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KARL MARX: DAS KAPITAL – KURZFASSUNG VON OTTO RÜHLE (II)


Content:

Inhaltsverzeichnis
I. Ware und Geld

4. Umwandlung von Geld in Kapital

a) Die allgemeine Formel des Kapitals
b) Kauf und Verkauf der Arbeitskraft

III. Die Produktion des absoluten Mehrwertes
IV. Die Produktion des relativen Mehrwertes
V. Die Produktion des absoluten und des relativen Mehrwertes
VI. Der Arbeitslohn
VII. Der Akkumulationsprozess des Kapitals

Fremdwörtererklärung und Anhang
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Der Produktionsprozess des Kapitals

II. Die Verwandlung von Geld in Kapital

4. Umwandlung von Geld in Kapital

a) Die allgemeine Formel des Kapitals

Die Warenzirkulation ist der Ausgangspunkt des Kapitals. Warenproduktion und die entwickeltere Warenzirkulation, Handel genannt, bilden die historischen Voraussetzungen, unter denen Kapital entsteht. Welthandel und Weltmarkt eröffneten im 16. Jahrhundert die moderne Lebensgeschichte des Kapitals. Historisch tritt das Kapital dem Grundeigentum überall zunächst in der Form von Geld gegenüber als Kaufmannskapital und Wucherkapital. Jedoch bedarf es nicht des Rückblickes, selbst heute betritt jedes neue Kapital in erster Instanz die Bühne, d. h. den Markt, Warenmarkt, Arbeitsmarkt oder Geldmarkt, immer noch als Geld, Geld das sich durch bestimmte Prozesse in Kapital verwandeln soll. Geld als Geld und Geld als Kapital unterscheiden sich zunächst nur durch ihre verschiedene Zirkulationsform. Die einfachste Form der Warenzirkulation ist W – G – W, Verwandlung der Waren in Geld und Rückverwandlung des Geldes in Waren, verkaufen um zu kaufen. Aber neben dieser Form finden wir eine zweite spezifisch verschiedene Form: G – W – G, Verwandlung des Geldes in Waren und Rückverwandlung der Waren in Geld, kaufen um zu verkaufen. Geld, das in der letzten Art zirkuliert, verwandelt sich in Kapital, wird Kapital und ist schon seiner Bestimmung nach Kapital.

In der ersten Phase G – W, Kauf, wird das Geld in eine Ware verwandelt. In der zweiten Phase W – G, Verkauf, wird die Ware in Geld rückverwandelt. Das Resultat, worin die Phasen des Prozesses verschwinden, ist der Austausch von Geld gegen Geld, G – G.

Der Kreislauf G – W – G wäre absurd und inhaltlos, hätte man die Ansicht, auf diese Weise zwei gleiche Summen Geld auszutauschen.

In der Zirkulation W – G – W wird das Geld schliesslich in Ware verwandelt, die als Gebrauchswert dient. Das Geld ist also endgültig ausgegeben. Die Zirkulation G – W – G beginnt dagegen mit Geld und endet mit Geld. Ihr treibendes Motiv und bestimmter Zweck ist daher der Tauschwert selbst. Eine Geldsumme kann sich von der anderen Geldsumme nur durch ihre Grösse unterscheiden. Der Prozess G – W – G schuldet seinen Charakter und seine Tendenz also keinem qualitativen Unterschied seiner Extreme, sondern nur ihrer quantitativen Verschiedenheit.

Die exakte Form dieses Prozesses ist daher G – W – G', wo G' = G + ΔG, [delta-G] d. h. gleich der ursprünglich vorgeschossenen Geldsumme plus Zuwachs. Diesen Zuwachs oder Überschuss über den ursprünglichen Wert nenne ich »Mehrwert«. Der ursprünglich vorgeschossene Wert erhält sich daher nicht nur in der Zirkulation, sondern setzt einen Mehrwert zu oder dehnt sich aus. Und diese Bewegung verwandelt ihn in Kapital.

Die einfache Warenzirkulation – der Verkauf für den Kauf – dient als Mittel für einen ausserhalb der Zirkulation liegenden Zweck, nämlich die Befriedigung von Bedürfnissen. Die Zirkulation des Geldes als Kapital ist dagegen Selbstzweck; denn die Ausdehnung des Wertes findet nur innerhalb dieser stets erneuerten Bewegung statt. Die Zirkulation des Kapitals hat daher keine Grenzen. Als bewusster Träger dieser Bewegung wird der Geldbesitzer Kapitalist. Seine Person oder vielmehr seine Tasche ist der Ausgangspunkt und der Rückkehrpunkt des Geldes. Die Ausdehnung des Wertes, welches die objektive Basis oder die Hauptursache der Zirkulation ist, wird sein subjektives Ziel und nur soweit wachsend Aneignung des abstrakten Reichtums das allein treibende Motiv seiner Operationen ist, funktioniert er als Kapitalist oder personifiziertes mit Willen und Bewusstsein begabtes Kapital. Der rastlos niemals endende Prozess des Profitmachens ist sein einziges Ziel. Dieser absolute Bereicherungstrieb, diese leidenschaftliche Jagd nach Tauschwert ist dem Kapitalisten mit dem Schatzbildner gemein, aber während der Schatzbildner lediglich ein verrückt gewordener Kapitalist ist, ist der Kapitalist der rationelle Schatzbildner. Die rastlose Vermehrung des Wertes, die der Schatzbildner anstrebt, indem er das Geld vor der Zirkulation zu retten sucht, wird von dem klügeren Kapitalisten erreicht, indem er es stets von neuem in die Zirkulation wirft.

Der Wert als Kapital kommt also aus der Zirkulation, geht wieder in sie ein, erhält und vervielfältigt sich in ihr, kehrt vergrössert aus ihr zurück und beginnt denselben Kreislauf stets von neuem. G – G', geldheckendes Geld lautet die Beschreibung des Kapitals im Munde seiner ersten Dolmetscher, der Merkantilisten.

In der Tat also ist G – W – G' die allgemeine Formel des Kapitals, wie es unmittelbar in der Zirkulationssphäre erscheint.

b) Kauf und Verkauf der Arbeitskraft

Die Änderung des Wertes des Geldes, das sich in Kapital verwandeln soll, kann nicht im Geld selbst stattfinden, denn als Kauf- oder Zahlungsmittel realisiert es nur den Preis der Waren, die es kauft oder bezahlt, und als hartes Geld ist es erstarrter, der sich niemals ändert. Ebensowenig kann die Veränderung dem Wiederverkauf der Waren entspringen, denn dieser Akt verwandelt die Ware bloss aus der Naturalform zurück in die Geldform. Die Veränderung entspringt dem Gebrauchswert der Ware, d. h. aus ihrem Verbrauch.

Um aus dem Verbrauch einer Ware Wert herauszuziehen, müsste unser Geldbesitzer so glücklich sein, auf dem Markt eine Ware zu finden, deren Gebrauchswert die eigentümliche Beschaffenheit besässe, Wertquelle zu sein, deren wirkliche Konsumtion also selbst Verkörperung von Arbeit und infolgedessen Wertschöpfung wäre.

Der Geldbesitzer findet auf dem Markt eine solche besondere Ware – das Arbeitsvermögen oder die Arbeitskraft. Hierunter verstehen wir den Inbegriff der geistigen und physischen Fähigkeiten, die in dem Menschen existieren, und die er in Bewegung setzt, so oft er Gebrauchswerte irgendeiner Art produziert. Die Arbeitskraft kann nur auf dem Markt als Ware erscheinen, sofern sie von ihrem Besitzer feilgeboten wird. Damit die Arbeitskraft als Ware verkauft werden kann, muss ihr Besitzer frei über sie verfügen können. Er und der Geldbesitzer begegnen sich auf dem Markt und sie verhandeln miteinander auf der Basis gleicher Rechte, mit dem einzigen Unterschied, dass der eine Käufer und der andere Verkäufer ist; beide sind daher in den Augen des Gesetzes gleich. Die Fortdauer dieses Verhältnisses erheischt, dass der Eigentümer der Arbeitskraft sie nur für eine bestimmte Zeitdauer verkauft. Verkauft er sie ein für allemal, würde er sich selbst verkaufen, sich selbst aus einem freien Menschen in einen Sklaven vom Eigentümer einer Ware in eine Ware verwandeln. Er muss sich beständig zu seiner Arbeitskraft als seinem Eigentum und daher seiner eigenen Ware verhalten. Das kann er nur dadurch tun, dass er sie dem Käufer nur für eine bestimmte Zeitperiode zur Verfügung stellt, also nicht durch ihre Veräusserung auf sein Eigentum an ihr verzichtet.

Damit also der Geldbesitzer die Arbeitskraft auf dem Markt als Ware vorfindet, ist es notwendig, dass ihr Besitzer, statt Waren verkaufen zu können, in denen sich seine Arbeit vergegenständlicht hat, vielmehr seine Arbeitskraft selbst als Ware feilbieten muss.

Zur Verwandlung von Geld in Kapital muss der Geldbesitzer also den freien Arbeiter auf dem Markt vorfinden, frei in dem Doppelsinn, dass er als freie Person über seine Arbeitskraft als seine Ware verfügt, dass er anderseits andere Waren nicht zu verkaufen hat, los und ledig, frei ist von allen zur Verwirklichung seiner Arbeitskraft nötigen Produktionsmitteln.

Diese eigentümliche Ware Arbeitskraft hat gleich allen anderen Waren einen Wert. Wie wird dieser Wert bestimmt? Der Wert der Arbeitskraft wird wie der jeder anderen Ware. durch die zur Produktion, also auch zur Reproduktion, dieses besonderen Artikels notwendige Arbeitszeit bestimmt. Die Arbeitskraft existiert nur als Anlage des lebenden Individuums. Ihre Produktion setzt also seine Existenz voraus. Die Existenz des Individuums gegeben, besteht die Produktion der Arbeitskraft in seiner eigenen Reproduktion oder Erhaltung. Zu seiner Erhaltung bedarf das lebendige Individuum einer bestimmten Quantität von Lebensmitteln. Die zur Produktion der Arbeitskraft notwendige Arbeitszeit reduziert sich also zu der für die Produktion dieser Lebensmittel notwendigen Arbeitszeit. Mit anderen Worten, der Wert der Arbeitskraft ist der Wert der zur Erhaltung des Arbeiters notwendigen Lebensmittel. Seine Lebensmittel müssen daher hinreichen, ihn in seinem normalen Zustand als arbeitendes Individuum zu erhalten. Seine natürlichen Bedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung, Heizung und Wohnung, sind je nach den klimatischen und anderen physikalischen Bedingungen eines Landes verschieden. Andererseits ist der Umfang seiner sog. notwendigen Bedürfnisse, wie auch die Art ihrer Befriedigung, selbst ein Produkt historischer Entwicklung und grossenteils von der Kulturstufe eines Landes abhängig. Für ein bestimmtes Land, zu einer bestimmten Periode ist jedoch die Durchschnittsquantität der für den Arbeiter notwendigen Lebensmittel. praktisch bekannt.

Die eigentümliche Natur dieser spezifischen Ware, der Arbeitskraft, bringt es mit sich, dass mit Abschluss des Vertrages zwischen Käufer und Verkäufer ihr Gebrauchswert nicht sofort in die Hand des Käufers übergeht. Ihr Gebrauchswert besteht in der nachträglichen Kraftäusserung, in der Konsumtion der Arbeitskraft. In allen Ländern kapitalistischer Produktionsweise wird die Arbeitskraft erst bezahlt, nachdem sie bereits während des im Vertrag festgesetzten Termines ausgeübt wurde, z. B. Ende jeder Woche. Überall schiesst daher der Arbeiter dem Kapitalisten den Gebrauchswert der Arbeitskraft vor; er gibt überall dem Kapitalisten Kredit.

Die Konsumtion der Arbeitskraft ist zugleich die Produktion von Waren und Mehrwert. Die Konsumtion der Arbeitskraft vollzieht sich wie im Falle jeder anderen Ware ausserhalb des Marktes oder der Zirkulationssphäre, innerhalb der verborgenen Stätte der Produktion.


Source: »Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie«, Offenbach/M., Bollwerk Verlag, 1949

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