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DIE INFLATION ODER DIE FLUCHT NACH VORN DES KAPITALS


Content:

Die Inflation oder die Flucht nach vorn des Kapitals
Was versteht man unter Inflation?
Die Geldtheorie bei Marx
1.Mass der Werte bzw. Massstab der Preise
2.Geld als Zirkulationsmittel
3.Geld als Zahlungsmittel und damit Basis des Kredits
Gold, Papiergeld und der Begriff »Inflation«
Inflation und die Krisensteuerung im Monopolkapitalismus
Das Inflationsargument »Monopolmacht«
Permanente Inflation als gesteuerte Ersatzkrise
Keine Alternative zur permanenten Inflation
Das Inflationsargument »Verteilungskampf zwischen Kapital und Arbeit«
Notes
Source


Die Inflation oder die Flucht nach vorn des Kapitals

Was versteht man unter Inflation?

Um dieses allgemeine Phänomen des heutigen Kapitalismus mit Hilfe der marxistischen Wertlehre auf ihren Begriff zu bringen, muss man sich vor allem genau klarmachen, was man unter »Inflation« zu verstehen hat. Die bekannte bürgerliche Definition, die Inflation als permanente Steigerung des Preisausdrucks der Waren beschreibt, ist völlig unbrauchbar. Sie übersieht, dass Preiserhöhungen (z. B. Preiserhöhungen bei Lebensmitteln durch Marktmacht) und Inflation (Verschlechterung des Werts der Geldware) grundsätzlich zwei verschiedene Dinge sind, die nicht miteinander vermischt werden dürfen. Erhöht sich der Preisausdruck der Waren, so ist auf den ersten Blick überhaupt nicht feststellbar, welche Seite der Gleichung sich geändert hat. Es ist nicht einsichtig, ob die Ware teurer oder die Geldware wertloser geworden ist.

Die Verwendung des populären Inflationsbegriffs schafft deshalb von Anfang an keine Klarheit über zentrale Unterscheidungen. Hier fällt nämlich völlig unter den Tisch, dass im Preisausdruck der Waren drei Ursachen ihren Ausdruck finden. Zwei tendieren dazu, den Preis zu erhöhen; eine, ihn zu senken:

1. Die Steigerung des Preisausdrucks der Waren durch Preiserhöhungen (Teuerung), die den Wert der Geldware unberührt lassen.

2. Die Steigerung des Preisausdrucks der Waren durch Verminderung des Werts der Geldware (Inflation). – Warum nur dieser Vorgang korrekt als Inflation bezeichnet werden kann, wird später gezeigt.

3. Die Erniedrigung des Preisausdrucks der Waren durch Verminderung des Warenwerts infolge der Entwicklung der Produktivität der Arbeit.

Dies soll ein Beispiel illustrieren:
Wenn die Inflationsstatistiker feststellen, dass die Ware X 5000 Währungseinheiten und 10 Jahre später dieselbe Ware X 6000 Währungseinheiten kostet, so ist zunächst nicht festzustellen, ob sich die Ware oder der Massstab, mit dem sie gemessen wird, nämlich die Geldware verändert hat, Es ist sowohl möglich, dass der Wert des Massstabs Geldware gefallen, als auch dass der Preis der Ware gestiegen ist. Im ersten Fall müsste der Preis der Ware in einer grösseren Menge entwerteter Währung ausgedrückt werden.

Das Problem wird noch etwas komplizierter, wenn die Entwicklung der Produktivität berücksichtigt wird. Dabei gilt bekanntlich laut Marx folgende Beziehung: »Der Wert der Waren steht im umgekehrten Verhältnis zur Produktivkraft der Arbeit.« (»Kapital«, Bd. I, MEW Bd. 23, S.338) Denn durch die Entwicklung der Produktivkräfte kann eine Ware mit gleichem Gebrauchswert in kürzerer Zeit hergestellt werden und hat folglich einen geringeren Tauschwert, da sie weniger Arbeitszeit verbrauchte. Sollten in unserem Beispiel die Inflationsstatistiker feststellen, dass sich der Preisausdruck der Ware X nicht geändert hat, so müssten sie schlussfolgern, dass keine Inflation stattgefunden hat. Und solchen Unsinn kann man in der Tat häufig lesen.

Bei Kenntnis der marxistischen Werttheorie ist dagegen ganz klar, dass sehr wohl Inflation stattgefunden haben kann. Durch die Entwicklung der Produktivität wird der Wert der Ware X fallen, gleichzeitig kann sich jedoch der Wert der Geldware mit dem Ergebnis verringern, dass der Preisausdruck unverändert bleibt.

Und in der Tat ist es gerade der zentrale Punkt jeder heutigen Inflation, dass durchweg trotz ständiger Steigerung der Produktivität die Preise ebenso beständig steigen. Bevor allerdings auf diese »permanente Inflation« näher eingegangen werden kann, ist es notwendig, sich die Grundelemente der marxistischen Geldtheorie klar zu machen.

Die Geldtheorie bei Marx

Geld ist eine Notwendigkeit der kapitalistischen Produktionsweise. Ohne Geld können die produzierten Waren nicht zirkulieren. Eine sozialistische/kommunistische Gesellschaft, eben die Gemeinschaft der assoziierten Produzenten, die Produkte und nicht Waren für den unmittelbaren gesellschaftlichen Bedarf produziert, benötigt dagegen kein Geld, da es keinen Markt gibt, auf dem der in den Waren steckende Wert realisiert werden muss. Es gibt hier eben keine Warenproduktion. Jeder produziert und jeder erhält vielmehr das, was er benötigt, weil jeder unmittelbar gesellschaftlich notwendige Arbeit leistet.

Bei der kapitalistischen Produktionsweise jedoch wird Arbeit »privat« verausgabt. Ob die so verausgabte Arbeit auch gesellschaftlich notwendig war, erweist sich erst, wenn die Ware sich auf dem Markt bewährt und ihren Abnehmer findet. Nur durch den Verkauf auf dem Markt kann der in der Ware steckende Wert realisiert werden. Dies geschieht, indem sie gegen einen äquivalenten Wert getauscht wird. Ein allgemeines Äquivalent, das gegen alle Waren austauschbar ist, ist deshalb notwendig für das Funktionieren der kapitalistischen Produktionsweise. Das allgemeine Äquivalent, nämlich die Geldware, hat nun mehrere Funktionen zu erfüllen:

1. Mass der Werte bzw. Massstab der Preise

Erst das Vorhandensein einer Geldware ermöglicht es, den Wert der Waren durch einen Preis sichtbar zu machen. Der Wert ist den Waren nicht äusserlich ansehbar. Deswegen muss jede Ware mit einem Preisausdruck versehen werden. Dazu ist ein Mass des Wertes notwendig. Wenn ich z. B. weiss, dass die Ware X 5000 Geldeinheiten (Mark, Dollar, Franc, Pfund usw., der Name ist unwichtig) wert ist, so bin ich keineswegs schlauer, da das Wertmass nicht definiert ist, Wert kann nun nur durch Wert, durch einen anderen Wertträger, durch eine andere Ware definiert werden. Eine andere Ware muss her, und zwar eine, die gegen alle anderen austauschbar ist: das Gold.

Der Ausdruck, dass die Ware X 5000 Gramm Gold kostet, besagt, dass beide Wertgrössen gleich sind, da zu ihrer Herstellung gleiche Mengen gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit erforderlich sind. Die allgemeine Geldware Gold spielt hier bereits eine doppelte Rolle: Zum einen versieht es die Ware mit einem Preisausdruck und zum anderen definiert es das Wertmass. Dazu Marx:
»Als Mass der Werte und als Massstab der Preise verrichtet das Geld zwei ganz verschiedene Funktionen. Mass der Werte ist es a1s die gesellschaftliche Inkarnation der menschlichen Arbeit, Massstab der Preise als ein festgesetztes Metallgewicht. Als Wertmass dient es dazu, die Werte der bunt verschiedenen Waren in Preise zu verwandeln, in vorgestellte Goldquanta; als Massstab der Preise misst es diese Goldquanta.« (»Kapital«, Bd. I, MEW Bd. 23, S. 113)

Um als »Mass der Werte« – so die Überschrift über den ersten Abschnitt des 3. Kapitels im ersten Band des »Kapitals« – zu dienen, braucht theoretisch überhaupt kein Gold produziert worden zu sein. Man braucht nur zu wissen, wieviel die Produktion einer Gewichtseinheit Gold kostet und schon kann der Wert einer unbegrenzten Masse von Waren gemessen werden:
»Da der Ausdruck der Warenwerte in Gold ideell ist, ist zu dieser Operation auch nur vorgestelltes oder ideelles Gold anwendbar.« (»Kapital«, Bd. I, MEW Bd. 23, S. 110f)

2. Geld als Zirkulationsmittel

Damit sich in der kapitalistischen Gesellschaft der Tausch der Waren auf dem Markte nun tatsächlich vollziehen kann, muss Geld vorhanden sein, um als Zirkulationsmittel zu funktionieren. Hierzu reicht ideelles Geld nun keineswegs aus. Die Menge der benötigten Geldmittel hängt von der Warenmenge und der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes ab. Marx entwickelt dafür folgende Gesamtformel:
»Betrachten wir nun die Gesamtsumme des in einem gegebenen Zeitabschnitt umlaufenden Geldes, so ist sie, bei gegebner Umlaufgeschwindigkeit der Zirkulations- und Zahlungsmittel gleich der Summe der zu realisierenden Warenpreise plus der Summe der fälligen Zahlungen, minus der sich ausgleichenden Zahlungen, minus endlich der Anzahl Umläufe, worin dasselbe Geldstück abwechselnd bald als Zirkulations-, bald als Zahlungsmittel funktioniert.« (»Kapital«, Bd. I, MEW Bd. 23, S. 153)

Für die Zirkulation benötigt man reales Geld:
»Um als Geld zu funktionieren, muss das Gold natürlich an irgendeinem Punkt in den Warenmarkt eintreten. Dieser Punkt liegt an seiner Produktionsquelle, wo es sich als unmittelbares Arbeitsprodukt mit andrem Arbeitsprodukt von demselben Wert austauscht.« (»Kapital«, Bd. I, MEW Bd. 23, S. 123)

Die weiteren Funktionen des Geldes, die Marx untersucht, die aber hier nicht wiedergegeben zu werden brauchen, sind im übrigen die Aufgaben der Schatzbildung bzw. des Weltgeldes.

Festzuhalten ist also, dass Geld Ware und als solche Wertträger ist. Geld repräsentiert dagegen nicht unmittelbar Arbeitszeit. Marx selbst hat diese Auffassung klar zurückgewiesen:
»Die Frage, warum das Geld nicht unmittelbar die Arbeitszeit selbst repräsentiert, so dass z. B. eine Papiernote x Arbeitsstunden vorstellt, kommt ganz einfach auf die Frage hinaus, warum auf Grundlage der Warenproduktion die Arbeitsprodukte sich als Waren darstellen müssen, denn die Darstellung der Ware schliesst ihre Verdoppelung in Ware und Geldware ein.« (»Kapital«, Bd. I, MEW Bd. 23, S. 109 Anm. 50)

3. Geld als Zahlungsmittel und damit Basis des Kredits

Mit der Weiterentwicklung der Warenproduktion können Kauf und Bezahlung der Ware zeitlich getrennt werden. Mit dieser Veränderung der Tauschbeziehungen erhält auch das Geld eine andere Bestimmung, es wird Zahlungsmittel.

»Mit der Entwicklung der Warenzirkulation entwickeln sich jedoch Verhältnisse, wodurch die Veräusserung der Ware von der Realisierung ihres Preises zeitlich getrennt wird. Es genügt, die einfachsten dieser Verhältnisse hier anzudeuten. Die eine Warenart erheischt längere, die andere kürzere Zeitdauer zu ihrer Produktion. Die Produktion verschiedner Waren ist an verschiedne Jahreszeiten geknüpft. Die eine Ware wird auf ihrem Marktplatz geboren, die andre muss zu entferntem Markt reisen. Der eine Warenbesitzer kann daher als Verkäufer auftreten, bevor der andre als Käufer. Bei steter Wiederkehr derselben Transaktionen unter denselben Personen regeln sich die Verkaufsbedingungen der Waren nach ihren Produktionsbedingungen.« (»Kapital«, Bd. I, MEW Bd. 23, S. 149)

Aber erst zum Zeitpunkt der Zahlung fungiert das Geld tatsächlich als Zahlungsmittel, vorher ist es nur ideelles Kaufmittel (als Geldversprechen des Käufers), bewirkt aber als solches den Verkauf der Ware. Solange sich die verschiedenen Forderungen der Produzenten gegeneinander ausgleichen, braucht das Geld auch als Zahlungsmittel nicht tatsächlich vorhanden zu sein, denn es funktioniert nur ideell als Rechengeld oder Mass der Werte.

Das Zahlungsmittel ist andererseits Ausgangspunkt des Kredits, denn das jetzt entstehende Verhältnis von Gläubiger und Schuldner ist die Basis des Kreditgeldes. Anstelle des Geldes als Zahlungs- und Kaufmittel tritt das Schuldzertifikat (z. B. der Wechsel), das seinerseits wieder als Zahlungsmittel dient. Die Warenbesitzer werden von Käufern und Verkäufern zu Schuldnern und Gläubigern, es wird gekauft ohne zu verkaufen, das Äquivalent also ist nicht der gesellschaftliche Garant des Werts, sondern die private Garantie des Käufers, eben z. B. der Wechsel.

Dieser Wechsel wird selbst Geld, er kann bis zum Tage seiner Einlösung zirkulieren und als Geld fungieren. Er, der im Grunde nur Anweisung ist auf zukünftige Produktion, kann sogar absolut an Stelle des Geldes zirkulieren, als Bodensatz, soweit sich Forderungen und Schulden aufrechnen und damit ausgleichen. Der Kredit wird dem Kapitalisten in zwei Formen gewährt. Mit dem kommerziellen Kredit gewähren sich die Kapitalisten untereinander mit Hilfe des Wechsels Kredit. Der Wechsel selbst repräsentiert in der Regel Warenkapital, also Wert. Er vermittelt den Warentausch und bleibt daher innerhalb der Grenzen, die durch die Produktion, durch die Preissumme der Waren, und zwar der bereits vorhandenen, der in der Vergangenheit produzierten, selbst gesetzt sind. Weiter hängt der Umfang dieses kommerziellen Kredits und der Verdrängung des Geldes durch ihn von der Phase des Konjunkturzyklus und dem Verhältnis von Produktion und Konsumtion usw. ab; eine Grenze also, die durch die Entwicklung des Kapitalverhältnisses selbst gesetzt ist. Diese Grenzen nun hilft der eigentliche Geld- oder Bankierskredit zu sprengen.

Jetzt wird der Bankier zum Mittler zwischen Verleiher und Borger. Die periodischen Freisetzungen von Geldkapital im Reproduktionsprozess des Kapitals erlauben es ihm, selbst als Sammler und Verleiher von Kapital aufzutreten. Der Geldkredit macht das Kapital endgültig unabhängig von der Masse des zirkulierenden Geldes, d. h. Geldes in seiner ursprünglichen Bestimmung und Beschränkung durch seinen immanenten Warencharakter, indem er neues Geld schafft und damit gleichzeitig die im Geld als Geld angelegte Verselbständigung gegenüber der Ware – und hier auch bereits gegen die Geldware (Gold) selbst – vorantreibt. Der eigentliche Bankkredit beruht zwar auf den Reservefonds, die im Reproduktionsprozess des Kapitals notwendig entstehen, aber indem er sich vom produktiven Kapital, das sein Ausgangspunkt ist, befreit und im Bankierskredit verselbständigt – ergänzt durch die Ersparnisse aller anderen Klassen –, überspringt er auch die in seiner Herkunft als Schatz oder Reservefonds angelegten ökonomischen Grenzen.

Aus dieser knappen Charakteristik des Kredits gilt es demnach vor allem festzuhalten, dass wir es hier von der Entstehung her mit zwei Grundformen des Kredits zu tun haben:

a) der kommerzielle Kredit, hervorgegangen aus der zeitlichen Trennung zwischen Verkauf und Kauf, den beiden Seiten des Austauschprozesses der Ware, damit aus der Funktion des Geldes als Zahlungsmittel, dessen Repräsentant der Wechsel ist;

b) der Bankkredit, hervorgegangen aus der periodischen Brachlegung und Freisetzung von Geldkapital im Zirkulationsprozess des Kapitals – also entstanden aus dem Schatz –, dessen Repräsentant die Banknote ist.

Mit der Möglichkeit der Diskontierung der Wechsel bei den Banken – die Banken kaufen die Wechsel bei Abzug der Zinsen – verschwimmen allerdings die Grenzen zwischen kommerziellem und Bankierskredit.

Wichtig und charakteristisch für den Bankierskredit ist nun, dass die Banken keineswegs »überschüssige« oder »freie« Gelder ausleihen. Sie leihen vielmehr Zahlungsversprechungen aus, die dem Bankkunden als Sichtguthaben gutgeschrieben werden. Sie leihen nun bei weitem mehr aus, als sie durch Einlagen verwalten. Sie »schöpfen« also Giralgeld. Vereinfacht lässt sich dieser Geldschöpfungsprozess folgendermassen darstellen:

Erhält eine Bank eine Einzahlung von z. B. 1000 DM, dann braucht sie nicht die gesamte Geldmenge als Reserve für die Gutschrift zu halten, denn dies entspräche einer Deckung von 100 %. Für den normalen Bankverkehr genügt z. B. eine Deckung von 10 %, also 100 DM. Die restlichen 900 DM, die der Bank durch die Einlage zugeflossen sind, können als Kredit vergeben werden. Wenn der Kreditnehmer die Gutschrift für eine Überweisung an eine andere Bank verwendet, dann kann diese Bank die zugeflossenen 900 DM, unter Berücksichtigung von einer Reserve von 10 % (90 DM) wiederum als Kredit in Höhe von 810 DM verleihen usw. Die Möglichkeit der Giralgeldschöpfung der Banken liegt darin begründet, dass die Einzahlungen und Auszahlungen sich in etwa ausgleichen und zur Funktionsfähigkeit der Banken eine möglichst klein gehaltene Bargeldreserve genügt.

Eine weitere Kreditschöpfungsmöglichkeit besteht darin, dass sich die Banken untereinander Guthaben in gleicher Höhe einrichten. Durch verschiedene technische Prozesse schaffen die Banken also Geld – und durchaus reales Geld, sofern es für jedes Kauf- und Zahlungsgeschäft des Landes verwendet werden kann. Sie schöpfen Papiergeld, weil seine Zirkulation letztlich von der guten Verwaltung und der Zahlungsfähigkeit der Banken abhängt und nicht von dem eigentlichen Wert des allgemeinen Äquivalents. Es repräsentiert staatliches Papiergeld, weil in allen entwickelten Ländern sämtliche bedeutenden Depositenbanken durch ein eigenes System mit der Notenbank verbunden sind, das gewährleistet, dass das Buchgeld durch Banknoten der Notenbank gedeckt ist. Im Zuge der Entwicklungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs sind noch nicht einmal diese Papierzeichen notwendig. Alles ist hier im wesentlichen eine Sache von Bewegungen verschiedener Konten, auf denen nur noch entsprechende Summen verbucht werden.

Das Entscheidende an diesem ganzen Hokuspokus ist natürlich, dass in ihm die Möglichkeit der Bank erscheint, quasi aus dem Nichts Geld zu produzieren und so den Schein zu erwecken, als habe sich im »modernen« Kapitalismus die Zirkulation endgültig von der Produktion gelöst und ihre ökonomische Basis, wie sie im kommerziellen Kredit noch deutlich hervortritt, nunmehr verlassen. Als sei es nun nicht mehr der Reproduktionsprozess des Kapitals, der den Bankkredit hervorbringe, sondern vielmehr umgekehrt das Bankkapital, das aus eigener Machtvollkommenheit Kapital in die Welt setzt. Die Kapitalisten werden allerdings auch hier von der Wirklichkeit permanent eines Besseren belehrt. Sie haben es zwar verstanden, die Geldware als allgemeines Warenäquivalent scheinbar durch ihre raffinierte Kontenmagie überflüssig zu machen; sie müssen aber immer wieder von neuem feststellen, dass zwischen der Ware und dem Geld ein ehernes funktionales Verhältnis besteht, worin das Geld der Vermittler des Warentauschs ist, wofür es aber letztlich nur als eigener Wertausdruck funktionieren kann.

Gold, Papiergeld und der Begriff »Inflation«

Die Produktionskosten der allgemeinen Geldware Gold sind im eigentlichen überflüssige Kosten (faux frais) der kapitalistischen Produktionsweise. Denn das Gold ist nur notwendig zur Zirkulation der Waren. Es hat sonst keinen Gebrauchswert – mit Ausnahme des Goldes für Schmuck, industrielle Zwecke usw. In einer sozialistischen Gesellschaft, die direkt für die Bedürfnisse der assoziierten Mitglieder produziert, ist eine Goldproduktion deshalb sinnlos. Heute hat man sich daran gewöhnt, die Lagerung von Milliardenwerten in Gold in den Tresoren der Zentralbanken als normal zu empfinden. Die ungeheure Verschwendung gesellschaftlicher Arbeit, die darin zum Ausdruck kommt, wird erst wieder deutlich, wenn die Ware Gold durch eine andere Ware ersetzt wird. Man stelle sich vor, die Banken würden Milliarden ungenutzter Gebrauchsgegenstände oder Lebensmittel in ihren Kellern lagern. Diese Verschwendung, für jeden augenscheinlich, bedarf keines weiteren Kommentars.

Es läge durchaus im Interesse des Kapitals, einen Weg zu finden, die Produktionskosten der allgemeinen Geldware entscheidend zu reduzieren. Dies ist jedoch eine theoretische Unmöglichkeit, da ein allgemeines Äquivalent mit Wert absolute Notwendigkeit der kapitalistischen Produktionsweise ist. Deshalb sind auch alle Versuche eines »Kunstgoldes« – wie etwa aktuell die Sonderziehungsrechte (SZR) – in der Praxis nicht zu realisieren. Man kann zwar das Gold durch Papierzettel repräsentieren lassen. Ohne das Gold im Rücken sind diese Papierzettel aber soviel wert, wie es kostet, diese zu drucken. Die Gesamtsumme der umlaufenden Papiernoten kann nie mehr repräsentieren als die Goldsumme, für die sie ausgegeben wird. Wird aber mehr Geld gedruckt als Gold im Gegenwert vorhanden, so »überschreitet es sein Mass«. Dazu Marx:
»Überschreitet aber das Papier sein Mass, d. h. die Quantität von Goldmünze gleicher Denomination, welche zirkulieren könnte, so stellt es, von der Gefahr allgemeiner Diskreditierung abgesehen, innerhalb der Warenwelt dennoch nur die durch ihre immanenten Gesetze bestimmte, also auch allein repräsentierbare Goldquantität vor.«
Und weiter:
»Nur insofern das Papiergeld Goldquanta repräsentiert, die, wie alle anderen Warenquanta, auch Wertquanta, ist es Wertzeichen.» (»Kapital«, Bd. I, MEW Bd. 23, S. 142)

Wie lässt sich nun der Begriff »Inflation« auf der Basis der marxistischen Geldtheorie genau bestimmen? Dazu können wir jetzt sagen:

1. Wenn bei reiner Goldwährung unter der Bedingung konstanter Produktionskosten des Goldes die Preise steigen, so ist dies nur möglich, wenn die Werte der Waren steigen. Dies ist begrifflich exakt als »Teuerung« zu bezeichnen,

2. Bleiben die Warenwerte gleich, so ist dennoch eine Erhöhung des Preisausdrucks möglich, wenn die Produktionskosten für die Geldware Gold sinken. Ein solcher Vorgang muss korrekt als »Wertminderung« einer bestimmten Ware bezeichnet werden.

Folglich kann logischerweise, solange die reine Goldwährung existiert, nicht von »Inflation« gesprochen werden. Inflation ist bei reiner Goldwährung eine theoretische Unmöglichkeit. Die Bezeichnung »Goldinflation« ist genauso inhaltslos wie etwa »Eiseninflation«. In analogen Vorgängen früherer Zeiten beruhte also die Preissteigerung durchgängig auf einer Wertminderung des Goldes; sei es, dass es massenhafter auftrat bzw. mit weniger Arbeitsaufwand hergestellt werden konnte, oder sei es, dass durch Münzfälschung der Goldwert von Staatswegen vermindert wurde.

Wird nun Papiergeld auf Goldbasis eingeführt, so ändert sich für das oben Gesagte so lange nichts, wie die Papierzeichen auch tatsächlich Gold im Besitz der gelddruckenden Stelle repräsentieren. Der Name des Papierscheins und seine jeweilige Aufgliederung sind für die Wertbestimmung völlig belanglos. Das Papierzeichen selbst ist soviel wert, wie es kostet, es zu drucken. Wertträger bleibt nach wie vor das Gold selbst. Das Papierzeichen ist nur ein Anspruchstitel auf eine entsprechende Goldmenge.

Sobald allerdings Geldzeichen ohne entsprechenden Gegenwert ausgegeben werden, haben wir einen Prozess, der korrekt durch den Begriff »Inflation« gekennzeichnet ist. Inflation bedeutet dabei, dass jede Gewichtseinheit Gold durch eine grössere, »aufgeblasenere« Menge Geldzeichen repräsentiert wird. Der Begriff »Inflation« hat demnach nur für die Papierwährung einen Sinn.

Sowie der Begriff »Goldinflation« ist, so ist es auch der Begriff »Preis des Goldes«. Wenn Gold das Wertmass der Preise ist, so bedeutet »Preis des Goldes« Gold durch Gold zu messen. Dies ist so unsinnig wie Eisen durch Eisen zu messen. Was man logischerweise nur messen kann, ist der Goldgehalt der Währungseinheit Der Ausdruck l Unze Gold gleich 35 US Dollar bedeutet in Wirklichkeit: ein Dollar vertritt 1/35 einer Unze Gold.

Geläufige Einwände, die behaupten, der Kapitalismus brauche nach Marx keine werttragende Geldware, es genüge die reine Fiktion des Papier- oder noch besser des Buchgeldes, und Marx habe sich einfach zu sehr an dem Faktum der Goldwährung zu seiner Zeit orientiert, zeigen nur ihre Ignoranz. Marx war kein Theoretiker des Kapitalismus seiner Zeit, sondern seine Theorie behandelt die immanenten Gesetze des Kapitalismus im allgemeinen. Darüber hinaus beweisen solche Behauptungen höchstens, dass man die entsprechenden Passagen über das Geld im »Kapital« nicht gelesen oder nicht verstanden hat. Am Ende reduziert man die vielen Funktionen des Geldes einfach auf die Funktion des Zirkulationsmittels und übersieht die Funktion des Geldes als Mittel zur Aufschatzung, als »Inkarnation gesellschaftlicher Arbeit« (Kap. I/151) und »gesellschaftlicher Materiatur des Reichtums« (Kap.I/157). Waren können im gewissen Umfang sicher auch durch wertlose Zeichen zirkuliert werden. Als »Inkarnation gesellschaftlicher Arbeit« muss die allgemeine Geldware aber Wert besitzen oder Wert repräsentieren. Das Konzept eines »funktionalen Geldes« ist nicht mit der marxistischen Geldtheorie in Einklang zu bringen, weil ein solches Geld nicht alle Funktionen von Geld im Kapitalismus erfüllen kann. Dies ist auch der Punkt, der die Durchsetzung des »Papiergoldes« SZR (Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds) als vollgültigen Ersatz des Goldes letztlich unmöglich macht. Den SZR fehlen eben zentrale Geldfunktionen. Gängige Einwände übersehen auch, dass jede kapitalistische Produktionsweise die Verdoppelung der Ware auf dem Markt gegen Geldware erfordert. Auf dem Markt wird Wert gegen Wert getauscht. Dies ist unmöglich, wenn die Geldware selbst keinen Wert besitzt.

Deutlich werden die falschen Eindrücke in die kapitalistische Bewegung z. B. an den jüngsten »Goldnotierungen«. Wie kommt der unterschiedliche Preisausdruck in Gold und Papierwährung zustande? Abgesehen von Einflüssen der Spekulation gilt dabei folgendes: Wenn die Produktionskosten für die Geldware Gold sich relativ wenig ändern, die Produktionskosten für alle anderen Waren durch die ungeheure Entwicklung der Produktivkräfte in den letzten Jahrzehnten enorm sinken, so ergibt sich logischerweise, dass sich für jede Gewichtseinheit Gold immer mehr andere Waren kaufen lassen. Was den Laien als Wertsteigerung des Goldes erscheint, ist in Wirklichkeit eine Minderung des Warenwerts aller übrigen Waren. Tragen die Waren trotz ihrer permanenten Wertminderung laufend höhere Preisausdrücke, so beweist dies, dass der Wert der Papierwährung laufend gesunken sein muss. Hier handelt es sich nicht um »imaginäre Rechnungen«, sondern um den Kern der permanenten Inflation im gegenwärtigen Kapitalismus.

Inflation und die Krisensteuerung im Monopolkapitalismus

Bisher ist der Ausdruck »Inflation« nur auf seinen Begriff gebracht worden, Es wurde gezeigt, dass erst bei Papiergeldwährung Inflation theoretisch und praktisch möglich ist. Das Vorhandensein einer Papiergeldwährung ist aber allein noch keine Erklärung dafür, warum heute permanente Inflation stattfindet. Die Hauptursache hierfür ist in der Krisenverhinderungspolitik des Staates in Zusammenarbeit mit den Zentralbanken zu suchen, um die Realisierungsprobleme der Monopole durch Geldschöpfung zu meistern. Dies geschieht hauptsächlich durch Expansion oder Kontraktion der Masse der Zirkulationsmittel (Geldumlauf) und Ersatzkäufe des Staates für die sich kein »normaler« kapitalistischer Käufer findet.

Weiter oben wurde gezeigt, dass eine Warenmenge zu ihrer Zirkulation eine adäquate Masse Zirkulationsmittel erfordert. Wird diese Menge künstlich durch die Zentralbank verringert, so gerät die Zirkulation ins Stocken. Wird sie erhöht, so kann sie besonders leicht funktionieren.

Dass es in den letzten Jahrzehnten in den führenden kapitalistischen Staaten gelungen ist, schwere Wirtschaftskrisen zu vermeiden, ist unbestreitbar. Der Keynesianismus wurde zur Wunderwaffe der bürgerlichen Ökonomie. Über die Erfolge der Krisensteuerung redet jeder; dass mit der Krisenverhinderung auch ihre »positiven« Folgen unterdrückt werden, bleibt unerwähnt. Funktion der Krise ist es, einen aus dem Gleichgewicht geratenen Kapitalismus wieder ins Gleichgewicht zu bringen – durch Vernichtung gesellschaftlich nicht notwendiger Produktionen, durch Reduzierung des Preises der Ware Arbeitskraft usw.

Um im Gleichgewicht zu sein, müssen im Kapitalismus etliche Bedingungen erfüllt sein. Die Proportionen zwischen den Abteilungen I (Produktionsmittelindustrie) und II (Konsumgüterindustrie) müssen stimmen, vor allem aber müssen Profitrate und Mehrwertmasse hoch genug sein, um die Verwertung der angehäuften Kapitale zu garantieren. Im Verlauf seiner Akkumulation erreicht das Kapital jedoch stets einen Punkt, ab dem diese Bedingungen nicht mehr gegeben sind. Die Akkumulation kommt ins Stocken, der eigentliche Zweck der kapitalistischen Produktionsweise – die Jagd nach dem Mehrwert – erweist sich als zunehmend schwieriger.
»Überproduktion von Kapital heisst nie etwas anderes als Überproduktion von Produktionsmitteln – Arbeits- und Lebensmitteln, die als Kapital fungieren können, das heisst zur Ausbeutung der Arbeit zu einem gegebenen Exploitationsgrad angewandt werden können; indem das Fallen dieses Exploitationsgrades unter einen gegebenen Punkt Störungen und Stockungen des kapitalistischen Produktionsprozesses, Krisen, Zerstörungen von Kapital hervorruft.« (»Kapital«, Bd. III, MEW Bd. 25, S. 266)
Und Überproduktion von Kapital ist nichts anderes als Überakkumulation. Die ungenügende Verwertung infolge dieser Überakkumulation besagt, dass das Kapital rascher wächst als der aus einer gegebenen Bevölkerung auspressbare Mehrwert, dass die Verwertungsbasis, und damit die Mehrwertmasse im Verhältnis zum angehäuften Kapital zu klein geworden ist. Wir haben also in der Krise unbeschäftigtes, profitloses Kapital einerseits und eine stets anwachsende Reservearmee andererseits nicht – wie oft behauptet – deshalb, weil zu viel an Mehrwert produziert wurde, sondern weil im Verhältnis zu der akkumulierten Kapitalmasse zu wenig an Mehrwert vorhanden ist. Die Arbeiter werden freigesetzt, nicht, weil sie durch die Maschinen verdrängt werden, sondern weil bei einer gewissen Höhe der Kapitalakkumulation der Profit zu klein wird, es sich daher nicht lohnt und der Profit dafür auch nicht ausreicht, die erforderlichen Maschinen usw. anzuschaffen. Nicht am mangelnden subjektiven Willen der Kapitalisten geht die Akkumulation zu Ende oder gerät ins Stocken, sondern an der objektiven Unmöglichkeit: Der Mehrwert reicht quantitativ nicht aus, um die Akkumulation im erforderlichen Umfang fortzusetzen.

Dieses wesentliche Moment der kapitalistischen Akkumulation muss gerade deshalb so hervorgehoben werden, weil allzu häufig die kapitalistische Entwicklung zur Krise allein an der Anarchie des Marktes, eben der Konkurrenz, festgemacht wird, der man durch vermehrte »Planung« und »Investitionslenkung« entgegensteuern könnte. Die Krisen- und letztlich auch Zusammenbruchtendenz des Kapitalismus entsteht aber eben nicht aus der Anarchie der Produktion, aus der Konkurrenz, sondern ist Ergebnis der Überakkumulation des Kapitals, wobei die sich stets verschärfende Konkurrenz die Folge der Überakkumulation ist.

Dieser »natürliche« Prozess der kapitalistischen Akkumulation zur Überakkumulation zerstört also jedes Gleichgewicht und der Kapitalismus würde sehr schnell zusammenbrechen, wenn nicht gegenläufige Tendenzen die »Katastrophe« verhindern würden. Und es ist gerade die Krise, die mit ihrer Entwertung von Kapitalien – also einem gesellschaftlichen Umverteilungsprozess – das Gleichgewicht vorübergehend wiederherstellt. Nach diesem Desaster von Kapitalvernichtung und verschärfter Ausbeutung ist dann die Mehrwertmasse im Verhältnis zum angehäuften Kapital wieder gross genug, um eine Verwertung zu sichern.

Im Gleichgewicht ist also stets die Tendenz zum Ungleichgewicht und im Ungleichgewicht bereits die Tendenz zum Gleichgewicht angelegt. Das heisst aber keineswegs, dass der Kapitalismus so bis in alle Zeiten weitermachen kann, wie die »frohe Botschaft« der Bourgeoisie immer verkündet. Im Gegenteil: Mit fortschreitender Entwicklung des Kapitals, also mit zunehmender Akkumulation und Grösse des bereits vorhandenen Kapitals verschärfen sich immer mehr die Krisensymptome. Dies wurde durch die gewaltige Zerstörung von Kapital im 2. Weltkrieg und die sich daran anschliessende Phase vermeintlich unaufhaltsamer Wachstumssprünge scheinbar widerlegt. Nach der jüngsten Weltwirtschaftskrise sind allerdings auch die eifrigsten Verkünder eines krisenfreien Kapitalismus kuriert und nicht mehr in der Lage, diese eherne Tatsache des Kapitalismus als vergangen abzutun.

Krisensteuerung bedeutet nun, dass die Produktion aufrechterhalten wird, indem »normalerweise« unverkäufliche Waren trotzdem verkauft werden. Dies ist keine echte Krisenlösung, sondern besser eine Stabilisierung des Ungleichgewichts. Da nicht genügend Geld vorhanden ist, um alle Waren zu kaufen, muss der Kapitalist Geldersatz oder Zahlungsversprechen, die selbst wertlos sind, akzeptieren. Oder die Zentralbank muss in Zusammenarbeit mit den Geschäftsbanken mehr Geld in die Zirkulation werfen. Das Prinzip der Geldschöpfung wurde oben erklärt. Den verschiedenen Techniken ist gemeinsam, dass Wertzeichen ohne Gegenwert entstehen. Die Folge ist die Inflation.

Dies darf nicht zu dem falschen Schluss führen, dass schon die Erhöhung der Masse der Zirkulationsmittel allein inflationäre Tendenzen auslöst. Solange zusätzliche Zirkulationsmittel durch Gegenwert gedeckt sind, kann nicht von inflationären Folgen die Rede sein. Marx macht mehrfach deutlich, dass zur Zirkulation einer bestimmten Warenmenge eine adäquate Geldmenge erforderlich ist. Ausdrücklich aber warnt er vor dem beliebten Umkehrschluss, dass die Preise der Waren durch die Masse des Geldmaterials bestimmt sind.

Dazu Marx: »Die für den Zirkulationsprozess der Warenwelt erheischte Masse von Zirkulationsmitteln (ist) bereits durch die Preissumme der Waren bestimmt.« (»Kapital«, Bd. I, MEW Bd. 23, S. 131)
Und weiter:
»Ob der Preiswechsel der Waren wirkliche Wertwechsel widerspiegelt oder blosse Schwankungen der Marktpreise, die Wirkung auf die Masse der Zirkulationsmittel bleibt dieselbe.« (»Kapital«, Bd. I, MEW Bd. 23, S. 132)

Umgekehrt ist aber die Kontraktion der Zirkulationsmittel keineswegs Voraussetzung für Preissenkungen, wie häufig behauptet wird. Dazu wieder Marx:
»Die Illusion, dass umgekehrt die Warenpreise durch die Masse der Zirkulationsmittel und letztre ihrerseits durch die Masse des in einem Lande befindlichen Geldmaterials bestimmt werden, wurzelt bei ihren ursprünglichen Vertretern in der abgeschmackten Hypothese, dass Waren ohne Preis und Geld ohne Wert in den Zirkulationsprozess eingehn, wo sich dann ein aliquoter Teil des Warenbreis mit einem aliquoten Teil des Metallbergs austausche.« (»Kapital«, Bd. I, MEW Bd. 23, S. 137)

Und über Vanderlint spottet Marx:
»Vanderlint, der die Warenpreise durch die Masse des in einem Land befindlichen Goldes und Silbers bestimmt wähnt, fragt sich, warum die indischen Waren so wohlfeil? Antwort: Weil die Inder das Geld vergraben.« (»Kapital«, Bd. I, MEW Bd. 23, S. 144f)

Die Namen wechseln, aber heute behauptet die Bourgeoisie nichts anderes. Im Kampf gegen die Keynesianer mit ihrer Betonung auf Staatsintervention zwecks Krisenmanagement pochen die Monetaristen hartnäckig auf ihre simplen Rezepte der Kontrolle der Geldmenge. Für sie bringt alle Staatsintervention nur Unruhe in die sonst automatisch zum Gleichgewicht tendierende Wirtschaft. Halte man die Zirkulationsmenge nur genügend gross zum Warenumfang, so ergebe sich alles Übrige praktisch wie von selbst.

Das Inflationsargument »Monopolmacht«

Monopolmacht bedeutet, dass es einem Einzelkapital gelingt, seine Waren zu Preisen über ihren Werten – genauer: über ihrem Produktionspreis – zu verkaufen. Die Folge ist, dass es einen Extraprofit realisiert, denn beim Produktionspreis realisieren alle Kapitalien den Durchschnittsprofit. Dieser Extraprofit kann nur ein angeeigneter sein, d. h. er muss zu Lasten eines anderen Kapitals gehen. Es findet so eine Umverteilung der Mehrwertmasse zwischen den Kapitalien statt. Nach wie vor gilt aber, dass Preis- und Wertsumme einer Produktionsperiode identisch sind. Produzieren nun die Monopole eine grosse Warenmenge und stellen die Inflationsstatistiker für diesen Sektor Preissteigerungen fest, so kann man allenfalls von Teuerung, nicht aber von Inflation sprechen, denn der Wert der Geldware bleibt unberührt. Hier zeigt sich wieder, wie wichtig die Unterscheidung von Preissteigerung/Teuerung und Inflation ist. Dass diese Erkenntnis mit dem bürgerlichen Inflationsbegriff nicht möglich ist, ist schon oben ausgeführt worden.

Solange es dem Monopol also gelingt, sich einen Extraprofit von einem anderen Kapital anzueignen, kann dies keine inflationären Folgen haben. Dies gelingt ihm um so leichter, je geringer der Monopolisierungsgrad einer Gesellschaft ist.

Anders stellt sich das Problem zu einem Zeitpunkt, an dem der Monopolisierungsprozess soweit fortgeschritten ist, dass das Monopol zum bestimmenden gesellschaftlichen Moment wird. Ist die Masse des Mehrwerts, den man sich von einem anderen Kapital aneignen kann, erschöpft, so bedeutet eine Preiserhöhung, die dennoch stattfindet, dass zuviel Waren mit einem zu hohen Preis auf den Markt kommen, als dort verkauft werden können. Dies führt unweigerlich zur Krise, und die Krise sorgt dafür, dass die Preise den Werten wieder angepasst und das kapitalistische Gleichgewicht wiederhergestellt wird.

Verhindert der Staat nun die Krise durch eine Inflationspolitik, so besteht prinzipiell die Möglichkeit, dass die Warenmenge zu einer Preissumme verkauft wird, die über ihrer Wertsumme liegt.

In diesem Sinne kann Monopolmacht, bei hohem Monopolisierungsgrad der Gesellschaft, in Kombination mit der Krisenverhinderungspolitik des Staates inflationäre Folgen haben. Der Monopolpreis bewirkt zunächst begrifflich eine Preissteigerung/Teuerung, die erst durch die Krisenverhinderungspolitik des Staates in Inflation umschlägt. Jede Ware kann mit einem Preis versehen werden, der über ihrem Wert (Produktionspreis) liegt. Im Kapitalismus der freien Konkurrenz sorgt die Konkurrenz dafür, dass dieses nicht oder nur als Ausnahme geschehen kann. Im Monopolkapitalismus ist es möglich, dass die gesamte Warensumme einer Produktionsperiode mit Preisen versehen werden, die über der Wertsumme liegen. Preis- und Wertsumme sind jetzt nicht mehr identisch. Ein Teil der Waren ist nur noch dann absetzbar, wenn sie gegen noch nicht produzierten Wert getauscht werden, in anderen Worten, nicht gegen Geld, sondern gegen Zahlungsversprechen. Monopolprofite bedeuten nicht nur einen angeeigneten Mehrwert auf Kosten der übrigen Kapitalien, sondern sie bedeuten gleichzeitig einen permanenten Druck, die Preissumme aller Waren über die Wertsumme zu erhöhen. Die Waren können dann nur noch gegen Zahlungsversprechen, vermittelt durch die Kreditgeldschöpfung, verkauft werden. Die positive Folge davon ist, dass die Mehrwertproduktion nicht ins Stocken gerät. Die negative Folge davon ist, dass sich das Problem von Jahr zu Jahr verschärft: da ein immer grösserer Teil des Einkommens der neuen Produktionsperiode zur Bezahlung der Schulden aus der alten Periode verwandt werden muss, bleibt ein immer kleiner werdender Teil der Einkommen zum Kauf der Waren dieser neuen Periode übrig. Mit anderen Worten: soll der Absatz nicht stocken, so muss erneut, und zwar in grösserem Umfang, die Kreditgeldschöpfung in Bewegung gesetzt werden. Dies ist eben der Kern jeder positiven staatlichen Kulturpolitik, die, um Krisen zu verhindern, versuchen muss, dass sonst unverkäufliche Waren gegen einen noch nicht erzeugten Wert getauscht werden. Hier liegt zugleich die Ursache für die permanente Aufblähung des Geldumlaufs bzw. die permanente Inflation.

Dieser Prozess bedeutet für die Monopole, dass sie trotz überdurchschnittlicher Profitraten unter chronischem Bargeldmangel leiden, der tendenziell zunimmt, und zwar um so mehr, je grösser die Monopole sind. Und dies ist nichts anderes, als der konkrete Ausdruck für die früher ausgeführte fundamentale Tatsache der kapitalistischen Akkumulation, dass es nämlich immer schwieriger, wenn nicht sogar unmöglicher wird, die nötige Mehrwertmasse zu erwirtschaften, um das schon riesig angehäufte Kapital zu verwerten.

Es muss hier jedoch vor der falschen Schlussfolgerung gewarnt werden, dass Monopolisierung notwendig und immer zu Preiserhöhungen und Inflation führt. Preiszusammenbrüche sind nicht nur theoretisch möglich, sondern werden auch tatsächlich eintreten in einer noch vor uns liegenden Phase. Die von einem der schärfsten Kritiker des keynesianischen Krisenmanagements – F. A. Hayek – seit 40 Jahren hartnäckig vertretene These, der Keynesianismus werde über die Inflation auf die Dauer eine schwere Wirtschaftskrise verursachen, zeigt, dass hellsichtige Vertreter der Bourgeoisie durchaus begreifen, wohin dieser vermeintliche Sieg über die kapitalistische Krise führen wird – nämlich in die wirtschaftliche Katastrophe.

Eine nur aus Monopolen bestehende Gesellschaft ist eine theoretische wie praktische Unmöglichkeit. Der Monopolisierungsprozess hat objektive Grenzen:

1. Da der Monopolprofit ein angeeigneter Extraprofit vom Nicht-Monopol-Sektor ist, liegt die objektive Grenze der Summe der Monopolprofite in der Summe der Mehrwertmasse. In der kapitalistischen Wirklichkeit liegt die Grenze jedoch niedriger. Das nichtmonopolistische Einzelkapital wird schon dann die Produktion einstellen, wenn die erzielte Profitrate nicht mehr über den Durchschnittszins hinauskommt. Die Monopole müssen aber am Erhalt der Nicht-Monopole interessiert sein, da es sonst keinen anzueignenden Mehrwert mehr gibt. Daraus erklärt sich unter anderem auch das relativ hartnäckige Fortbestehen einer mittelständischen Zulieferindustrie, sowie die allerdings eher hilflosen Versuche des Staates, den weiteren Monopolisierungsprozess zu kontrollieren.

2. Schon oben war gezeigt worden, dass die Monopolisierungsgrenze unterlaufen werden kann, indem der Staat durch Inflationspolitik den Absatz der Waren zu Monopolpreisen sichert. Aber auch dies hat seine objektive Grenze. Die Inflationsrate kann nicht unbegrenzt erhöht werden, ohne die kapitalistische Zirkulation zu gefährden. Zu welchen Hortungserscheinungen zu hohe Inflationsraten führen, kann gerade seit der letzten Weltwirtschaftskrise häufig beobachtet werden. Hier liegt der Grund, warum auch das Kapital ein Interesse hat, dass die Inflationsrate »normal« bleibt. Hinzu kommt auch, dass die Monopole immer grössere Summen von ausstehenden Forderungen haben, an deren Entwertung sie kein Interesse haben können.

Die Inflationspolitik des kapitalistischen Staates hebt also die objektiven Grenzen des Monopols keineswegs auf, sondern verschiebt sie nur.

Aus 1. und 2. ergibt sich, dass nicht alle Monopole permanent alle Monopolprofite wieder zum Monopolprofit verwerten können. Dies ist eine theoretische Unmöglichkeit.

Sobald das Monopol an seine objektiven Grenzen stösst, bleibt nur noch eine Quelle für einen Extramehrwert übrig: die Profitmasse der anderen Monopole. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann man nur in den USA davon sprechen, dass die Monopole auf ihre internen Grenzen stossen. Ohne Zweifel weisen die übrigen entwickelten kapitalistischen Staaten einen niedrigeren Monopolisierungsprozess auf. Ist der Monopolisierungsprozess seit dem 2. Weltkrieg auf dem Weltmarkt erst einmal weltweit abgeschlossen, so können Monopole nur noch auf Kosten anderer Monopole einen Extramehrwert erzielen. Zu diesem Zeitpunkt muss ein unerbittlicher Konkurrenzkampf zwischen den Monopolen und entsprechend auch zwischen den Staaten mit Preiszusammenbrüchen, Krisen und entsprechenden Folgen losbrechen. Dies erklärt, warum eine friedliche Zusammenarbeit zwischen den Multinationalen Konzernen, ein aktuelles »Generalkartell« bzw. ein »Ultraimperialismus«, auch heute unmöglich ist.

Für das Proletariat hat diese Tendenz einer sich verschärfenden internationalen Konkurrenz einschneidende Konsequenzen. Je mehr sich das Produktivitätsniveau zwischen den entwickelten kapitalistischen Staaten ausgleicht, um so grösser wird die Bedeutung der Löhne zur Erzielung absoluter Vorteile auf dem Weltmarkt. In Zukunft wird deshalb die Lohnentwicklung bei den Hauptkonkurrenten einen immer wichtigeren Platz einnehmen. Je geringer andererseits die Möglichkeiten werden, durch unterschiedliche Lohn- und Produktivitätsentwicklungen absolute Vorteile auf dem Weltmarkt zu erzielen, um so mehr Druck wird auf die Steigerung der Intensität der Arbeit ausgeübt werden. Und das ist schon nicht mehr Zukunftsmusik, sondern rauhe Wirklichkeit.

Permanente Inflation als gesteuerte Ersatzkrise

Inflation ist begriffliche Reduzierung des Werts der Papierwährung. Ihre Ursache liegt in den Akkumulationsgesetzen der kapitalistischen Produktionweise. Ihr Auslöser ist die Krisenverhinderungspolitik des Staates. Inflation heisst unter diesen Bedingungen nicht nur Entwertung des Geldes, sondern mit der Inflation geht ein Umverteilungs- und Entwertungsprozess Hand in Hand, der »normalerweise« – d. h. ohne Antikrisenpolitik des Staates – nur in der Krise auftritt. Die Inflation hat also teilweise gleiche Funktionen wie die Krise, nur mit dem Vorteil, dass sie steuerbar bzw. leichter zu steuern ist als die klassische Überakkumulationskrise. Grosse Depressionen, militante Klassenkämpfe, die bis zum Sturz der kapitalistischen Produktionsweise führen können, werden so vordergründig vermieden.

Die Inflation führt zu einem Umverteilungs- und Entwertungsprozess, bei dem die Warenbesitzer – d. h. die Besitzer von »Sachwerten« – prinzipiell im Vorteil sind, da sie ihre Warenwerte in höheren Geldpreisen ausdrücken können. Für die USA ist es möglich, datenmässig nachzuweisen, dass dies den Monopolen eher gelingt als den Nicht-Monopolen. Schwache, nicht akkumulationsfähige Kapitalien werden tendenziell aus dem Markt geworfen wie in der »normalen« Krise. Allerdings wird der Zusammenbruch des Produktionsprozesses bislang verhindert.

Die Besitzer der Ware Arbeitskraft können ungleich schwieriger den Wert ihrer Ware in höheren Preisen ausdrücken, denn dazu müssen erst Lohnerhöhungen erkämpft werden. Die Inflation hat auch hier die gleiche Funktion wie die Krise: den Preis der Ware Arbeitskraft zu drücken.

Aber die grossen Kapitalien sind nicht nur Inflationsgewinnler wie es häufig scheint. Die Krisenverhinderungspolitik erfordert es, dass die Monopole immer mehr Waren nicht gegen Geld, sondern gegen Zahlungsversprechen verkaufen müssen. Dies bedeutet eine wachsende private Verschuldung in allen entwickelten kapitalistischen Staaten. Werden diese Aussenstände jeweils in entwerteter Währung bezahlt, so ist klar, dass auch die Monopole Wertverluste hinnehmen müssen.

Hinzu kommt die allgemeine Schwierigkeit, dass dem Geldzeichen rein äusserlich sein Wert nicht anzusehen ist. Erst wenn z. B. der Dollar von 1978 ein sichtbar anderes Zeichen wäre als der »konstante Dollar von 1958« – er wird zur Aufstellung inflationsberichtigter Statistiken verwendet –, wäre es für den Warenbesitzer ein leichtes, seine Waren mit einem neuen Preisausdruck zu versehen.

Ein weiterer positiver Aspekt der permanenten Inflation für das Kapital ist, dass die Produktion von mehr Wert angeregt wird.

Wie wir gesehen haben, wird Arbeit im Kapitalismus nicht unmittelbar gesellschaftlich verausgabt, sondern privat. Um als gesellschaftliche Arbeit anerkannt zu werden, um also in die Wertbildung einzugehen, muss sich die Ware auf dem Markt bewähren, d. h. gegen einen äquivalenten Wert getauscht werden. Findet die Ware keinen Gegenwert, so wird sie durch die Krise entwertet und geht nicht in die Wertbildung ein. Sie war gesellschaftlich eben nicht notwendig.

Durch die Krisenverhinderungspolitik des Staates, durch Geldschöpfung, durch Kredit wird es nun möglich, diese Ware zu zirkulieren, obwohl noch immer kein Gegenwert vorhanden ist. Die Ware wird getauscht gegen ein Zahlungsversprechen. Es geht jetzt mehr Wert in die Wertbildung ein, als es ohne die Inflationspolitik des Staates der Fall gewesen wäre.

Dies ist die Basis für den Versuch bürgerlicher Ökonomen nach den Anzeichen zunehmender Realisierungsschwierigkeiten seit den 60er Jahren, durch »leichte« Inflation ein stetes Wirtschaftswachstum zu erreichen. Dies ist langfristig jedoch unmöglich, da Zahlungsversprechen später eingelöst werden müssen. Die Folge ist, dass in der nächsten Produktionsperiode die Mittel nicht zur Zirkulation der Waren zur Verfügung stehen, die zur Einlösung der Zahlungsversprechen aus der früheren Produktionsperiode benötigt werden. Folglich muss der Staat erneut an der Inflationsschraube drehen, wenn er verhindern will, dass die Produktion zusammenbricht.

Die Verknappung der »Liquidität« beim Bürger steht die Verringerung der Liquidität der Konzerne gegenüber. Dort wird das Verhältnis von flüssigen Mitteln zu laufenden Verpflichtungen tendenziell immer ungünstiger. Offensichtlich gelingt es den Monopolen immer weniger, ihre Waren gegen Bargeld loszuschlagen. Deshalb müssen sie wachsende Zahlungsversprechen »in Kauf nehmen«.

Diese Tatsachen machen ebenso deutlich, dass die Krisenverhinderungspolitik die Probleme nicht wirklich löst, sondern kumulativ aufschiebt. Eine »stabile« Inflationsrate ist ebenso unmöglich, wie die Verhinderung grösserer Konjunkturausschläge.

Keine Alternative zur permanenten Inflation

Bisher ist nur über das Problem der Krisenverhinderung gesprochen worden. Umgekehrt lässt sich natürlich auch eine »überschäumende Konjunktur« durch Verknappung der Zirkulationsmittel bremsen. Weiter oben ist erläutert worden, dass zur Zirkulation einer bestimmten Warenmenge eine adäquate Menge Geld notwendig ist. Wird diese Geldsumme künstlich verringert, so gerät die Zirkulation ins Stocken. Eine Zirkulation der gesamten Warenmasse ist nur noch möglich, wenn die Preissumme unter die Wertsumme fällt. Diese Methode der Konjunktursteuerung ist jedoch ein zweischneidiges Schwert. Einerseits lässt sich so eine Kontraktion der Preissumme erreichen, andererseits stellen die Kapitalisten tendenziell die Produktion ein, da niemand gerne Waren unter ihrem Wert verkauft. Dies ist die Basis für das vielfach in der bürgerlichen Presse verwandte Argument, dass zuviel »Bremsen« in eine Rezession umschlagen kann,

Auch diese Technik dient dazu, die Krise kontrollierbar zu halten. Unsinnig an dieser Politik ist aber generell, dass alle Kapitalien einer Branche davon betroffen sind. Nach der Logik der kapitalistischen Krise sollen davon aber besonders die schwachen, weil relativ unproduktiven Kapitalien in allen Branchen getroffen werden.

Es gehört nicht viel Weisheit dazu, um vorauszusagen, dass der Staat in Zukunft versuchen wird, die Konjunkturpolitik so zu strukturieren, dass die schwachen Kapitalien aller Branchen davon stärker getroffen werden als die Starken. Ein solcher Weg wird seit einiger Zeit in den USA z. B. so anvisiert: Kredit ist grundsätzlich reichlich vorhanden, jedoch zu »exotischen« Zinssätzen. Die Folge ist, dass nur die produktiven Kapitalien solche Zinssätze bezahlen können. Die weniger produktiven bleiben auf der Strecke.

Eine Konjunktursteuerung durch Kontraktion der Zirkulationsmittel ist zwar auch bei reiner Goldwährung möglich. Der Staat braucht nur an der Steuerschraube zu drehen. Umgekehrt kann er aber nicht beliebig Gold in die Zirkulation werfen, da seine Goldvorräte begrenzt sind. Sobald seine Vorräte erschöpft sind, sind auch seine Möglichkeiten der Krisenverhinderung zu Ende, Die Möglichkeit des »Keynesianismus«, also die permanente Papiergeldinflation, müssen ihm als Wunderwaffe erscheinen.

Die Einsicht, dass es Inflation begrifflich nur bei Papierwährung geben kann, hat nun einige Leute auf die fixe Idee gebracht, dass Problem Inflation durch Rückkehr zum reinen Goldstandard zu »lösen« Hier machte sich vor allem der französische Ökonom Jacques Ruëff einen Namen. Dieser Position liegt der Irrtum zu Grunde, dass sie die Erscheinungsform für die Ursache halten. Diese Ansicht gleicht jemandem, der versucht, Deichbrüche zu verhindern, indem er zum »reinen Küstenstandard« ohne Deiche zurückkehrt. Deichbrüche sind nun nicht mehr möglich, aber niemand wird ernsthaft behaupten wollen, dass damit auch die Probleme der Sturmflut gelöst seien. Eine Rückkehr zum reinen Goldstandard würde natürlich Inflationen verhindern. Als Preis für den stabilen Geldwert handelte man sich aber prompt schwere Krisen ein. Ein solches Plädoyer ist nur als selbstmörderisch zu bezeichnen. Wo stünde die französische Bourgeoisie heute, wenn der Staat nach dem Mai 1968 nicht an der Inflationsschraube hätte drehen können?

Die Mehrheit der bürgerlichen Ökonomen denkt hier anders. Die Inflation gilt auch hier als »unfein«, aber sie wird doch der Alternative Krise vorgezogen. Aus dem Dilemma permanente Inflation oder Krise gibt es im heutigen Monopolkapitalismus aber keinen Ausweg.

Andererseits ist klar, dass die vielfältigen Veränderungen, durch die sich dieser Monopolkapitalismus vom Kapitalismus zu Lebzeiten Marx’ unterscheidet, das Wertgesetz keineswegs ausser Kraft gesetzt hat. Vielmehr kann die heutige permanente Inflation nur auf seiner Grundlage verstanden werden. Dann wird auch klar, dass von einer permanenten Inflation frühestens seit dem 1. Weltkrieg, genauer seit der Überwindung der Weltwirtschaftskrise von 1929–32 gesprochen werden kann. Seit diesem Zeitpunkt setzen sich in der Tat Kreditschöpfung und Staatsintervention immer stärker durch, während man andererseits offen zu einem Geldsystem ohne Golddeckung, vielmehr mit staatlichem Zwangskurs übergeht.

Das Inflationsargument »Verteilungskampf zwischen Kapital und Arbeit«

Nachdem wir somit die grundsätzlichen Ursachen der heutigen Inflation herausgearbeitet haben, müssen wir uns zum Schluss noch mit der grossen Lüge des Kapitals beschäftigen.

Der Verteilungskampf zwischen Lohnarbeit und Kapital wird heute durchweg zum zentralen Inflationsargument. Marx hat sich schon in »Lohn, Preis und Profit« gegen diese Auffassung einer »Lohn-Preis-Spirale« gewandt. Lohnerhöhungen können allein zur Folge haben, dass das Wertprodukt eines Arbeitstages neu zwischen Kapital und Arbeit aufgeteilt wird.
»Eine allgemeine Lohnsteigerung würde daher auf eine Senkung der allgemeinen Profitrate hinauslaufen, ohne jedoch die Werte zu beeinflussen.« (»Lohn, Preis und Profit«, MEW Bd. 16, S. 140)

Arbeitslohn und Mehrwert stehen eben in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis. Aber: Da das Gesetz des tendenziellen Falles der Profitrate wirkt, kann sich die Profitrate verringern, obwohl der Arbeitslohn nicht steigt und folglich auch die Mehrwertrate nicht kleiner wird. Die Mehrwertrate hat umgekehrt die Tendenz, mit der Entwicklung des Kapitalismus, mit der Steigerung der Arbeitsproduktivität sich zu erhöhen. Demnach gilt: Die Profitrate fällt, nicht weil der Arbeiter weniger, sondern mehr ausgebeutet wird. Verteuern sich die Lebensmittel oder vermindert sich der Wert des Geldes, so steigt der Wert der Arbeitskraft, und der Arbeiter muss um die Steigerung seines Arbeitslohnes kämpfen. Sinkt der Wert der Arbeitskraft, so muss er der Herabsetzung des Arbeitslohnes widerstreben. Denn das wäre
»bloss ein Versuch, sich einen gewissen Anteil an der Vermehrung der Produktivkraft seiner eigenen Arbeit zu sichern und seine frühere relative Stellung auf der gesellschaftlichen Stufenleiter zu behaupten.« (ebd., S. 142)

Zum Wert der Ware Arbeitskraft sind noch einige knappe Bemerkungen notwendig. Es muss festgehalten werden, dass die Theorie vom Minimum des Arbeitslohnes eine rein bürgerliche Behandlungsweise des Problems darstellt, die bis zu den Physiokraten zurückreicht.
»Das Minimum des Salärs bildet […] die Achse der physiokratischen Lehre«, und auch sie nahmen schon irrigerweise an, »dass sie dies Minimum als eine unveränderliche Grösse auffassten, die bei ihnen ganz von der Natur bestimmt ist, nicht von der historischen Entwicklungsstufe, die selbst eine Bewegungen unterworfene Grösse ist«. (»Theorien über den Mehrwert« Bd. I, MEW Bd. 26-1, S. 13)[1]

Der Wert der Ware Arbeitskraft bestimmt sich aus dem Arbeitsquantum, das nötig ist, die Lebensmittel zu produzieren, die der Arbeiter zum Unterhalt und zur Reproduktion der Arbeitskraft braucht. Aber:
»Allein es gibt gewisse eigentümliche Merkmale, die den Wert der Arbeitskraft […] vor dem Wert aller anderen Waren auszeichnen. Der Wert der Arbeitskraft wird aus zwei Elementen gebildet – einem rein physischen und einem historischen oder gesellschaftlichen.« (»Lohn, Preis und Profit«, MEW Bd. 16, S. 147)[2]
Der Wert der notwendigen Lebensmittel bildet nur die unterste Grenze des Werts der Arbeitskraft. Ausserdem wird der Wert der Arbeitskraft durch den »traditionellen Lebensstandard« (ebd., S. 148) bestimmt, der sich im betreffenden Land herausgebildet hat.

Worin besteht das Maximum des Werts der Arbeitskraft? Es kann ebensowenig bestimmt werden wie das Minimum der Mehrwertrate. Der Kapitalist strebt stets nach einem Maximum an Profit, d. h., er ist bemüht, den Arbeitslohn auf das physische Minimum zu reduzieren und den Arbeitstag zum physischen Maximum auszudehnen. Die Fixierung der faktischen Höhe des Arbeitslohnes und der faktischen Länge des Arbeitstages
»erfolgt nur durch das unaufhörliche Ringen zwischen Kapital und Arbeit.. Die Frage löst sich auf in der Frage nach dem Kräfteverhältnis der Kämpfenden.« (ebd., S. 149)

Der Kampf der Arbeiterklasse für höheren Arbeitslohn und kürzeren Arbeitstag ist also durch die direkte ökonomische Notwendigkeit diktiert, die sich unmittelbar aus der allgemeinen Tendenz des Kapitals ergibt, den Arbeitslohn permanent relativ herabzudrücken. In dieser Richtung wirkt das Gesetz der kapitalistischen Akkumulation.

Allerdings: Marx betrachtete den tagtäglichen Kampf der Arbeiterklasse um die Verbesserung ihrer ökonomischen Lage als eine wichtige, aber nicht als die Hauptrichtung des Kampfes gegen den Kapitalismus. Denn er betont, dass die Arbeiterklasse hier nur
»gegen Wirkungen kämpft, nicht aber gegen die Ursachen dieser Wirkungen… Sie sollte begreifen, dass das gegenwärtige System bei all dem Elend, das es über sie verhängt, zugleich schwanger geht mit den materiellen Bedingungen und den gesellschaftlichen Formen, die für eine ökonomische Umgestaltung der Gesellschaft notwendig sind.« (ebd., S. 152)

Das ist die wissenschaftliche Begründung dafür, warum die konservative Losung »Ein gerechter Tagelohn für ein gerechtes Tagewerk!« durch die revolutionäre Losung »Nieder mit dem Lohnsystem!« ersetzt werden muss.[3]

Resümee: Der Antagonismus zwischen Bourgeoisie und Lohnarbeiter ist durch den Grundwiderspruch des Kapitalismus verursacht. Es ist eine Tatsache,
»dass im Masse wie Kapital akkumuliert, die Lage des Arbeiters, welches immer seine Zahlung, hoch oder niedrig, sich verschlechtern muss.« (»Kapital«, Bd. I, MEW Bd. 23, S. 675) Zugleich entwickelt sich »mit der Akkumulation des Kapitals der Klassenkampf und daher das Selbstgefühl der Arbeiter.« (ebd., S. 683)

Zwischen Kapital und Arbeit besteht also ein Verhältnis gleicher, wenn auch antagonistischer Rechte, weswegen allein die Gewalt entscheidet, wer sich durchsetzt, Man kann allerdings seine Rechtsposition zeitweise die dominierende werden lassen, wenn man den Gegner ausser Gefecht setzt. Nach der verheerendsten Niederlage des internationalen Proletariats ist es dem Kapital gelungen, die Kampfmöglichkeit der Arbeiterklasse weitgehendst auszuschalten. Zum ewigen Bestand dieses Klassenkampfes von oben gehört unter anderem das ständig wiederholte Märchen der Lohn-Preis-Spirale. Es soll zu nichts anderem dienen, als die Arbeiter zu einem »freiwilligen« Lohnabbau zu animieren bzw. sich mit diesem abzufinden.

Erhöht der Kapitalist seine Preise über den Wert der Waren, genauer über ihren Produktionspreis, so muss er sich diesen Wertteil entweder von einem anderen Kapital aneignen, oder seine Ware wird tendenziell unverkäuflich. Für die Preissumme einer Produktionsperiode gilt, dass sie mit der Wertsumme identisch ist. Werden die Preise erhöht, so ist kein entsprechender Gegenwert in der gleichen Periode produziert worden, um sie zu tausche. Die Waren bleiben unverkäuflich, und es kommt zur Krise. Die Waren werden entwertet und das kapitalistische Gleichgewicht wiederhergestellt.

Verhindert der Staat nun die Krise durch eine Inflationspolitik, so ist prinzipiell die Möglichkeit gegeben, dass die Warensumme zu Preisen über ihren Werten verkauft werden. Die Ursache dafür ist aber nicht der Lohnkampf der Arbeiter, sondern die Krisenverhinderungspolitik des Staates, welche in Wirklichkeit die Krise, die schliesslich noch gewaltiger ausbrechen wird, nur hinausschiebt.

Notes:
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  1. Anmerkung (sinistra.net): Das hier etwas zerpflückte Zitat in seiner Gänze darzustellen, kann sicherlich zum besseren Verständnis beitragen:
    »Grundlage für die Entwicklung der kapitalistischen Produktion ist, wie wir sahen, überhaupt, dass das Arbeitsvermögen als die den Arbeitern angehörige Ware den Arbeitsbedingungen als im Kapital an sich festhaltenden und von ihnen unabhängig existierenden Waren gegenübertritt. Als Ware ist die Bestimmung des Werts des Arbeitsvermögens wesentlich. Dieser Wert ist gleich der Arbeitszeit, die erheischt ist, um die zur Reproduktion des Arbeitsvermögens notwendigen Lebensmittel zu erzeugen, oder gleich dem Preis der zur Existenz des Arbeiters als Arbeiter not- wendigen Lebensmittel. Nur auf dieser Grundlage tritt Differenz zwischen dem Wert und der Verwertung des Arbeitsvermögens ein, eine Differenz, die bei keiner andren Ware existiert, da der Gebrauchswert, also auch der Gebrauch keiner andren Ware, ihren Tauschwert oder die aus ihr resultierenden Tauschwerte erhöhen kann. Grundlage also für die moderne Ökonomie, deren Geschäft die Analyse der kapitalistischen Produktion ist, den Wert des Arbeitsvermögens als etwas Fixes, als gegebne Grösse – was er auch praktisch in jedem bestimmten Fall ist – aufzufassen. Das Minimum des Salairs bildet daher richtig die Achse der physiokratischen Lehre. Diese Festsetzung war ihnen möglich, obgleich sie die Natur des Werts selbst noch nicht erkannt hatten, weil dieser Wert des Arbeitsvermögens sich in dem Preis der notwendigen Lebensmittel, daher in einer Summe bestimmter Gebrauchswerte darstellt. Ohne über die Natur des Werts überhaupt klar zu sein, konnten sie daher den Wert des Arbeitsvermögens, soweit es zu ihren Untersuchungen nötig war, als eine bestimmte Grösse auffassen. Wenn sie ferner darin fehlten, dass sie dies Minimum als eine unveränderliche Grösse auffassten, die bei ihnen ganz von der Natur bestimmt ist, nicht von der historischen Entwicklungsstufe, [die] selbst eine Bewegungen unterworfne Grösse ist, so ändert dies an der abstrakten Richtigkeit ihrer Schlüsse nichts, da die Differenz zwischen dem Wert und der Verwertung des Arbeitsvermögens durchaus nicht davon abhängt, ob man den Wert gross oder klein annimmt.
    Die Physiokraten haben die Untersuchung über den Ursprung des Mehrwerts aus der Sphäre der Zirkulation in die Sphäre der unmittelbaren Produktion selbst verlegt und damit die Grundlage zur Analyse der kapitalistischen Produktion gelegt.
    Ganz richtig stellen sie den Fundamentalsatz auf, dass nur die Arbeit produktiv ist, die einen Mehrwert schafft, in deren Produkt also ein höherer Wert enthalten ist, als die Summe der Werte beträgt, die während der Produktion dieses Produkts aufgezehrt wurden. Da nun der Wert von Rohstoff und Material gegeben ist, der Wert des Arbeitsvermögens aber gleich dem Minimum des Salairs, so kann dieser Mehrwert offenbar nur bestehn in dem Überschuss der Arbeit, die der Arbeiter dem Kapitalisten zurückgibt über das Quantum Arbeit hinaus, das er in seinem Salair empfängt. In dieser Form erscheint er allerdings nicht bei den Physiokraten, weil sie den Wert überhaupt noch nicht auf seine einfache Substanz, Arbeitsquantität oder Arbeitszeit, reduziert haben.
    Ihre Darstellungsweise ist natürlich notwendig bestimmt durch ihre allgemeine Auffassung von der Natur des Werts, der bei ihnen nicht eine bestimmte gesellschaftliche Daseinsweise der menschlichen Tätigkeit (Arbeit) ist, sondern aus Stoff besteht, aus Erde, Natur und den verschiedenen Modifikationen dieses Stoffs.« (»Theorien über den Mehrwert« Bd. I, MEW Bd. 26-1, S. 13f)
    [⤒]

  2. Anmerkung (sinistra.net): Hier schreibt Marx weiter:
    »Seine äusserste Grenze ist durch das physische Element bestimmt, d.h. um sich zu erhalten und zu reproduzieren, um ihre physische Existenz auf die Dauer sicherzustellen, muss die Arbeiterklasse die zum Leben und zur Fortpflanzung absolut unentbehrlichen Lebensmittel erhalten. Der Wert dieser unentbehrlichen Lebensmittel bildet daher die äusserste Grenze des Werts der Arbeit. Andrerseits ist die Länge des Arbeitstags ebenfalls durch äusserste, obgleich sehr elastische Schranken begrenzt. Ihre äusserste Grenze ist gegeben mit der Körperkraft des Arbeiters. Wenn die tägliche Erschöpfung seiner Lebenskraft einen bestimmten Grad überschreitet, kann sie nicht immer wieder aufs neue, tagaus, tagein, angespannt werden. Indes ist, wie gesagt, diese Grenze sehr elastisch. Eine rasche Folge schwächlicher und kurzlebiger Generationen wird den Arbeitsmarkt ebensogut mit Zufuhr versorgen wie eine Reihe robuster und langlebiger Generationen.« (»Lohn, Preis und Profit«, MEW Bd. 16, S. 147f)[⤒]

  3. Anmerkung (sinistra.net): Zu diesem Thema siehe auch den Artikel »Gibt es den gerechten Lohn?«.[⤒]


Source: »Kommunistisches Programm«, (Theoretische Zeitschrift der Internationalen Kommunistischen Partei – IKP), Nr.24, Januar 1980, S.45–54.

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