, und um diese führen zu können, werden Ideologien der verschiedensten Art präsentiert und gepflegt, um dem »gemeinen Volk« glaubend zu machen, es sei auch »in ihrem Interesse«. Diese Ideologien dienen auch dazu, die Arbeiterklasse zu spalten, gegeneinander aufzubringen, um die einzige Macht zu schwächen, die diesen Höllenkreis des Kapitalismus durchbrechen kann, indem sie ihm ein Ende setzt: das vereinigte Proletariat aller Länder!

Während nun im Osten Osten Europas die herrschenden kapitalistischen Oligarchen ihre Armeen in einen Krieg schicken, zeichnen sich an anderen Stellen der Welt schon die nächsten kriegerischen Konflikte ab. Solange der Kapitalismus existiert besteht akute Kriegsgefahr und in der Tat verging auch nach dem Zweiten Weltkrieg kein Tag, an dem die Waffen in allen Teilen der Erde schwiegen. Und eine Steigerung dieses Horrors lagert in den Atomwaffendepots der Welt, für einen Dritten Weltkrieg, der nicht viel menschliches Leben auf diesem Planeten übrig lassen wird. Aber auch schon zu »Friedenszeiten«, ganz ohne Waffeneinsatz, arbeitet der Kapitalismus an der Zerstörung des Planeten. Wie Marx schon sagte: »Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.« (Karl Marx, »Das Kapital«, MEW. Bd. 23, S. 529/530)

So oder so, dieses kapitalistische System steht in jeder Hinsicht einer menschlichen Zukunft im Wege. Die Arbeiterklasse darf sich nicht länger vor den Karren ihrer herrschenden Bourgeoisien spannen lassen, darf nicht ihren Parolen folgen und muss sich von deren bürgerlichen Ideologien lösen. Wir Arbeiter haben kein Vaterland, keine Gemeinsamkeiten mit der Bourgeoisie! Und wir schlagen uns auf keine Seite ihrer verbrecherischen Kriege um ihre Vorherrschaft. Dem gegenüber haben wir in einer Revolution eine Welt zu gewinnen, wenn wir uns nur über alle Grenzen hinweg einig sind. Darum gilt unser alter kommunistischer Kampfruf heute mehr denn je:


K. Gmelin


Source: »Marxismus & Klassenkampf«, Februar 2022

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