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KARL MARX: DAS KAPITAL – KURZFASSUNG VON OTTO RÜHLE (VII)


Content:

Inhaltsverzeichnis
I. Ware und Geld
II. Die Verwandlung von Geld in Kapital
III. Die Produktion des absoluten Mehrwertes
IV. Die Produktion des relativen Mehrwertes
V. Die Produktion des absoluten und des relativen Mehrwertes
VI. Der Arbeitslohn

21. Einfache Reproduktion

22. Verwandlung von Mehrwert in Kapital

a) Kapitalistischer Produktionsprozess auf erweiterter Stufenleiter
b) Teilung des Mehrwertes in Kapital und Revenue
c) Umstände, die den Umfang der Akkumulation bestimmen

23. Das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation

a) Wachsende Nachfrage nach Arbeitskraft mit der Akkumulation bei gleichbleibender Zusammensetzung des Kapitals
b) Relative Abnahme des variablen Kapitalteils im Fortgang der Akkumulation und der sie begleitenden Konzentration
c) Progressive Produktion einer relativen Überbevölkerung oder industriellen Reservearmee
d) Verschiedene Existenzformen der relativen Überbevölkerung und das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation

24. Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation

a) Das Geheimnis der ursprünglichen Akkumulation
b) Expropriation des Landvolks von Grund und Boden
c) Blutgesetzgebung gegen die Expropriierten. Gesetze zur Herabdrückung des Arbeitslohns
d) Genesis der kapitalistischen Pächter. Rückwirkung der landwirtschaftlichen Umwälzung auf die Industrie
e) Genesis des industriellen Kapitalisten
f) Geschichtliche Tendenz der kapitalistischen Akkumulation

Fremdwörtererklärung und Anhang
Source


Der Produktionsprozess des Kapitals

VII. Der Akkumulationsprozess des Kapitals

Die Verwandlung einer Geldsumme in Produktionsmittel und Arbeitskraft ist die erste Bewegung, die das Wertquantum durchmacht, das als Kapital fungieren soll. Diese Verwandlung findet auf dem Markt, innerhalb der Zirkulationssphäre, statt. Die zweite Bewegung, der Produktionsprozess, ist abgeschlossen sobald die Produktionsmittel verwandelt sind in Waren, deren Wert den Wert ihrer Bestandteile übersteigt, also den Wert des ursprünglich vorgeschossenen Kapitals, vermehrt plus eines Mehrwerts enthält. Diese Waren müssen alsdann in die Sphäre der Zirkulation geworfen werden. Sie müssen verkauft werden, ihr Wert in Geld realisiert, dieses Geld von neuem in Kapital verwandelt werden und so stets von neuem. Diese Bewegung bildet die Zirkulation des Kapitals.

Die erste Bedingung der Akkumulation ist, dass der Kapitalist es fertig gebracht hat, seine Waren zu verkaufen und den grössten Teil des so erhaltenen Geldes in Kapital rückzuverwandeln.

Der Kapitalist, der den Mehrwert produziert, d. h. unbezahlte Arbeit unmittelbar aus den Arbeitern auspumpt und in Waren fixiert, ist zwar der erste Aneigner, aber keineswegs der letzte Eigentümer dieses Mehrwertes. Er hat ihn hinterher zu teilen mit Kapitalisten, die andere Funktionen haben. Der Mehrwert spaltet sich daher in verschiedene Teile. Seine Bruchstücke fallen verschiedenen Kategorien von Personen zu und erhalten verschiedene selbständige Formen wie Profit, Zins, Handelsgewinn, Grundrente usw. Wir betrachten hier zunächst den kapitalistischen Produzenten als Eigentümer des ganzen Mehrwertes, d. h. als Repräsentanten aller seiner Teilhaber an der Beute.

21. Einfache Reproduktion

So wenig eine Gesellschaft aufhören kann zu konsumieren, so wenig kann sie aufhören zu produzieren. Daher, in dem beständigen Fluss seiner Erneuerung betrachtet, ist jeder gesellschaftliche Produktionsprozess zugleich Reproduktionsprozess.

Die Bedingungen der Produktion sind zugleich die Bedingungen der Reproduktion. Hat die Produktion kapitalistische Form, so auch die Reproduktion. Wie in der kapitalistischen Produktionsweise der Arbeitsprozess nur als Mittel für den Ausdehnungsprozess des Kapitals erscheint, so die Reproduktion nur als Mittel, den vorgeschossenen Wert als Kapital zu reproduzieren. Die ökonomische Charaktermaske des Kapitalisten hängt nur dadurch an einem Menschen fest, dass sein Geld fortwährend als Kapital funktioniert.

Die einfache Reproduktion ist eine blosse Wiederholung des Produktionsprozesses auf derselben Stufenleiter.

Als periodischer Wertzuwachs des vorgeschossenen Kapitals oder als periodische Frucht des Kapitals im Arbeitsprozess erhält der Mehrwert die Form einer aus dem Kapital fliessenden Revenue. Wird diese Revenue ebenso periodisch verzehrt wie gewonnen, so findet einfache Reproduktion statt.

Der Wert des Kapitals, dividiert durch den jährlich konsumierten Mehrwert, gibt die Anzahl der Jahre oder Reproduktionsperioden, nach deren Verlauf das ursprünglich vorgeschossene Kapital durch den Kapitalisten konsumiert wurde und verschwunden ist. Nach Ablauf einer bestimmten Anzahl Jahre ist der Kapitalwert, den er jetzt besitzt, gleich der Summe des gesamten Mehrwertes, den er sich während dieser Jahre angeeignet hat, und der Gesamtwert, den er konsumierte, ist gleich dem seines ursprünglichen Kapitals. D. h. wenn der Kapitalist den Gegenwert seines vorgeschossenen Kapitals aufgezehrt hat, repräsentiert der Wert seines Kapitals nur noch den angeeigneten Mehrwert.

Die blosse Kontinuität des Produktionsprozesses oder die einfache Reproduktion verwandelt nach kürzerer oder längerer Zeit jedes Kapital notwendig in akkumuliertes Kapital oder kapitalisierten Mehrwert. Selbst wenn dieses Kapital ursprünglich persönlich erarbeitetes Eigentum seines Anwenders war, so wird es früher oder später ohne Äquivalent angeeigneter Wert oder Verkörperung, ob in Geldform oder anders, unbezahlter fremder Arbeit.

Um Geld in Kapital zu verwandeln, mussten hier Besitzer von Produktionsmitteln, dort Besitzer von nichts als Arbeitskraft; einander als Käufer und Verkäufer gegenübertreten. Was aber anfangs nur Ausgangspunkt war, wird später, dank der blossen Kontinuität des Prozesses, dank der einfachen Reproduktion stets aufs neue produziert und verewigt. Einerseits verwandelt der Produktionsprozess fortwährend stofflichen Reichtum in Kapital, in Mittel, mehr Reichtum zu erzeugen, und in Genussmittel für den Kapitalisten. Andererseits kommt der Arbeiter beständig aus dem Prozess heraus, wie er in ihn eintrat, als Quelle des Reichtums, aber entblösst von allen Mitteln, diesen Reichtum für sich zu verwirklichen. Der Arbeiter produziert beständig Material, objektiven Reichtum, aber in der Form des Kapitals, einer ihm fremden, ihn beherrschenden und ausbeutenden Macht; der Kapitalist produziert ebenso beständig die Arbeitskraft in der Form einer subjektiven Reichtumsquelle, die von ihren Vergegenständlichungs- und Verwirklichungsmitteln getrennt ist, kurz, er produziert den Arbeiter als Lohnarbeiter.

Die Konsumtion des Arbeiters ist doppelter Art. Während des Produzierens konsumiert er durch seine Arbeit Produktionsmittel und verwandelt sie in Produkte, die von höherem Wert sind als das vorgeschossene Kapital. Dies ist seine produktive Konsumtion. Andererseits verwandelt der Arbeiter das ihm für seine Arbeitskraft bezahlte Geld in Lebensmittel: Dies ist seine individuelle Konsumtion. Die produktive und die individuelle Konsumtion des Arbeiters sind also total verschieden. In der ersten handelt er als bewegende Kraft des Kapitals und gehört dem Kapitalisten; in der zweiten gehört er sich selbst und verrichtet individuelle Lebensakte ausserhalb des Produktionsprozesses. Das Resultat der einen ist das Leben des Kapitalisten, das der anderen ist das Leben des Arbeiters selbst.

Wenn der Kapitalist einen Teil seines Kapitals in Arbeitskraft umsetzt, erhöht er damit den Wert seines ganzen Kapitals. Er schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Er profitiert nicht nur von dem, was er vom Arbeiter empfängt, sondern auch von dem, was er ihm gibt. Das für den Ankauf der Arbeitskraft ausgegebene Kapital wird für Lebensmittel ausgetauscht, deren Konsumtion dazu dient, Muskel, Nerven, Knochen und Hirn von Arbeitern zu reproduzieren und neue Arbeiter zu zeugen.

Die individuelle Konsumtion der Arbeiterklasse ist also Produktion und Reproduktion der für den Kapitalisten so unentbehrlichen Produktionsmittel: des Arbeiters selbst. Die Erhaltung und Reproduktion der Arbeiterklasse bleibt daher beständige Bedingung für die Reproduktion des Kapitals.

Daher betrachtet der Kapitalist nur den Teil der individuellen Konsumtion des Arbeiters als produktiv, der zur Verewigung der Klasse erforderlich ist; was der Arbeiter ausserdem zu seinem Vergnügen verzehren mag, ist unproduktive Konsumtion. In der Tat; die individuelle Konsumtion des Arbeiters ist für ihn unproduktiv; denn sie reproduziert nur das bedürftige Individuum; sie ist produktiv für den Kapitalisten und den Staat; denn sie ist Produktion der den fremden Reichtum erzeugenden Kraft.

Vom gesellschaftlichen Standpunkt aus ist also die Arbeiterklasse, auch ausserhalb des unmittelbaren Arbeitsprozesses, ebensosehr Zubehör des Kapitals als das tote Arbeitsinstrument. Selbst ihre individuelle Konsumtion ist innerhalb gewisser Grenzen nur ein Moment des Reproduktionsprozesses des Kapitals. Der römische Sklave wurde durch Fesseln gehalten, der Lohnarbeiter ist mit unsichtbaren Fäden an seinem Eigentümer gebunden.

Die Reproduktion der Arbeiterklasse schliesst zugleich die Überlieferung und Häufung des Geschickes von einer Generation zur anderen ein.

Der kapitalistische Produktionsprozess reproduziert die Scheidung zwischen Arbeitskraft und Arbeitsmittel. Er reproduziert und verewigt damit die Ausbeutungsbedingungen. Er zwingt beständig den Arbeiter zum Verkauf seiner Arbeitskraft, um zu leben, und befähigt beständig den Kapitalisten zu ihrem Kauf, um sich zu bereichern. Es ist nicht mehr der Zufall, welcher Kapitalist und Arbeiter als Käufer und Verkäufer einander auf dem Markt gegenüberstellt. Es ist der Prozess selbst, der den Arbeiter stets als Verkäufer seiner Arbeitskraft zurückschleudert und sein eigenes Produkt stets in das Kaufmittel des anderen verwandelt. In der Tat gehört der Arbeiter dem Kapital, bevor er sich dem Kapitalisten verkauft. Seine ökonomische Hörigkeit ist zugleich vermittelt und versteckt durch seinen periodischen Selbstverkauf, den Wechsel seiner individuellen Lohnherren und die Schwankungen im Marktpreis der Arbeitskraft.

Der kapitalistische Produktionsprozess, im Zusammenhang betrachtet, oder als Reproduktionsprozess, produziert also nicht nur Waren, nicht nur Mehrwert, er produziert und reproduziert das Kapitalverhältnis selbst, auf der einen Seite den Kapitalisten, auf der anderen den Lohnarbeiter.

22. Verwandlung von Mehrwert in Kapital

a) Kapitalistischer Produktionsprozess auf erweiterter Stufenleiter

Anwendung von Mehrwert als Kapital oder Rückverwandlung von Mehrwert in Kapital heisst Akkumulation von Kapital.

Um zu akkumulieren, muss man einen Teil des Mehrproduktes in Kapital verwandeln. Aber, ohne Wunder zu tun, kann man nur solche Dinge in Kapital verwandeln, die im Arbeitsprozess verwendbar sind (d. h. Produktionsmittel) sowie Lebensmittel. Folglich muss ein Teil der jährlichen Mehrarbeit verwandt worden sein zur Herstellung zusätzlicher Produktions- und Lebensmittel, im Überschuss über das Quantum, das zum Ersatz des vorgeschossenen Kapitals erforderlich war. Mit einem Wort: Mehrwert ist nur deshalb in Kapital verwandelbar, weil das Mehrprodukt, dessen Wert er ist, bereits die sachlichen Elemente des neuen Kapitals enthält.

Um nun diese Elemente tatsächlich als Kapital fungieren zu lassen, bedarf die Kapitalistenklasse zusätzlicher Arbeit. Soll nicht die Ausbeutung der schon beschäftigten Arbeiter extensiv oder intensiv wachsen, so müssen zusätzliche Arbeitskräfte gefunden werden. Dafür hat der Mechanismus der kapitalistischen Produktion schon vorgesorgt, indem er die Arbeiterklasse reproduziert als eine vom Arbeitslohn abhängige Klasse, deren gewöhnlicher Lohn ausreicht, nicht nur ihre Erhaltung zu sichern, sondern auch ihre Vermehrung. Diese zusätzliche Arbeitskraft braucht das Kapital nur den zuschüssigen Produktionsmitteln einzuverleiben, und die Verwandlung des Mehrwertes in Kapital ist fertig.

Es ist die alte Geschichte: Abraham zeugt Isaak, Isaak zeugt Jakob usw. Das ursprüngliche Kapital von 10 000 Pfund Sterling bringt einen Mehrwert von 2000 Pfd. Sterling, der kapitalisiert wird. Das neue Kapital von 2000 Pfd. Sterling bringt einen Mehrwert von 400 Pfd. Sterling, und dieses wiederum kapitalisiert, also in ein zweites zusätzliches Kapital verwandelt, bringt seinerseits einen weiteren Mehrwert von 80 Pfd. Sterling usw. Wir sehen hier ab von dem vom Kapitalisten verzehrten Teil des Mehrwertes.

Ursprünglich erschien uns das Eigentumsrecht gegründet auf eigene Arbeit. Wenigstens musste diese Annahme gelten, da sich nur gleichberechtigte Warenbesitzer gegenüberstehen, das Mittel zur Aneignung fremder Waren aber nur die Veräusserung der eigenen Ware und diese nur durch Arbeit herstellbar. Eigentum erscheint jetzt, auf der Seite des Kapitalisten, als das Recht, fremde unbezahlte Arbeit oder ihr Produkt, auf Seite des Arbeiters, als Unmöglichkeit, sich sein eigenes Produkt anzueignen. Die Scheidung zwischen Eigentum und Arbeit wird zur notwendigen Konsequenz eines Gesetzes, das scheinbar von ihrer Identität ausging.

Wir haben gesehen, dass sogar im Falle der einfachen Reproduktion jedes Kapital, gleichgültig welchen Ursprungs, in akkumuliertes Kapital, oder kapitalisierten Mehrwert verwandelt wird. Aber im Fluss der Produktion wird jedes ursprünglich vorgeschossene Kapital zu einem verschwindenden Quantum (magnitudo evanescens im mathematischen Sinn) verglichen mit dem direkt akkumulierten Kapital, d. h. mit dem in Kapital umgewandelten Mehrwert oder Mehrprodukt gleichgültig, ob es in der Hand seiner Anhäufer oder in fremder Hand fungiert.

b) Teilung des Mehrwertes in Kapital und Revenue

Ein Teil wird vom Kapitalisten als Revenue verzehrt, ein anderer als Kapital angewandt oder akkumuliert. Die Masse des Mehrwertes gegeben, ist der eine Teil um so grösser, je kleiner der andere ist. Das Verhältnis dieser Teile bestimmt die Grösse der Akkumulation. Aber die Teilung nimmt allein der Eigentümer des Mehrwertes, der Kapitalist, vor.

Soweit der Kapitalist personifiziertes Kapital ist, sind nicht Gebrauchswert und Genuss, sondern Tauschwert und dessen Vermehrung sein treibendes Motiv. Als Personifikation des Kapitals teilt der Kapitalist mit dem Schatzbildner den absoluten Bereicherungstrieb. Was aber bei diesem als individuelle Manie erscheint, ist beim Kapitalisten Wirkung des gesellschaftlichen Mechanismus, in dem er nur ein Triebrad ist. Als Fanatiker der Ausdehnung des Wertes zwingt der Kapitalist die Menschheit zur Produktion um der Produktion willen und damit zu einer Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte und zur Schaffung von materiellen Produktionsbedingungen, die allein die reale Basis einer höheren Form der Gesellschaft bilden können; einer Form der Gesellschaft, deren Grundprinzip die volle und freie Entwicklung jedes Individuums ist.

Auch zwingt die Konkurrenz jedem individuellen Kapitalisten die fortwährende Steigerung des in einem Unternehmen angelegten Kapitals auf. Dies ist ein immanentes Gesetz der kapitalistischen Produktionsweise. Die Akkumulation ist aber gleichzeitig die Eroberung der Welt des gesellschaftlichen Reichtums und mit der Ausdehnung der Masse des ausgebeuteten Menschenmaterials die Ausdehnung der Herrschaft des Kapitals.

In den historischen Anfängen der kapitalistischen Produktion – und jeder kapitalistische Emporkömmling macht dieses historische Stadium individuell durch – herrschen Geiz und Bereicherungstrieb als absolute Leidenschaften vor. Dem Kapitalisten, dessen Tun und Lassen nur Funktion des in ihm mit Willen und Bewusstsein begabten Kapitals ist, gilt sein Privatkonsum als ein Raub an der Akkumulation seines Kapitals. Der Fortschritt der kapitalistischen Produktion jedoch schafft nicht nur eine Welt des Genusses; er öffnet mit der Spekulation und dem Kreditwesen tausend Quellen plötzlicher Bereicherung. Auf einer gewissen Entwicklungshöhe wird ein konventioneller Grad von Verschwendung, die zugleich Schaustellung des Reichtums und daher Kreditmittel ist, zu einer Geschäftsnotwendigkeit des »unglücklichen« Kapitalisten. Der Luxus geht in die Repräsentationskosten des Kapitals ein. Obgleich daher die Verschwendung des Kapitalisten niemals den offenherzigen Charakter der Verschwendung des Feudalherrn besitzt, in ihrem Hintergrund vielmehr stets schmutzigster Geiz und ängstliche Berechnung lauern, wächst dennoch seine Verschwendung mit seiner Akkumulation, ohne dass eines dem andern Abbruch tut.

c) Umstände, die den Umfang der Akkumulation bestimmen

Die Umstände, die unabhängig von der Teilung des Mehrwertes in Kapital und Revenue die Höhe der Akkumulation bestimmen, sind folgende: der Ausbeutungsgrad der Arbeitskraft, die Produktivität der Arbeit, die wachsende Differenz zwischen angewandtem und konsumiertem Kapital, die Grösse des vorgeschossenen Kapitals. Durch Einverleibung der beiden ersten Reichtumsschöpfer, Arbeitskraft und Land, erhält das Kapital eine Expansionskraft, die es ihm erlaubt, die Elemente seiner Akkumulation über die Grenzen hinaus auszudehnen, die anscheinend durch seine eigene Grösse gesteckt sind oder durch den Wert und die Masse der bereits produzierten Produktionsmittel, worin es besteht.

Ein anderer wichtiger Faktor in der Akkumulation des Kapitals ist der Produktivitätsgrad der gesellschaftlichen Arbeit. Mit der wachsenden Produktivität der Arbeit geht die Verwohlfeilerung der Arbeitskraft, also eine wachsende Rate des Mehrwertes, Hand in Hand, selbst wenn der Reallohn steigt.

Die Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit wirkt auch auf das ursprüngliche, bereits im Produktionsprozess befindliche Kapital. Jedes Jahr stirbt ein Teil des funktionierenden konstanten Kapitals, das aus Arbeitsmitteln wie Maschinen usw. besteht, ab und muss ersetzt werden. Hat die Produktivität der Arbeit sich an der Geburtsstätte dieser Arbeitsmittel erweitert, so treten wirkungsvollere und mit Hinsicht auf ihre Leistung wohlfeilere Maschinen an die Stelle der alten. Das alte Kapital wird in einer produktiveren Form reproduziert.

Jede Einführung verbesserter Arbeitsmethoden wirkt fast gleichzeitig auf neu hinzugefügtes Kapital und auf das bereits funktionierende Kapital. Jeder Fortschritt der Chemie vergrössert nicht nur die Anzahl der nutzbaren Materialien und die Nutzanwendung der schon bekannten und dehnt daher mit dem Wachstum des Kapitals und die Sphäre seiner Anlage aus; er lehrt auch zugleich, wie man die Exkremente des Produktions- und Konsumtionsprozesses in den Kreislauf des Reproduktionsprozesses zurückschleudern kann, schafft also ohne vorherige Kapitalauslage neues Kapital für das Kapital. Gleich vermehrter Ausbeutung des Naturreichtums durch blosse höhere Anspannung der Arbeitskraft bilden Wissenschaft und Technik eine von der gegebenen Grösse des funktionierenden Kapitals unabhängige Potenz seiner Expansionskraft. Diese höhere Expansionskraft wirkt zugleich auf den in sein Erneuerungsstadium eingetretenen Teil des ursprünglichen Kapitals. Allerdings ist diese Entwicklung der Produktivkraft zugleich begleitet von teilweiser Entwertung funktionierender Kapitale. Soweit diese Entwertung sich durch die Konkurrenz akut fühlbar macht, sucht der Kapitalist in der gesteigerten Ausbeutung der Arbeiter Schadenersatz.

Die Arbeit überträgt auf das Produkt den Wert der von ihr konsumierten Produktionsmittel. Andererseits wächst Wert und Masse der durch gegebene Arbeitsmenge in Bewegung gesetzten Produktionsmittel im Verhältnis wie die Arbeit produktiver wird. Setzt also auch dieselbe Arbeitsmenge ihren Produkten immer nur dieselbe Menge Mehrwert zu, so wächst doch der alte Kapitalwert, den sie ihnen gleichzeitig überträgt, mit steigender Produktivität der Arbeit. Der angewachsene alte Wert vergrössert den Wert seines Produktes. Es ist die Naturgabe der lebendigen Arbeitskraft, alten Wert zu erhalten, während sie neuen Wert schafft. Mit dem Wachstum von Wirksamkeit, Umfang und Wert ihrer Produktionsmittel, also mit der die Entwicklung ihrer Produktivkraft begleitenden Akkumulation erhält und verewigt die Arbeit daher in stets neuer Form einen sich stets vergrössernden Kapitalwert. Diese Naturkraft der Arbeit erscheint als Selbsterhaltungskraft des Kapitals, dem die Arbeit einverleibt ist. Das stets nachwachsende Gewicht der im lebendigen Arbeitsprozess unter der Form von Produktionsmitteln mitwirkenden vergangenen Arbeit wird ihrer dem Arbeiter selbst, dessen vergangene und unbezahlte Arbeit sie ist, entfremdeten Gestalt zugeschrieben, ihrer Kapitalsgestalt.

Je mehr das Kapital infolge dauernder Akkumulation wächst, desto mehr wächst auch die Wertsumme, die sich in Konsumtionsfonds und Akkumulationsfonds spaltet. Der Kapitalist kann daher flotter leben und zugleich mehr »entsagen«.

23. Das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation

a) Wachsende Nachfrage nach Arbeitskraft mit der Akkumulation bei gleichbleibender Zusammensetzung des Kapitals

Die Zusammensetzung des Kapitals ist in zweifachem Sinn zu verstehen. Nach der Seite des Wertes bestimmt sie sich durch das Verhältnis, worin es sich teilt in konstantes und variables Kapital. Nach der Seite des Stoffes, wie er im Produktionsprozess fungiert, teilt sich jedes Kapital in Produktionsmittel und lebendige Arbeitskraft. Ich nenne die erstere Wertzusammensetzung und die letztere die technische Zusammensetzung des Kapitals. Zwischen beiden besteht enge Wechselbeziehung. Die Wertzusammensetzung des Kapitals nenne ich, insofern sie durch seine technische Zusammensetzung bestimmt wird und deren Änderungen widerspiegelt, die organische Zusammensetzung des Kapitals.

Die zahlreichen Einzelkapitale, die in einem bestimmten Produktionszweig angelegt sind, unterscheiden sich mehr oder weniger in ihrer Zusammensetzung. Der Durchschnitt ihrer Einzelzusammensetzungen ergibt uns die Zusammensetzung des Gesamtkapitals dieses Produktionszweiges. Endlich ergibt uns der Gesamtdurchschnitt der Durchschnittszusammensetzungen sämtlicher Produktionszweige die Zusammensetzung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals eines Landes, und von dieser allein in letzter Instanz ist im folgenden die Rede.

Wachstum des Kapitals schliesst Wachstum seines variablen Bestandteils ein. Ein Teil des in Zusatzkapital verwandelten Mehrwertes muss stets rückverwandelt werden in variables Kapital oder zusätzlichen Arbeitsfonds. Unterstellen wir, dass eine bestimmte Masse Produktionsmittel stets dieselbe Masse Arbeitskraft benötigt, so wächst offenbar die Nachfrage nach Arbeit und der Lebensmittelfonds der Arbeiter verhältnismässig mit dem Kapital und um so schneller, je schneller das Kapital wächst. Die Akkumulationsbedürfnisse des Kapitals können das Wachstum der Arbeitskraft oder der Arbeiteranzahl überflügeln; die Nachfrage nach Arbeitern kann die Versorgung mit Arbeitern übersteigen und daher können die Arbeitslöhne steigen.

Wie die einfache Reproduktion fortwährend das Kapitalverhältnis selbst reproduziert, d. h. Kapitalisten auf der einen Seite und Lohnarbeiter auf der anderen, so reproduziert die Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter oder die Akkumulation das Kapitalverhältnis auf erweiterter Stufenleiter mehr Kapitalisten oder grössere Kapitalisten auf diesem Pol, mehr Lohnarbeiter auf jenem. Die Reproduktion einer Masse Arbeitskraft, die sich unaufhörlich dem Kapital zu dessen Selbstausdehnung einverleiben muss, die vom Kapital nicht frei kommen kann, und deren Versklavung an das Kapital nur durch den Wechsel der einzelnen Kapitalisten, an die sie sich verkauft, verborgen wird, bildet in der Tat einen wesentlichen Bestandteil der Reproduktion des Kapitals selbst. Akkumulation des Kapitals ist also Vermehrung des Proletariats.

Unter den den Arbeitern günstigsten Akkumulationsbedingungen kleidet sich ihr Abhängigkeitsverhältnis vom Kapital in erträgliche Formen. Von ihrem eigenen anschwellenden und ständig in Zusatzkapital verwandelten Mehrprodukt strömt ihnen ein grösserer Teil in der Form von Zahlungsmitteln zurück, so dass sie den Kreis ihrer Genüsse erweitern, ihren Konsumtionsfonds von Kleidern, Möbeln usw. besser ausstatten und kleine Reservefonds von Geld bilden können. So wenig aber bessere Kleidung, Nahrung und Behandlung die Ausbeutung des Sklaven aufheben, so wenig die des Lohnarbeiters.

Das Ansteigen des Arbeitslohnes besagt im besten Fall nur quantitative Abnahme der unbezahlten Arbeit, die der Arbeiter leisten muss. Diese Abnahme kann nie bis zu dem Punkt fortgehen, wo sie das System selbst bedrohen würde. Abgesehen von gewaltsamen Konflikten über die Rate des Arbeitslohnes unterstellt ein aus Akkumulation des Kapitals entspringendes Steigen des Arbeitspreises folgende Alternative: Entweder fährt der Preis der Arbeit fort zu steigen, weil seine Erhöhung den Fortschritt der Akkumulation nicht stört oder die Akkumulation erschlafft infolge des steigenden Arbeitspreises weil der Stachel des Gewinns abstumpft. Aber mit der Abnahme der Akkumulation verschwindet die Ursache ihrer Abnahme, nämlich die Disproportion zwischen Kapital und ausbeutbarer Arbeitskraft. Der Arbeitspreis fällt wieder auf ein den Ausdehnungsbedürfnissen des Kapitals entsprechendes Niveau.

b) Relative Abnahme des variablen Kapitalteiles im Fortgang der Akkumulation und der sie begleitenden Konzentration

Mit der Benutzung der Maschinerie tritt eine grössere Masse an Rohmaterial und Hilfsstoffen in den Arbeitsprozess ein. Dies ist die Folge der steigenden Produktivität der Arbeit. Andererseits ist die Masse der benutzten Maschinerie, des Arbeitsviehs, mineralischen Düngers, Drainierungsröhren usw. Bedingung der wachsenden Produktivität der Arbeit. Ebenso der Masse der in Baulichkeiten, Riesenöfen, Transportmitteln usw. konzentrierten Produktionsmittel. Ob aber Bedingung oder Folge, der wachsende Umfang der Produktionsmittel im Vergleich zu der ihnen einverleibten Arbeitskraft drückt die wachsende Produktivität der Arbeit aus. Die Steigerung der letzteren erscheint in der Abnahme der Masse der Arbeit im Verhältnis zur Masse der durch sie bewegten Produktionsmittel oder in der Verkleinerung des subjektiven Faktors des Arbeitsprozesses, verglichen mit dem objektiven Faktor.

Diese Veränderung in der technischen Zusammensetzung des Kapitals, das Wachstum in der Masse der Produktionsmittel, verglichen mit der Masse der sie belebenden Arbeitskraft, spiegelt sich wieder in seiner Wertzusammensetzung, in der Zunahme des konstanten Bestandteiles des Kapitals auf Kosten seines variablen Bestandteiles. Dies Gesetz des steigenden Wachstums des konstanten Kapitalteiles im Verhältnis zum variablen wird auf jedem Schritt bestätigt durch die vergleichende Untersuchung der Warenpreise, ob wir nun verschiedene ökonomische Epochen oder verschiedene Nationen der gleichen Epoche vergleichen. Die relative Grösse des Preiselements, das nur den Wert der Produktionsmittel oder den konstanten Teil des verzehrten Kapitals vertritt, wird in direktem Verhältnis zum Fortschritt der Akkumulation stehen, die relative Grösse des anderen, die Arbeit bezahlenden oder den variablen Kapitalteil vertretenden Preiselements im allgemeinen in umgekehrtem Verhältnis dazu.

Diese Abnahme des variablen Teiles gegenüber dem konstanten Kapitalteil oder die veränderte Zusammensetzung des Kapitalwertes, zeigt jedoch nur annähernd den Wechsel in der Zusammensetzung seiner stofflichen Bestandteile an. Mit der wachsenden Produktivität der Arbeit steigt nicht nur die Masse der von ihr vernutzten Produktionsmittel, sondern ihr Wert, verglichen mit ihrem Umfang, sinkt. Ihr Wert steigt also absolut, aber nicht proportionell mit ihrem Umfang. Das Steigen der Differenz zwischen konstantem und variablem Kapital ist daher viel kleiner als das der Differenz zwischen Masse der Produktionsmittel, worin das konstante, und der Masse der Arbeitskraft, worin das variable Kapital umgesetzt wird. Die erstere Differenz nimmt zu mit der letzteren, aber in geringerem Grad. Wenn aber der Fortschritt der Akkumulation die relative Grösse des variablen Kapitalteils vermindert, schliesst er damit die Möglichkeit einer Steigerung ihrer absoluten Grösse keineswegs aus.

Jedes individuelle Kapital ist eine grössere oder kleinere Konzentration von Produktionsmitteln mit entsprechendem Kommando über eine grössere oder kleinere Arbeitsarmee. Jede Akkumulation wird das Mittel neuer Akkumulation. Die Akkumulation erhöht die Konzentration jenes Reichtums in der Hand der individuellen Kapitalisten und hiermit erweitert sie die Grundlage der Produktion auf grosser Stufenleiter und der spezifisch kapitalistischen Produktionsmethoden. Das Wachstum des gesellschaftlichen Kapitals vollzieht sich im Wachstum vieler individueller Kapitale. Alle anderen Umstände als gleichbleibend vorausgesetzt, wachsen die individuellen Kapitale, und mit ihnen die Konzentration der Produktionsmittel, im Verhältnis, worin sie aliquote Teile des gesellschaftlichen Gesamtkapitals bilden.

Die Akkumulation stellt sich daher einerseits dar als wachsende Konzentration der Produktionsmittel und des Kommandos über Arbeit und andererseits als Abstossung vieler individueller Kapitale von einander. Dieser Zersplitterung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals in viele individuelle Kapitale oder der Abstossung seiner Bruchteile voneinander wirkt jedoch ihre Anziehung entgegen. Diese Anziehung bedeutet nicht einfache Konzentration, die mit Akkumulation identisch ist. Es ist Konzentration bereits gebildeter Kapitale, Aufhebung ihrer individuellen Selbständigkeit, Expropriation von Kapitalist durch Kapitalist, Verwandlung vieler kleiner in wenige grössere Kapitale. Dieser Prozess unterscheidet sich von dem ersteren dadurch, dass er nur veränderte Verteilung der bereits vorhandenen und funktionierenden Kapitale voraussetzt; sein Spielraum also durch das absolute Wachstum des gesellschaftlichen Reichtums oder die absoluten Grenzen der Akkumulation nicht beschränkt ist. Das Kapital wächst hier in einer einzigen Hand zu grossen Massen, weil es dort in vielen Händen verloren geht. Dies ist die eigentliche Zentralisation im Unterschied zur Akkumulation und Konzentration.

Der Konkurrenzkampf wird durch Verwohlfeilerung der Waren geführt. Diese hängt von der Produktivität der Arbeit und damit von der Stufenleiter der Produktion ab. Die grösseren Kapitale schlagen daher die kleineren. Ausserdem wächst auch mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise der Minimalumfang des individuellen Kapitals, das benötigt wird, um ein Geschäft zu betreiben. So bildet sich mit der kapitalistischen Produktion eine ganz neue Macht, das Kreditwesen, das in seinen Anfängen als bescheidene Beihilfe der Akkumulation sich einschleicht, durch unsichtbare Fäden die zersplitterten Geldmittel in die Hände individueller oder assoziierter Kapitalisten zieht, aber bald eine neue und furchtbare Waffe im Konkurrenzkampf wird, und sich schliesslich in einen ungeheuren sozialen Mechanismus zur Zentralisation des Kapitals verwandelt.

In einem gegebenen Geschäftszweig würde die Zentralisation ihre äusserste Grenze erreicht haben, wenn alle darin angelegten Kapitale zu einem Einzelkapital verschmolzen wären. In der Gesellschaft wäre diese Grenze erreicht, wenn das gesamte Kapital in der Hand eines Kapitalisten oder einer Kapitalistengesellschaft vereinigt wäre.

Die Zentralisation ergänzt das Werk der Akkumulation, indem sie die industriellen Kapitalisten instand setzt, die Stufenleiter ihrer Operationen auszudehnen. Ob sich die Zentralisation auf dem Wege der Einverleibung vollzieht oder mittels des glatteren Verfahrens der Bildung von Aktiengesellschaften, die ökonomische Wirkung bleibt dieselbe: fortschreitende Umwandlung einzelner und in herkömmlicher Weise betriebener Produktionsprozesse in gesellschaftlich kombinierte und wissenschaftlich geregelte Produktionsprozesse.

Die durch die Zentralisation über Nacht zusammengeschweissten Kapitalmassen reproduzieren und vermehren sich wie die anderen, nur schneller, und werden damit zu neuen mächtigen Hebeln der gesellschaftlichen Akkumulation. Die zusätzlichen Kapitale dienen hauptsächlich als Mittel zur Ausbeutung neuer Erfindungen und Entdeckungen oder industrieller Verbesserung im allgemeinen. Das alte Kapital erreicht indessen ebenfalls den Augenblick, wo es Kopf und Glieder erneuert, wo es die alte Haut abwirft und in vervollkommneter technischer Form wiedergeboren wird, wo eine kleinere Arbeitsmenge genügt, eine grössere Menge an Maschinen und Rohmaterial. in Bewegung zu setzen. Die absolute Abnahme der Nachfrage nach Arbeit, die notwendigerweise daraus folgt, wird natürlich um so grösser sein, je mehr diese durch den Verjüngungsprozess laufenden Kapitale mittels der Zentralisationsbewegung in Massen akkumuliert wurden.

c) Progressive Produktion einer relativen Überbevölkerung oder industriellen Reservearmee

Die spezifisch kapitalistische Produktionsweise, die ihr entsprechende Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit, der dadurch verursachte Wechsel in der organischen Zusammensetzung des Kapitals halten nicht nur Schritt mit dem Fortschritt der Akkumulation; sie schreiten ungleich schneller, weil die einfache Akkumulation oder die absolute Ausdehnung des Gesamtkapitals von der Zentralisation seiner individuellen Elemente begleitet sind. Mit dem Fortgang der Akkumulation wandelt sich also das Verhältnis von konstantem zu variablem Kapitalteil.

Da die Nachfrage nach Arbeit nicht durch den Umfang des Gesamtkapitals, sondern durch seinen variablen Bestandteil bestimmt ist, fällt sie also progressiv mit dem Wachstum des Gesamtkapitals, statt im selben Verhältnis zu wachsen. Die kapitalistische Akkumulation produziert so beständig eine relative, d. h. für das durchschnittliche Ausdehnungsbedürfnis des Kapitals überschüssige, Arbeiterbevölkerung.

Betrachten wir das gesellschaftliche Gesamtkapital, so sehen wir, dass in einigen Produktionssphären Wechsel in der Zusammensetzung des Kapitals stattfindet, ohne dass seine absolute Grösse wächst; in anderen ist das absolute Wachstum des Kapitals mit absoluter Abnahme seines variablen Bestandteils oder der von ihm absorbierten Arbeitskraft verbunden. In anderen Produktionssphären wiederum wächst das Kapital bald auf seiner gegebenen technischen Grundlage fort und zieht zusätzliche Arbeitskraft im Verhältnis zu seinem Wachstum an, bald tritt Wechsel in der organischen Zusammensetzung des Kapitals ein und verringert den variablen Bestandteil. In allen Produktionssphären ist das Wachstum das variablen Kapitals und daher der beschäftigten Arbeiterzahl stets verbunden mit heftigen Fluktuationen und vorübergehender Produktion von Überbevölkerung.

Die arbeitende Bevölkerung produziert also mit der Akkumulation des Kapitals die Mittel, durch die sie selbst relativ überflüssig gemacht wird; und sie tut dies in immer grösserem Ausmass. Dies ist ein Bevölkerungsgesetz, das der kapitalistischen Produktionsweise eigentümlich ist.

Wenn aber eine Überbevölkerung von Arbeitern notwendiges Produkt der Akkumulation oder der Entwicklung des Reichtums auf kapitalistischer Grundlage ist, wird diese Überbevölkerung umgekehrt zum Hebel der kapitalistischen Akkumulation, ja zu einer Existenzbedingung der kapitalistischen Produktionsweise. Sie bildet eine verfügbare industrielle Reservearmee, die dem Kapital ganz so absolut gehört, als ob es sie auf seine eigenen Kosten grossgezüchtet hätte. Sie schafft für seine wechselnden Ausdehnungsbedürfnisse das stets bereits ausbeutbare Menschenmaterial, unabhängig von den Schranken der wirklichen Bevölkerungszunahme.

Der charakteristische Lebenslauf der modernen Industrie, d. h. ein durch kleinere Schwankungen unterbrochener zehnjähriger Zyklus von Perioden mittlerer Lebendigkeit, Produktion unter Hochdruck, Krise und Stagnation, beruht auf der beständigen Bildung, grösseren oder geringeren Aufsaugung und Wiederbildung der industriellen Reservearmee oder Überbevölkerung. Ihrerseits rekrutieren die Wechselfälle des industriellen Zyklus die Überbevölkerung und werden zu einer ihrer energischsten Reproduktionsursachen. Die ganze Bewegungsform der modernen Industrie erwächst also aus der beständigen Verwandlung eines Teiles der Arbeiterbevölkerung in unbeschäftigte oder halbbeschäftigte Hände.

Die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise und der Produktivkraft der Arbeit befähigt den Kapitalisten, mit derselben Auslage von variablem Kapital, mehr Arbeit durch extensivere oder intensivere Ausbeutung der individuellen Arbeitskräfte flüssig zu machen. Ferner kann er mit demselben Kapital mehr Arbeitskräfte kaufen, indem er zunehmend gelernte durch ungelernte Arbeitskraft ersetzt.

Die Freisetzung von Arbeitern geht daher noch schneller voran als die von dem Fortschritt der Akkumulation begleitete und beschleunigte technische Umwälzung des Produktionsprozesses und schneller als die entsprechende proportionelle Abnahme des variablen Kapitalteiles gegen den konstanten. Wenn die Produktionsmittel, wie sie an Umfang und Wirkungskraft zunehmen, in geringerem Grade Beschäftigungsmittel der Arbeiter werden, wird dieses Verhältnis selbst wieder dadurch modifiziert, dass im Mass, wie die Produktivität der Arbeit wächst, das Kapital seine Zufuhr von Arbeit schneller steigert als seine Nachfrage nach Arbeitern. Die Überarbeit des beschäftigten Teiles der Arbeiterklasse schwellt die Reihen der Reserve, während umgekehrt der vermehrte Druck, den die letztere durch ihre Konkurrenz auf die erstere ausübt, diese zur Überarbeit und Unterwerfung unter die Gebote des Kapitals zwingt. Die Verdammung eines Teiles der Arbeiterklasse zu erzwungenem Müssiggang durch Überarbeit des anderen Teiles, und umgekehrt, wird Bereicherungsmittel des einzelnen Kapitalisten und beschleunigt die Produktion der industriellen Reservearmee auf einem dem Fortschritt der gesellschaftlichen Akkumulation entsprechenden Massstab.

Im grossen und ganzen sind die allgemeinen Bewegungen des Arbeitslohnes ausschliesslich reguliert durch die Ausdehnung und Zusammenziehung der industriellen Reservearmee, welche dem Periodenwechsel des industriellen Zyklus entsprechen. Sie sind also nicht bestimmt durch die Änderungen der absoluten Anzahl der Arbeiterbevölkerung, sondern durch das wechselnde Verhältnis, worin die Arbeiterklasse in aktive und Reserve-Armee zerfällt, durch die Zunahme und Abnahme des relativen Umfanges der Überbevölkerung, durch den Grad, worin sie bald absorbiert, bald freigesetzt wird.

Die industrielle Reservearmee drückt während der Perioden der Stagnation und mittleren Prosperität auf die aktive Arbeiterarmee und hält ihre Ansprüche während der Periode der Überproduktion und des Paroxismus im Zaum. Die relative Überbevölkerung ist also der Hintergrund, worauf das Gesetz der Nachfrage und Zufuhr von Arbeit sich bewegt. Sie zwängt den Spielraum dieses Gesetzes in die der Ausbeutungsgier und Herrschsucht des Kapitals absolut zusagenden Schranken ein.

d) Verschiedene Existenzformen der relativen Überbevölkerung und das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation

Die relative Überbevölkerung existiert in jeder möglichen Form. Jeder Arbeiter gehört ihr an während der Zeit, wo er nur teilbeschäftigt oder unbeschäftigt ist. Abgesehen von den grossen, periodisch wiederkehrenden Formen, welche der Phasenwechsel des industriellen Zyklus ihr aufprägt, so dass sie bald akut in den Krisen erscheint, bald chronisch in den Zeiten flauen Geschäfts, besitzt sie fortwährend drei Formen: flüssige, latente und stockende.

In den Zentren der modernen Industrie werden Arbeiter bald herausgeworfen, bald in grösserem Umfange wieder eingestellt, so dass im grosser. und ganzen die Zahl der Beschäftigten zunimmt, wenn auch in abnehmendem Verhältnis zur Produktionsleiter. Die Überbevölkerung besteht hier in fliessender Form.

Der Konsum der Arbeitskraft durch das Kapital ist zudem so rasch, dass der Arbeiter von mittlerem Alter sich meist schon mehr oder weniger überlebt hat. Gerade bei den Arbeitern der modernen Industrie stossen wir auf die kürzeste Lebensdauer. Daher die schnelle Erneuerung der Arbeitergenerationen.

Sobald sich die kapitalistische Produktion der Agrikultur, oder im Grad, worin sie sich derselben bemächtigt hat, nimmt die Nachfrage nach landwirtschaftlicher Arbeiterbevölkerung absolut ab, ohne dass diese Ausstossung, wie in den nichtlandwirtschaftlichen Industrien, durch grössere Anziehung kompensiert wird. Ein Teil der Landbevölkerung befindet sich daher fortwährend auf dem Sprung, in städtisches oder Manufakturproletariat überzugehen. Diese Quelle der (latenten) relativen Überbevölkerung fliesst beständig. Aber ihr beständiger Fluss nach den Städten setzt auf dem Lande selbst eine fortwährende latente Überbevölkerung voraus. Der Landarbeiter wird daher auf das Minimum des Arbeitslohnes herabgedrückt und steht mit einem Fuss stets im Sumpfe des Pauperismus.

Die dritte Kategorie der relativen Überbevölkerung bildet einen Teil der aktiven Arbeiterarmee aber mit unregelmässiger Beschäftigung. Sie rekrutiert sich fortwährend aus den Überzähligen, namentlich aus untergehenden Industriezweigen, wo Handwerks- und Manufakturbetrieb dem Maschinenbetrieb erliegt. Diese Kategorie, deren Lebenslage unter das durchschnittliche Niveau der arbeitenden Klasse sinkt, bildet ein sich selbst reproduzierendes Element der Arbeiterklasse, das zugleich einen verhältnismässig grossen Anteil am Wachstum derselben nimmt. Nicht nur die Anzahl der Geburten und Todesfälle, sondern auch die absolute Grösse der Familien steht in umgekehrtem Verhältnis zu der Höhe der Löhne und daher zu der Menge der Lebensmittel, über welche die verschiedenen Kategorien der Arbeiter verfügen. Dieses Gesetz der kapitalistischen Gesellschaft würde Wilden absurd klingen. Es erinnert an die schrankenlose Reproduktion der individuell schwachen und beständig niedergejagten Tiere.

Der tiefste Niederschlag der relativen Überbevölkerung endlich haust in der Sphäre des Pauperismus und des eigentlichen Lumpenproletariats.

Je grösser der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Grösse des Proletariats und die Produktivität der Arbeit, desto grösser ist die industrielle Reservearmee. Die zur Verfügung stehende Arbeitskraft wird durch dieselben Ursachen entwickelt, wie die Expansivkraft des Kapitals. Die relative Grösse der industriellen Reservearmee wächst also mit der potentiellen Energie des Reichtums. Je grösser aber die Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeitsarmee ist, desto massenhafter die ständige Überbevölkerung, deren. Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je grösser endlich die Lazarusschicht der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee ist, um so grösser ist der amtlich anerkannte Pauperismus. Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation.

Es folgt daher, dass in dem Masse wie Kapital akkumuliert, das Los der Arbeiter, ob nun seine Bezahlung hoch oder niedrig sei, sich verschlechtern muss. Das Gesetz endlich, welches die relative Übervölkerung oder industrielle Reservearmee stets mit Umfang und Energie der Akkumulation in Gleichgewicht hält, schmiedet den Arbeiter fester an das Kapital als den Prometheus die Keile des Vulkan an den Felsen. Es bedingt eine Akkumulation von Elend entsprechend der Akkumulation von Kapital, Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalität und moralische Degradation auf dem Gegenpol.

24. Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation

a) Das Geheimnis der ursprünglichen Akkumulation

Wir haben gesehen, wie Geld in Kapital verwandelt, durch Kapital Mehrwert und aus Mehrwert mehr Kapital gemacht wird. Die Akkumulation des Kapitals setzt aber den Mehrwert, der Mehrwert die kapitalistische Produktion, die kapitalistische Produktion das Vorhandensein grösserer Massen von Kapital und Arbeitskraft in den Händen von Warenproduzenten voraus. Diese ganze Bewegung scheint sich also in einem fehlerhaften Kreislauf herumzudrehen, aus dem wir nur herauskommen, indem wir eine der kapitalistischen Akkumulation vorausgehende ursprüngliche Akkumulation unterstellen, eine Akkumulation, welche nicht das Resultat der kapitalistischen Produktionsweise ist, sondern ihr Ausgangspunkt. Diese ursprüngliche Akkumulation spielt in der politischen Ökonomie ungefähr dieselbe Rolle wie der Sündenfall in der Theologie. Adam biss in den Apfel und damit kam die Sünde über das Menschengeschlecht.

Der Ursprung der ursprünglichen Akkumulation wird erklärt, indem er als Anekdote der Vergangenheit erzählt wird. In einer längst verflossenen Zeit gab es auf der einen Seite eine fleissige, intelligente und vor allem sparsame Elite und auf der anderen faulenzende, ihr Alles und mehr verjubelnde Lumpen. Von diesem Sündenfall datiert die Armut der grossen Masse.

In der wirklichen Geschichte spielen bekanntlich Eroberung, Unterjochung, Raubmord, kurz Gewalt die grosse Rolle. In der Tat sind die Methoden der ursprünglichen Akkumulation alles andere, nur nicht idyllisch. Geld und Ware sind nicht von vornherein Kapital. Sie bedürfen der Verwandlung in Kapital. Zweierlei sehr verschiedene Arten von Warenbesitzern müssen sich gegenübertreten. Einerseits Eigner von Geld, Produktions- und Lebensmitteln, die darauf aus sind, ihre Wertsumme zu vermehren durch Ankauf fremder Arbeitskraft; andererseits freie Arbeiter, Verkäufer der eigenen Arbeitskraft und daher Verkäufer von Arbeit. Freie Arbeiter in dem Doppelsinn, dass weder sie selbst unmittelbar zu den Produktionsmitteln gehören, wie Sklaven, Leibeigene usw., noch auch die Produktionsmittel ihnen gehören, wie beim selbstwirtschaftenden Bauern usw., sie davon vielmehr frei, los und ledig sind.

Der Prozess, der den Weg für das kapitalistische System frei macht, kann also nichts anderes sein als der Scheidungsprozess des Arbeiters vom Eigentum an seinen Arbeitsmitteln, ein Prozess, der einerseits die gesellschaftlichen Lebens- und Produktionsmittel in Kapital verwandelt, andererseits die unmittelbaren Produzenten in Lohnarbeiter. Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation ist also nichts als der historische Scheidungsprozess von Produzent und Produktionsmittel. Er erscheint als »ursprünglich«, weil er die Vorgeschichte des Kapitals und der ihm entsprechenden Produktionsweise bildet.

Die ökonomische Struktur der kapitalistischen Gesellschaft ist hervorgegangen aus der ökonomischen Struktur der feudalen Gesellschaft. Die Auflösung dieser hat die Elemente jener freigesetzt. Der unmittelbare Produzent, der Arbeiter, konnte erst über seine eigene Person verfügen, nachdem er aufgehört hatte, an die Scholle gebunden und einer anderen Person leibeigen oder hörig zu sein. Um freier Verkäufer von Arbeitskraft zu werden, der seine Ware überall hinträgt, wo sie einen Markt findet, musste er ferner der Herrschaft der Zünfte, ihren. Lehrlings- und Gesellenordnungen und hemmenden Arbeitsvorschriften entronnen sein. Somit erscheint die geschichtliche Bewegung, die die Produzenten in Lohnarbeiter verwandelt, einerseits als ihre Befreiung von Dienstbarkeit und Zunftzwang, und diese Seite allein existiert für unsere bürgerlichen Geschichtsschreiber. Andererseits aber werden diese neu Befreiten erst Verkäufer ihrer selbst, nachdem ihnen alle ihre Produktionsmittel und alle durch die alten feudalen Einrichtungen gebotenen Garantien ihrer Existenz geraubt sind. Und die Geschichte dieser ihrer Expropriation ist in die Annalen der Menschheit eingeschrieben mit Zügen von Blut und Feuer.

Die industriellen Kapitalisten, diese neuen Machthaber, mussten ihrerseits nicht nur die zünftigen Handwerksmeister verdrängen, sondern auch die im Besitz der Reichtumsquellen befindlichen Feudalherren. In dieser Hinsicht stellt sich ihr Emporkommen dar als Frucht eines siegreichen Kampfes sowohl gegen die Feudalmacht und ihre empörenden Vorrechte als auch gegen die Zünfte und die Fesseln, die diese der freien Entwicklung der Produktion und der freien Ausbeutung des Menschen durch den Menschen angelegt. Die Ritter von der Industrie brachten es jedoch nur fertig, die Ritter von Degen zu verdrängen, dadurch, dass sie Ereignisse ausbeuteten, zu denen sie gar nichts beigetragen hatten.

Der Ausgangspunkt der Entwicklung, die sowohl den Lohnarbeiter als auch den Kapitalisten erzeugte, war die Knechtschaft des Arbeiters. Der Fortschritt bestand in einem Formwechsel dieser Knechtung, in der Verwandlung der feudalen in kapitalistische Ausbeutung. Um ihren Gang zu verstehen, brauchen wir gar nicht so weit zurückzugreifen.

Obgleich die ersten Anfänge kapitalistischer Produktion uns schon im 14. und 15. Jahrhundert in einigen Städten am Mittelmeer vereinzelt entgegentreten, datiert das kapitalistische Zeitalter erst vom 16. Jahrhundert. Historisch epochemachend in der Geschichte der ursprünglichen Akkumulation sind alle Umwälzungen, die der sich bildenden Kapitalistenklasse als Hebel dienen; vor allem aber die Momente, worin grosse Menschenmassen plötzlich und gewaltsam von ihren Existenzmitteln losgerissen und als vogelfreie Proletarier auf den Arbeitsmarkt geschleudert werden. Die Expropriation des ländlichen Produzenten, des Bauern, von Grund und Boden bildet die Grundlage des ganzen Prozesses. Die Geschichte dieser Expropriation nimmt in verschiedenen Ländern verschiedene Färbung an und durchläuft die verschiedenen Phasen in verschiedener Reihenfolge und in verschiedenen Perioden. Nur in England besitzt sie klassische Form.

b) Expropriation des Landvolks von Grund und Boden

Das Vorspiel der Umwälzung, welche die Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise schuf, ereignete sich im letzten Drittel des 15. und den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts. Eine Masse vogelfreier Proletarier ward auf den Arbeitsmarkt geschleudert durch die Auflösung der feudalen Gefolgschaften, die überall nutzlos Haus und Hof füllten (und von dem durch die grossen Feudalkriege geschwächten Adel nicht mehr ernährt werden konnten). Auch beschleunigte die königliche Macht in ihrem Streben nach absoluter Souveränität gewaltsam die Auflösung dieser Gefolgschaften. Ein ungleich grösseres Proletariat schufen die grossen Feudalherren durch gewaltsame Verjagung der Bauernschaft von dem Grund und Boden, worauf sie denselben feudalen Rechtstitel besass wie er selbst, und durch widerrechtliche Aneignung ihres Gemeindelandes. Den unmittelbaren Anstoss zu der Verjagung vom Land gab in England namentlich das Aufblühen der flandrischen Wollmanufaktur und das entsprechende Steigen der Wollpreise. Verwandlung von Ackerland in Schafweide wurde das Losungswort.

Einen neuen und furchtbaren Anstoss erhielt der gewaltsame Expropriationsprozess des Volkes im 16. Jahrhundert durch die Reformation und, in ihrem Gefolge, den kolossalen Diebstahl der Kirchengüter. Die Kirchengüter wurden grossenteils an königliche Günstlinge verschenkt oder zu Spottpreisen an spekulierende Pächter und Stadtbürger verkauft, die die alten erblichen Untersassen massenhaft verjagten und ihre Wirtschaften zusammenwarfen. Das gesetzlich garantierte Eigentum verarmter Landleute an einem Teil der Kirchenzehnten wurde stillschweigend abgeschafft.

Das Kircheneigentum bildete das religiöse Bollwerk der traditionellen Grundeigentumsverhältnisse. Mit seinem Fall waren sie nicht länger haltbar.

Unter der Restauration der Stuarts setzten die Grundeigentümer eine Usurpation gesetzlich durch, die überall auf dem Kontinent ohne gesetzliche Formalität vor sich ging. Sie hoben die Feudalverfassung des Bodens auf, das heisst, sie schüttelten seine Leistungspflichten an den Staat ab, »entschädigten« den Staat durch Steuern auf die Bauernschaft und übrige Volksmasse, beanspruchten modernes Privateigentum an Gütern, worauf sie nur Feudaltitel besassen, und zwangen schliesslich den englischen Landarbeitern jene Niederlassungsgesetze auf, welche dieselbe Wirkung hatten wie das Edikt des Tartaren Boris Godunow auf die russische Bauernschaft.

Die »glorreiche Revolution« brachte mit dem Oranier Wilhelm die grundherrlichen und kapitalistischen Aneigner des Mehrwertes zur Herrschaft. Sie weihten die neue Ära ein, indem sie den bisher nur bescheiden betriebenen Diebstahl an den Staatsgütern auf kolossaler Stufenleiter ausübten. Diese Ländereien wurden verschenkt, zu Spottpreisen verkauft oder auch durch direkte Usurpation an Privatgüter angegliedert. Alles das geschah ohne die geringste Beobachtung gesetzlicher Formen. Das so betrügerisch angeeignete Staatsgut bildet die Grundlage der heutigen fürstlichen Besitztümer der englischen Oligarchie.

Der letzte grosse Expropriationsprozess der Landbevölkerung von Grund und Boden ist das sogenannte »Lichten der Güter«, d. h. das Wegfegen der Menschen von denselben. Alle bisher betrachteten englischen Methoden fanden ihren Höhepunkt im »Lichten«. In Schottland zeichnete sich der Vorgang durch die Grösse der Stufenleiter, worauf er mit einem Schlage vollzogen wurde, aus. Im 18. Jahrhundert wurde zugleich den vom Land verjagten Gaelen die Auswanderung verboten, um sie gewaltsam nach Glasgow und anderen Fabrikstädten zu treiben. Ein Beispiel für das 19. Jahrhundert ist die Herzogin von Sutherland, die ihre ganze Grafschaft in Schafweide verwandelte. Von 1814 bis 1820 wurden 15 000 Einwohner systematisch verjagt. Endlich wird ein Teil der Schaftriften in Jagdrevier zurückverwandelt.

Der Raub der Kirchengüter, die betrügerische Veräusserung der Staatsdomänen, der Diebstahl des Gemeindeeigentums, die usurpatorische und mit rücksichtslosem Terrorismus vollzogene Verwandlung von feudalem und Claneigentum in modernes Privateigentum, es waren ebenso viele idyllische Methoden der ursprünglichen Akkumulation. Sie eroberten das Feld für die kapitalistische Agrikultur, einverleibten den Grund und Boden dem Kapital und schufen der städtischen Industrie die nötige Zufuhr von vogelfreiem Proletariat.

c) Blutgesetzgebung gegen die Expropriierten. Gesetz zur Herabdrückung des Arbeitslohns

Die durch die Auflösung der feudalen Gefolgschaften und durch stossweise gewaltsame Expropriation von Grund und Boden Verjagten, dies »freie« Proletariat konnte unmöglich ebenso rasch von der aufkommenden Manufaktur aufgesaugt werden, als es auf die Welt gesetzt ward. Andererseits konnten die plötzlich aus ihrer gewohnten Lebensbahn Herausgeschleuderten sich nicht ebenso plötzlich in die Disziplin des neuen Zustandes finden. Sie verwandelten sich massenhaft in Bettler, Räuber, Vagabunden. Ende des 15. und während des ganzen 16. Jahrhunderts daher in ganz Westeuropa eine Blutgesetzgebung wider Vagabondage. Die Gesetzgebung behandelte sie als »freiwillige« Verbrecher und unterstellte, dass es von ihrem guten Willen abhänge, in den nicht mehr existierenden alten Verhältnissen fortzuarbeiten. So wurde das zuerst gewaltsam von Grund und Boden expropriierte, von ihrem Heim verjagte und zum Vagabunden gemachte Landvolk durch grotesk-terroristische Gesetze in eine dem System der Lohnarbeit notwendige Disziplin hineingepeitscht, – gebrandmarkt, – gefoltert.

Auf die Dauer genügte es nicht, Menschen, die nichts zu verkaufen haben als ihre Arbeitskraft, zu diesem Verkauf zu zwingen. Im Fortgang der kapitalistischen Produktion entwickelte sich eine Arbeiterklasse, die aus Erziehung, Tradition, Gewohnheit die Anforderungen jener Produktionsweise als selbstverständliche Naturgesetze anerkennt. Die Organisation des ausgebildeten kapitalistischen Produktionsprozesses bricht jeden Widerstand. Die beständige Erzeugung einer relativen Überbevölkerung hält das Gesetz der Zufuhr von und Nachfrage nach Arbeit und daher den Arbeitslohn, in einem dem Ausdehnungsbedürfnis des Kapitals entsprechenden Geleise. Der stumme Zwang der ökonomischen Verhältnisse besiegelt die Herrschaft des Kapitalisten über den Arbeiter. Ausserökonomische, unmittelbare Gewalt wird zwar immer noch angewandt, aber nur ausnahmsweise. Für den gewöhnlichen Gang der Dinge kann der Arbeiter den »Naturgesetzen der Produktion« überlassen bleiben, d. h. seiner aus den Produktionsbedingungen selbst entspringenden, durch sie garantierten und verewigten Abhängigkeit vom Kapital. Anders während der historischen Genesis der kapitalistischen Produktion. Die aufkommende Bourgeoisie braucht und verwendet die Staatsgewalt, um den Arbeitslohn zu »regulieren«, d. h. in zusagende Schranken zu zwängen, um den Arbeitstag zu verlängern und den Arbeiter selbst in Abhängigkeit zu erhalten. Es ist dies ein wesentliches Moment der ursprünglichen Akkumulation.

Die Klasse der Lohnarbeiter, die in der letzten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstand, bildete damals und im folgenden Jahrhundert nur einen sehr geringen Teil der Bevölkerung, der in seiner Stellung stark beschützt war durch die selbständige Bauernwirtschaft auf dem Land und die Zunftorganisation der Stadt. In Land und Stadt standen sich Meister und Arbeiter sozial nahe. Die Unterordnung der Arbeit unter das Kapital war nur formell, d. h. die Produktionsweise selbst besass noch keinen spezifisch kapitalistischen Charakter. Das variable Kapital wog sehr vor über das konstante. Die Nachfrage nach Lohnarbeit wuchs daher rasch mit jeder Akkumulation des Kapitals, während die Zufuhr von Lohnarbeit nur langsam nachfolgte. Ein grosser Teil des nationalen Produkts, später in Akkumulationsfonds des Kapitals verwandelt, ging damals noch ein in den Konsumtionsfonds des Arbeiters. Die Gesetzgebung betreffend Lohnarbeit (auf die Ausbeutung des Arbeiters abzielend und ihm gegenüber lange noch feindlich gesinnt) beginnt in England mit dem Arbeitergesetz Eduard III. im Jahre 1349 und der Verordnung, die im Namen des Königs Johann [Jean II le Bon] in Frankreich im Jahre 1350 erlassen wurde.

Es wird bei Gefängnisstrafe untersagt, höheren als den gesetzlichen Lohn zu zahlen, aber der Empfang des höheren Lohnes wird stärker bestraft als seine Zahlung. Ein Gesetz vom Jahre 1360 erhöhte die Strafen noch. Die Koalition der Arbeiter wird als schweres Verbrechen behandelt vom 14. Jahrhundert bis 1825. Die barbarischen Gesetze gegen die Gewerkschaften fielen im Jahre 1825 vor der drohenden Haltung des Proletariats. Trotzdem fielen sie nur zum Teil. Einige schöne Überbleibsel des alten Gesetzes fielen erst im Jahre 1859. Gleich im Beginn der Revolution wagte die französische Bourgeoisie den Arbeitern das Vereinigungsrecht, das sie erst erobert hatten, wegzunehmen. Durch das Dekret vom 14. Juni 1791 erklärten sie jede Koalition der Arbeiter als »ein Attentat auf die Freiheit und die Erklärung der Menschenrechte«, strafbar bis zu einer Busse von 500 Livres und dem Verlust des Rechtes eines aktiven Bürgers für ein Jahr. Dieses Gesetz, das durch Staatszwang den Kampf zwischen Kapital und Arbeit auf die dem Kapital genehmen Grenzen beschränkte, überlebte die Revolutionen und den Wechsel der Dynastien. Sogar die Terrorherrschaft liess es unberührt.

d) Genesis der kapitalistischen Pächter. Rückwirkung der landwirtschaftlichen Umwälzung auf die Industrie

Wo kommen die Kapitalisten ursprünglich her? Die Expropriation des Landvolkes schafft neben vogelfreien Proletariern unmittelbar nur grosse Grundeigentümer. Daneben können wir jedoch die Entstehung des Pächters sozusagen mit der Hand greifen, weil sie ein langsamer, über viele Jahrhunderte sich hinziehender Prozess ist. In England ist die erste Form des Pächters der selbst noch leibeigene Verwalter; er wird eine Art Halbpächter. Einen Teil des Betriebskapitals stellt er, den anderen der Landlord. Beide teilen das Produkt in einem vertraglich bestimmten Verhältnis. Diese Form macht dem eigentlichen Pächter Platz, der sein eigenes Kapital durch Verwendung von Lohnarbeit vermehrt und einen Teil des Mehrprodukts, in Geld oder natura, dem Landlord als Grundrente zahlt.

So lange, während des 15. Jahrhunderts, der unabhängige Bauer und der neben dem Lohndienst zugleich selbstwirtschaftende Ackerknecht sich selbst durch ihre Arbeit bereichern, bleiben die Umstände des Pächters und sein Produktionsfeld beschränkt. Die Agrarrevolution im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts erlaubt ihm die Aneignung von Gemeindeweiden usw. und damit grosse Vermehrung seines Viehbestandes fast ohne Kosten während ihm das Vieh reichlichere Düngemittel liefert. Im 16. Jahrhundert kommt ein wichtiges Moment hinzu. Damals waren die Pachtkontrakte lang. Der beständige Fall des Wertes der edlen Metalle und daher des Geldes verursachte das Steigen der Preise der landwirtschaftlichen Produkte während Pacht und Arbeitslohn blieben wie sie im Kontrakt vorgesehen waren. So bereicherte sich der Pächter gleichzeitig auf Kosten seiner Lohnarbeiter und seines Landlords. Am Ende des l6. Jahrhunderts besass England eine Klasse für die damaligen Verhältnisse reicher »Kapitalpächter«.

Die Enteignung und Verjagung eines Teils des Landvolkes setzt mit den Arbeitern nicht nur ihre Lebensmittel und ihr Arbeitsmaterial für das industrielle Kapital frei, sie schafft den inneren Markt.

Früher erzeugte und bearbeitete die Bauernfamilie die Lebensmittel und Rohstoffe, die sie nachher grösstenteils selbst verzehrte. Diese Rohstoffe und Lebensmittel wurden jetzt zu Waren; der Grosspächter verkaufte sie, in den Manufakturen fand er seinen Markt. Garn, Leinwand, grobe Wollenzeuge, Dinge, deren Rohstoffe sich im Bereich jeder Bauernfamilie vorfanden und von ihr zum Selbstgebrauch versponnen und verwebt wurden, verwandelten sich in Manufakturartikel, deren Absatzmarkt gerade wieder die Landdistrikte bildeten. Die vielen verstreuten Kunden, welche die einzelnen Handwerker bis jetzt in den zahlreichen kleinen auf ihre eigene Rechnung arbeitenden Produzenten gefunden hatten, konzentrieren sich jetzt zu einem grossen, vom industriellen Kapital versorgten Markt. So geht Hand in Hand mit der Expropriation früher selbstwirtschaftender Bauern und ihrer Lostrennung von ihren. Produktionsmitteln die Zerstörung des ländlichen Heimgewerbes, der Prozess der Scheidung von Manufaktur und Agrikultur.

e) Genesis des industriellen Kapitalisten

Das Aufkommen des industriellen Kapitalisten ging nicht in derselben allmählichen Weise vor sich wie das des Pächters. Zweifelsohne verwandelten sich manche kleine Zunftmeister und selbständige Handwerker oder auch Lohnarbeiter in kleine Kapitalisten, und (durch Ausbeutung von Lohnarbeit und entsprechende Akkumulation) allmählich in vollständige Kapitalisten. Indes entsprach der Schneckengang dieser Methode in keiner Weise den Handelsbedürfnissen des neuen Weltmarktes, welchen die grossen Entdeckungen Ende des 15. Jahrhunderts geschaffen hatten. Das Mittelalter hatte zwei verschiedene Formen des Kapitals überliefert, die in den verschiedensten nicht-kapitalistischen Gesellschaftsformen reifen, das Wucherkapital und das Kaufmannskapital. Das durch Wucher und Handel gebildete Geldkapital wurde durch die Feudalverfassung auf dem Lande, durch die Zunftverfassung in den Städten an seiner Verwandlung in industrielles Kapital gehindert. Diese Schranken fielen mit der Auflösung der feudalen Gesellschaft, mit der Expropriation und teilweisen Verjagung des Landvolkes. Die neue Manufaktur wurde in Seehäfen errichtet oder auf Punkten des flachen Landes, ausserhalb der Kontrolle des alten Städtewesens und seiner Zunftverfassung.

Die Entdeckung von Gold und Silber in Amerika, die Ausrottung, Versklavung und Vergrabung der eingeborenen Bevölkerung in die Bergwerke, die beginnende Eroberung und Ausplünderung von Ostindien, die Verwandlung von Afrika in ein Gehege zur Handelsjagd auf Schwarzhäute, bezeichnen die Morgenröte der kapitalistischen Produktionsära. Diese idyllischen Prozesse sind Hauptmomente der ursprünglichen Akkumulation. Auf dem Fusse folgt der Handelskrieg der europäischen Nationen, mit dem Erdrund als Schauplatz. Er wird eröffnet durch den Abfall der Niederlande von Spanien, nimmt Riesenumfang an in Englands Antijakobinerkrieg, spielt noch fort in den Opiumkriegen gegen China usw. Die verschiedenen Momente der ursprünglichen Akkumulation verteilen sich nun, mehr oder weniger in zeitlicher Reihenfolge, namentlich auf Spanien, Portugal, Holland, Frankreich und England. In England werden sie Ende des 17. Jahrhunderts systematisch zusammengefasst im Kolonialsystem, Staatsschuldensystem, modernen Steuersystem und Protektionssystem.

Diese Methoden beruhen zum Teil auf brutaler Gewalt, z. B. das Kolonialsystem. Alle aber benutzten die Staatsmacht, die konzentrierte und organisierte Gewalt der Gesellschaft, um den Verwandlungsprozess der feudalen in die kapitalistische Produktionsweise treibhausmässig zu fördern und die Übergänge abzukürzen. Die Gewalt ist der Geburtshelfer jeder alten Gesellschaft, die mit einer neuen schwanger geht. Sie selbst ist eine ökonomische Potenz.

W. Howitt, ein Mann, der aus dem Christentum eine Spezialität macht, sagt von dem christlichen Kolonialsystem:
»Die Barbareien und ruchlosen Gewalttaten der sogenannten christlichen Rassen in jedem Teil der Welt und gegen jedes Volk, das sie unterwerfen konnten, finden keine Parallele bei anderen Rassen, wie wild, ungelehrt und unbarmherzig diese auch sein mögen.«
Die Geschichte der Kolonialwirtschaft Hollands – und Holland war die kapitalistische Musternation des 17. Jahrhunderts – »ist voller Verrat, Bestechung, Massaker und Gemeinheit«.

Die englische Ost-Indien-Kompagnie erhielt ausser der politischen Herrschaft in Indien das ausschliessliche Monopol auf den Teehandel, sowie auf den chinesischen Handel im allgemeinen und auf den Transport von Gütern von und nach Europa. Der Küstenhandel Indiens und zwischen den Inseln sowie der Binnenhandel Indiens war jedoch das Monopol der höheren Angestellten der Kompagnie. Die Monopole auf Salz, Opium, Betel und andere Waren stellten unerschöpfliche Quellen des Reichtums dar. Die Angestellten setzten selbst die Preise fest und plünderten die unglücklichen Hindus nach Belieben aus. Der Generalgouverneur nahm an diesem Privathandel teil. Grosse Vermögen entstanden wie Pilze an einem Tag; die ursprüngliche Akkumulation ging vonstatten, ohne einen Schilling vorzuschiessen.

Die Behandlung der Ureinwohner war am schrecklichsten in den Pflanzungskolonien, die nur für den Export bestimmt waren, wie West-Indien, und den dem Raubmord preisgegebenen reichen und dicht bevölkerten Ländern, wie Mexiko und Ost-Indien.

Das Kolonialsystem reifte treibhausmässig Handel und Schiffahrt. Die »Gesellschaften Monopolia« (Luther) waren gewaltige Hebel der Kapitalkonzentration. Den aufschliessenden Manufakturen sicherten die Kolonien Absatzmarkt und eine durch das Marktmonopol vergrösserte Akkumulation. Der ausserhalb Europas direkt durch Plünderung, Versklavung und Mord erbeutete Schatz floss ins Mutterland zurück und verwandelte sich hier in Kapital. Im Jahr 1648 stand Holland, welches zuerst das koloniale System voll entwickelte, bereits auf dem Gipfel seiner Handelsgrösse und das holländische Volk war überarbeiteter, ärmer und brutaler unterdrückt als alle Völker des restlichen Europas zusammen.

Das System des öffentlichen Kredits, d. h. der Staatsschulden, deren Ursprung wir in Genua und Venedig bereits im Mittelalter entdecken, nahm Besitz von ganz Europa während der Manufakturperiode. Das Kolonialsystem mit seinem Seehandel und seinen Handelskriegen diente ihm als Treibhaus. So fasste es zuerst in Holland Wurzel. Die Staatsschulden, d. h. die Veräusserung des Staates – ob despotisch, konstitutionell oder republikanisch – drückt der kapitalistischen Ära ihren Stempel auf. Der einzige Teil des sogenannten Nationalreichtums, der wirklich in den Gesamtbesitz der modernen Völker eingeht, ist – ihre Staatsschuld. Die Staatsschuld wird zu einem der gewaltigsten Hebel der ursprünglichen Akkumulation. Wie mit dem Schlag der Wünschelrute begabt sie das unproduktive Geld mit Zeugungskraft und verwandelt es so in Kapital, ohne dass es dazu nötig hätte, sich der von industrieller Anlage und selbst privatem Wucher unzertrennlichen Mühewaltung und Gefahr auszusetzen.

Mit der Staatsschuld entstand ein internationale Kreditsystem, das häufig eine der Quellen der ursprünglichen Akkumulation versteckt. So bildeten die Gemeinheiten des venetianischen Raubsystems eine solche verbogene Grundlage des Kapitalreichtums von Holland, dem das verfallende Venedig grosse Geldsummen lieh. Ebenso verhält es sich mit Holland und England. Im Anfang des 18. Jahrhunderts waren die Manufakturen Hollands weit überflügelt. Holland hörte auf, die in Handel und Industrie vorherrschende Nation zu sein. Eines seiner Hauptgeschäfte von 1701 bis 1776 wird daher das Ausleihen ungeheurer Kapitalien, speziell an seinen grossen Konkurrenten England. Das gleiche gilt jetzt zwischen England und den Vereinigten Staaten.

Da die Staatsschuld ihren Rückhalt in den Staatseinkünften hat, die die jährlichen Zinszahlungen decken müssen, so wurde das moderne Steuersystem notwendige Ergänzung des Systems der Nationalanleihen. Die Anleihen befähigen die Regierung, ausserordentliche Ausgaben zu bestreiten, ohne dass der Steuerzahler es sofort fühlt, aber sie erfordern für die Folge erhöhte Steuern. Diese hohen Steuern führten zur gewaltsamen Enteignung von Bauern, Handwerkern und anderen Mitgliedern der kleinen Mittelklasse. Verstärkt wurde diese expropriierende Wirkung noch durch das Protektionssystem.

Das Protektionssystem (nach Colberts Muster) war ein Kunstmittel, Fabrikanten zu fabrizieren, unabhängige Arbeiter zu expropriieren, die nationalen Produktions- und Lebensmittel zu kapitalisieren, den Übergang aus der altertümlichen in die moderne Produktionsweise gewaltsam abzukürzen. Die europäischen Staaten rissen sich um das Patent dieser Erfindung, und einmal in den Dienst der Mehrwertmacher eingetreten, brandschatzten sie zu jenem Behuf das eigene Volk, indirekt durch Schutzzölle, direkt durch Exportprämien. Das ursprüngliche industrielle Kapital kam hier zum Teil direkt aus dem Staatsschatz. Kolonialsystem, Staatsschulden, Steuerwucht, Protektion, Handelskriege usw., diese Sprösslinge der eigentlichen Manufakturperiode, wachsen riesenhaft während der Kindheitsperiode der modernen Industrie. Die Geburt der letzteren wird gefeiert durch den grossen herodischen Kinderraub. Ein grosser Teil des heute in den Vereinigten Staaten ohne Geburtsbescheinigung erscheinenden Kapitals war gestern in England das kapitalisierte Blut von Kindern.

»Viele, viele Tausende dieser kleinen unglücklichen Wesen von 7 bis zu 13 oder 14 Jahren wurden von den verschiedenen Gemeindearbeitshäusern Londons, Birminghams und anderer Orte nach dem Norden gesandt. Es war Sitte, dass der Meister seine Lehrlinge kleidete, ernährte und in »Lehrlingshäusern« in der Nähe der Fabrik unterbrachte; Aufseher wurden bestellt, die nach den Arbeiten zu sehen hatten, in deren Interesse es lag, die Kinder bis zum äussersten auszunutzen, da ihre Bezahlung proportionell der Arbeitsmenge war, die sie erpressen konnten. Grausamkeit war die natürliche Folge… In vielen Fabrikbezirken wurden die herzzerreissendsten Grausamkeiten an den harmlosen und freudlosen Wesen verübt. Durch das Übermass an Arbeit wurden sie zu Tode gehetzt… sie wurden geprügelt, gefesselt und mit ausgesuchtester Grausamkeit gequält;… In vielen Fällen waren sie bis auf die Knochen ausgehungert, während sie zur Arbeit geprügelt wurden… in Einzelfällen wurden sie sogar zum Selbstmord getrieben… Die schönen romantischen Täler von Derbyshire, Nottinghamshire und Lancashire wurden zur schrecklichen Einöde der Qual und manchen Mordes. Der Profit der Fabrikanten war ungeheuer; aber das vergrösserte nur noch den Appetit anstatt ihn zu befriedigen und deshalb nahmen die Fabrikanten Zuflucht zu der Praxis der sogenannten ›Nachtschicht‹, d. h. nachdem sie eine Gruppe Arbeiter durch Tagesarbeit ermüdet hatten, stand ihnen eine andere Gruppe zur Verfügung für die Arbeit während der Nacht. Die Tagesgruppe ging in die Betten, welche die Nachtgruppe gerade verlassen hatte, und umgekehrt. In Lancashire ist es Volksüberlieferung, dass die Betten niemals abkühlten.«

Wenn das Geld, nach Augier, »mit natürlichen Blutflecken auf einer Backe zur Welt kommt«, so das Kapital von Kopf bis Zeh, aus allen Poren, blut- und schmutztriefend.

f) Geschichtliche Tendenz der kapitalistischen Akkumulation

Worauf kommt die ursprüngliche Akkumulation des Kapitals, d. h. sein historischer Ursprung hinaus? Soweit sie nicht unmittelbare Verwandlung von Sklaven und Leibeigenen in Lohnarbeiter, also blosser Formwechsel ist, bedeutet sie die Expropriation der unmittelbaren Produzenten, d. h. die Auflösung des auf eigener Arbeit beruhenden Privateigentums. Die darauf beruhende Produktionsweise unterstellt die Zersplitterung des Grund und Bodens und der übrigen Produktionsmittel. Wie die Konzentration der Produktionsmittel, so schliesst sie auch die Kooperation, Teilung der Arbeit innerhalb derselben Produktionsprozesse, die Kontrolle und produktive Anwendung der Naturkräfte durch die Gesellschaft, freie Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte aus. Auf einer gewissen Entwicklungsstufe bringt sie die materiellen Mittel ihrer eigenen Vernichtung zur Welt. Von diesem Augenblick regen sich neue Kräfte und Leidenschaften im Gesellschaftsschosse, aber die alte gesellschaftliche Organisation fesselt sie und hält sie nieder. Sie muss vernichtet werden, sie wird vernichtet. Ihre Vernichtung, die Verwandlung der individuellen und zersplitterten Produktionsmittel in gesellschaftlich konzentrierte, daher des zwerghaften Eigentums vieler in das massenhafte Eigentum weniger, daher die Expropriation der grossen Volksmasse von Grund und Boden und Lebensmitteln und Arbeitsinstrumenten, diese furchtbare und schwierige Expropriation der Volksmasse bildet die Vorgeschichte des Kapitals. Sie umfasst eine Reihe gewaltsamer Methoden, wovon wir nur die epochemachenden als Methoden der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals Revue passieren liessen. Die Expropriation der unmittelbaren Produzenten wird mit schonungslosem Vandalismus und unter dem Trieb der infamsten, schmutzigsten, kleinlichst gehässigsten Leidenschaften vollbracht. Das selbst erarbeitete, sozusagen auf Verwachsung des einzelnen unabhängigen Arbeitsindividuums mit seinen Arbeitsbedingungen beruhende Privateigentum wird verdrängt durch das kapitalistische Privateigentum, welches auf Ausbeutung fremder, aber formell freier Arbeit beruht, d. h. auf Lohnarbeit.

Sobald dieser Umwandlungsprozess nach Tiefe und Umfang die alte Gesellschaft hinreichend zersetzt hat, sobald die Arbeiter in Proletarier, ihre Arbeitsbedingungen in Kapital verwandelt sind, sobald die kapitalistische Produktionsweise auf eigenen Füssen steht, gewinnt die weitere Vergesellschaftung der Arbeit und weiterer Verwandlung der Erde und anderer Produktionsmittel in gesellschaftlich ausgebeutete, also gemeinschaftliche Produktionsmittel sowie die weitere Expropriation der Privateigentümer eine neue Form. Was jetzt zu expropriieren ist, ist nicht länger der selbstwirtschaftende Arbeiter, sondern der viele Arbeiter ausbeutende Kapitalist.

Diese Expropriation vollzieht sich durch das Spiel der immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktion selbst, durch die Zentralisation des Kapitals. Ein Kapitalist schlägt immer viele tot. Hand in Hand mit dieser Zentralisation oder der Expropriation vieler Kapitalisten durch, wenige entwickelt sich die kooperative Form des Arbeitsprozesses auf stets wachsender Stufenleiter, die bewusst technische Anwendung der Wissenschaft, die planmässige Kultivierung der Erde, die Verwandlung der Arbeitsmittel in nur gemeinsam verwendbare Arbeitsmittel, die Ökonomisierung aller Produktionsmittel durch ihren Gebrauch als Produktionsmittel kombinierter, gesellschaftlicher Arbeit, die Verschlingung aller Völker in das Netz des Weltmarktes und damit der internationale Charakter des kapitalistischen Regimes. Mit der beständig abnehmenden Zahl der Kapitalmagnaten, welche alle Vorteile dieses Umwandlungsprozsses usurpieren und monopolisieren, wächst die Masse des Elends, des Druckes, der Sklaverei, der Entartung, der Ausbeutung, aber auch die Empörung der stets anschwellenden und durch den Mechanismus des kapitalistischen Produktionsprozesses selbst geschulten, vereinten und organisierten Arbeiterklasse. Das Kapitalmonopol wird zur Fessel der Produktionsweise die mit und unter ihm aufgeblüht ist. Die Zentralisation der Produktionsmittel und die Vergesellschaftung der Arbeit erreichen schliesslich einen Punkt, wo sie unerträglich werden mit ihrer kapitalistischen Hülle. Sie wird gesprengt. Die Stunde des kapitalistischen Privateigentums schlägt. Die Expropriateure werden expropriiert.

Die aus der kapitalistischen Produktionsweise hervorgehende kapitalistische Aneignungsweise erzeugt das kapitalistische Privateigentum. Dies ist die erste Negation des individuellen, auf eigene Arbeit gegründeten Privateigentums. Aber die kapitalistische Produktion erzeugt mit der Notwendigkeit eines Naturprozesses ihre eigene Negation. Es ist die Negation der Negation. Diese stellt nicht das Privateigentum des Produzenten wieder her, wohl aber das individuelle Eigentum auf Grundlage der Errungenschaft der kapitalistischen Ära: der Kooperation und des Gemeinbesitzes der Erde und der Produktionsmittel.

Im früheren Fall handelte es sich um die Expropriation der Volksmasse durch wenige Usurpatoren, im letzteren handelt es sich um die Expropriation weniger Usurpatoren durch die Volksmasse.


Source: »Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie«, Offenbach/M., Bollwerk Verlag, 1949

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