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DER GOLGATHAWEG DER VERWANDLUNG DER PALÄSTINENSISCHEN BAUERN IN PROLETARIER


Content:

Der Golgathaweg der Verwandlung der palästinensischen Bauern in Proletarier
Vom osmanischen Gesetz zur grossen Revolte von 1933–1936
Die Geburt Israels und der Expropriationskrieg
Erneute Expropriationswelle mit dem Krieg von 1967
Das Kapital bringt seine eigenen Totengräber hervor
Anmerkungen
Source


Der Golgathaweg der Verwandlung der palästinensischen Bauern in Proletarier

Die Schaffung und die Entwicklung des Staates Israel werden von den Bourgeois als eines jener idyllischen Epen dargestellt, für die sie eine spezielle Vorliebe haben. Haben die niemals genug gerühmten Tugenden dieses kleinen Volkes, sein Arbeitseifer, sein Mut und seine Ausdauer, denn nicht etwa die Wüste zum Blühen gebracht? Dieses selbstgefällig verbreitete Märchen verschleiert in Wirklichkeit das Drama der Expropriation der Landbevölkerung. Gewiss haben alle Erdstriche, die einer nach dem anderen dem Eindringen des Kapitalismus geöffnet wurden, dieses Drama kennengelernt; in Palästina aber hat es sich – Fortschritt verpflichtet! – mit einem Ausmass von Zynismus und Barbarei abgespielt, das seinesgleichen sucht, überall haben die Kapitalisten versucht, diese Expropriation schlicht und einfach zu leugnen, um den rein philanthropischen (!) Zweck ihres Werkes nicht infragezustellen. In Palästina sind sie mit ihrer Behauptung »Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land« sogar soweit gegangen, selbst das Vorhandensein einer expropriierten Bevölkerung zu bestreiten. So macht man es sich freilich noch einfacher. »In der wirklichen Geschichte«, sagte schon Marx, »spielen bekanntlich Eroberung, Unterjochung, Raubmord, kurz Gewalt die grosse Rolle«. Für die Bourgeois waren »Recht und ›Arbeit‹ von jeher die einzigen Bereicherungsmittel, natürlich mit jedesmaliger Ausnahme von ›diesem Jahr‹. In der Tat sind die Methoden der ursprünglichen Akkumulation alles andere, nur nicht idyllisch«[1].

Das »Paradies« in der Negev-Wüste, der blühende Anbau von Südfrüchten und Avocados im Küstenflachland, wie auch der industrielle Boom setzen (und sei es auf der Ebene eines ganz kleinen Landes) die völlige Enteignung der palästinensischen Bauern voraus. Die Geschichte ihrer Expropriation ähnelt der der englischen Bauern, von der Marx sagte, dass sie »in die Annalen der Menschheit mit Zügen von Blut und Feuer«[2] eingeschrieben ist.

Vom osmanischen Gesetz zur grossen Revolte von 1933–1936

Der Golgathaweg der ursprünglichen Akkumulation oder besser gesagt seine palästinensische Neuauflage, die nur den auffälligsten Akt eines Dramas bildet, das die gesamte Region betroffen hat, findet in der Mitte des vorigen Jahrhunderts seinen Anfang. Genauer gesagt, im Jahre 1858, wo das Osmanische Reich, dem Palästina neben anderen Ländern des Nahen Ostens angehörte, das Gesetz über Grundeigentum verkündete. Dieses archaische und überalterte Reich konnte, und sei es auch nur für eine kurze Zelt, mit den modernen Mächten Europas nur dadurch konkurrieren, dass es seinen Druck auf die bäuerlichen Massen verschärfte. Der Zweck dieses Gesetzes bestand darin, an die Stelle des bisherigen Gemein- oder Stammeseigentums das individuelle Bodeneigentum treten zu lassen. Anstatt auf kollektive Weise, mussten die Steuern von nun an Individuell entrichtet werden. Im Fall von Nichtzahlung konnte der Einzelne somit persönlich zur Verantwortung gezogen werden, was einen schwächeren Widerstand gegen die Erhöhung der Steuerlasten durch den Staat zur Folge hatte.

Die Bauern, die am Ertrag und an der Verwendung des Bodens nach den Regeln der dörflichen oder Stammesorganisation teil hatten, reagierten auf das Gesetz auf unterschiedliche Weise. Einige weigerten sich ganz einfach, das Gesetz zu befolgen und liessen ihren Bodenbesitz nie amtlich eintragen. Sie waren es, die dann 1948 bei der Schaffung des Staates Israel unter dem Vorwand, dass sie keinerlei Eigentumstitel besässen, von ihrem Land vertrieben wurden. Andere deklarierten dem Staat nur das jährlich bebaute Drittel ihres Bodens und liessen die zwei brachliegenden Drittel beiseite. Wieder andere liessen eine Fläche eintragen, die noch kleiner als der bebaute Teil war, denn sie wussten sehr wohl, dass der osmanische Staat nicht in der Lage war, wirklich jeden zu kontrollieren. Zahlreiche Dörfer schliesslich liessen ihren gesamten Boden auf den Namen von Notabeln eintragen, da diese weniger Steuern zahlten oder davon sogar gänzlich befreit waren. Sie machten sich somit die Sitte des Osmanischen Reichs zunutze, das aufgrund seiner Entfernung gezwungen war, sich die Notabeln zu kaufen, um zu verhindern, dass sie sich an die Spitze der bäuerlichen Revolten gegen die Zentralmacht stellten.

Die Anwendung des Gesetzes hatte also eine Stärkung der Rolle der Notabeln zur Folge. Ursprünglich waren sie zu Eigentümern geworden, um den Bauern einen »Dienst zu erweisen«. Aber es musste unvermeidlich der Tag kommen, wo ihre Nachkommen versuchen würden, sich diesen Eigentumstitel, den keiner gewollt hatte, zunutze zu machen. Was den Staat anbelangt, so machte er von jener Vorschrift des Gesetzes Gebrauch, derzufolge der herrenlose Boden (in Wirklichkeit der brachliegende oder nicht eingetragene Boden) als Staatseigentum angesehen wurde (dieses Land wurde MIRI genannt), und er begann damit, aufgrund seines Eigentumsrechts riesige Landstriche an libanesische, syrische, ägyptische und iranische Kaufleute zu verkaufen. Letztere versuchten, von dem Boden wirklich Besitz zu ergreifen, was ihnen je nach dem Widerstand der Bauern mehr oder weniger gut gelang. Diejenigen, die hierbei nicht erfolgreich waren, bewahrten ihre Eigentumstitel auf, um sie dann einige Jahre später zu recht einträglichen Preisen an die zionistischen Organisationen abzutreten.

Tabelle 1:
Herkunft des jüdischen Bodenbesitzes nach Art des Verkäufers
(1920 – 1936)
Zeitpunkt des Kaufs Proz. Anteil d.v. abwesenden Eigentümern gekauften Landes Proz. Anteil d.v. ansässigen Grossgrundbesitzern überlassenen Landes Proz. Anteil d.v. Fellachen abgegebenen Landes
1920 – 1922 75,4 20,8 3,8
1923 – 1927 86 12,4 1,6
1928 – 1932 45,5 36,2 18,3
1933 – 1936 14,9 62,7 22,5
Quellen: A. Granott, »The Land System in Palestine«, London, 1952, zitiert von N. Weinstock, »Das Ende Israels?«, Wagenbach, 1975, S. 137.

Dieser Prozess führte zu einer wachsenden Konzentration des Grundeigentums, obgleich die wirtschaftlichen Strukturen noch keine tiefgreifende Umwälzung durchgemacht hatten, da ja die Bauern, wenn auch nur ein Teil des Bodens ihr juristisches Eigentum war, im allgemeinen in dessen tatsächlichem Besitz waren. So sah die Lage am Vorabend des Ersten Weltkrieges aus, an dessen Ende das Osmanische Reich seinen Platz an Grossbritannien abtreten musste. Das Interesse Grossbritanniens an Palästina erklärt sich einerseits durch die strategische Bedeutung dieses in der Nähe des Suez-Kanals gelegenen Gebiets und andererseits durch die Absicht, dem Entstehen einer grossen nationalen antiimperialistischen Bewegung durch die Schaffung eines abhängigen Staates zuvorzukommen, der dieses Gebiet, wo ein einheitliches Nationalgefühl zu erwachsen begann, zerteilen sollte. Das Spiel des britischen Imperialismus fiel mit den Interessen des zionistischen Kapitals zusammen, um in einen gemeinsamen Plan zu münden, der die Schaffung dieses Staates als einem lokalen Wachhund und einem kolonialistischen Unternehmen zugleich vorsah.

Wenn das zionistische Kapital auch schon vor dem Zusammenbruch des Osmanischen Reichs versuchte, in Palästina Siedlungen zu errichten, so konnte es seinen Plan erst unter dem britischen Mandat, insbesondere mit Hilfe der Rothschild-Stiftung[3], auf grosser Stufenleiter verwirklichen, wobei es diesmal aber die Produktionsverhältnisse von Kopf bis Fuss umwälzte. Das Aufkaufen von Land durch die JCA (Jewish Colonizatian Association), die zu diesem Zwecke gegründet worden war, konnte natürlich nichts anderes bedeuten als die Beseitigung der palästinensischen Pächter und Bauern. In der Tat, wenn auch die Eigentumstitel für diesen Boden in den in den Händen der abwesenden (d. h. nicht auf den Gütern ansässigen) Grossgrundbesitzer lagen, die sie ohne Schwierigkeiten zum grössten Teil schon in den ersten Jahren abgaben (siehe die Zahlen der Tabelle 1), so bildete der Boden auf den diese Eigentumstitel lauteten, für die palästinensischen Bauern doch die unerlässliche Lebensgrundlage.

Der enteignete Fellache wurde also zum Landarbeiter auf seinem eigenen Boden. Die grausame Ausbeutung der lokalen Arbeitskräfte durch das jüdische Kapital Anfang des Jahrhunderts verschärfte sich noch durch das Prinzip der »Jüdischen Arbeit«, das zum Schutze der kolonialistischen Niederlassungen angewandt wurde und aufgrund dessen der Eingewanderte den Fellachen von seiner Arbeit vertrieb. Die zionistischen Fonds Übernahmen die Aufgabe, die Lohndifferenz zu zahlen, um die Einstellung europäischer Arbeitskräfte zu ermöglichen. Auf die Dauer freilich musste diese Lage zu gewaltsamen Zusammenstössen führen, hatte man den vertriebenen Bauern doch nur noch die Möglichkeit gelassen, zu krepieren, während sie zuschauen durften, wie sich die Kolons auf ihrem Boden niederliessen. Aus diesem Grunde kam es zu den fast ständigen sozialen Revolten von 1921, 1925, 1929, 1933, 1936 usw.

1921, drei Jahre nach der Ankunft der Engländer, hatte sich die Lage so zugespitzt, dass ein wahrhaftiger Aufstand im ganzen Land losbrach. Die hiervon am meisten betroffenen Gebiete waren Safad im Norden sowie Hebron und Jerusalem im Zentrum. Die Wut der Bauern richtete sich im wesentlichen gegen die Zionisten, deren Siedlungen hart angegriffen wurden. Die englische Armee, die für diese Art von Mission schon immer eine Schwäche hatte, übernahm die Aufgabe, »Ruhe und Frieden« wiederherzustellen. Sie musste, selbstverständlich aus edlen Beweggründen heraus, die »Minderheit« von Verantwortungslosen unterdrücken, und es kam zu Massenhinrichtungen, Erhängungen usw. Diese Unruhen fanden in der Revolte von 1936, die drei Jahre dauerte und in den Städten von einem hervorragenden sechsmonatigen Generalstreik begleitet wurde ihren Höhepunkt. Die diese Revolte tragende Kraft war nicht mehr die Bauernschaft oder die Bourgeoisie, sondern bereits das seiner Arbeit und Subsistenzmittel beraubte Landproletariat und die entstehende, vor allem in den Häfen und in der Erdölraffinerie von Haifa konzentrierte Arbeiterklasse. Man muss im übrigen festhalten, dass diese Bewegung zunächst von den Städten ausging, um dann sehr schnell auf das Land überzugreifen, wo eine Guerilla entstand, die sowohl die palästinensischen Grundbesitzer als auch die englischen und zionistischen Kolonisatoren angriff. In der Tat gab es zahlreiche Grundbesitzer, die von den palästinensischen Revolutionären angegriffen wurden, well sie das Land den Zionisten verkauft hatten: Für die enteigneten Bauern war es klar, dass ihr Elend war, an dem sich die Bodenspekulanten bereicherten.

Aufgrund der stalinistischen Konterrevolution und dem Fehlen einer proletarisch-revolutionären Bewegung in Europa, die in der Lage gewesen wäre, der palästinensischen Revolte zu Hilfe zu eilen, standen die palästinensischen Revolutionäre der Kriegsmaschinerie des britischen Imperialismus ganz allein gegenüber. Nichtsdestoweniger war letzterer gezwungen, den Waffenterror mit Unabhängigkeitsversprechen und ähnlichen Manövern zu begleiten, um der Revolte ein Ende zu bereiten. Er musste sogar die in seinem Dienste stehenden arabischen Feudalherren und die kleinen Könige der Region zu Hilfe rufen. Letztere haben die Palästinenser »brüderlich« dazu aufgerufen, die Waffen schweigen zu lassen und den guten Absichten der Regierung seiner Majestät zu vertrauen. Und damit sie diesen Aufruf besser vernahmen, half man noch ein wenig nach: für die Widerstandskämpfer, die versuchten nach Transjordanien zu fliehen oder sich dort Waffen und Lebensmittel zu besorgen, sowie auch für diejenigen aus diesem Gebiet, die sich freiwillig den Aufständischen anschliessen wollten, wurden die Grenzen von Transjordanien geschlossen (wo damals Prinz Abdallah, der Grossvater des heutigen Schlächters von Amman, herrschte, der 1952 dann von einem Palästinenser ermordet wurde).

Aus dieser Epoche stammen auch die Gesetze über die Kollektivhaftung der arabischen Dörfer und Distrikte, jene terroristischen Köstlichkeiten, die der halb-barbarische orientalische Despotismus an die Zivilisation des westlichen Kapitalismus weitervererbt hat. Dem Wortlaut dieser Gesetze zufolge sind die Dorfbewohner gezwungen, die Polizeiabteilungen bei ihren Strafverfolgungen zu beherbergen, und die Bevölkerung wird für die in diesem Gebiet vorkommenden Aktionen, von wem auch immer sie ausgehen, als verantwortlich betrachtet. Sie untersteht also dem Kriegsrecht, und zur Abschreckung dürfen alle Wohnungen, wohin sich »Aufständische« geflüchtet haben, zerstört sowie Internierungen von den Behörden vorgenommen werden. So wurden zum Beispiel nach einer Operation, die eine Telefonleitung in Galiläa kappte, drei Dörfer von der britischen Armee belagert. Alle Männer mussten sich in einer Reihe aufstellen, und dann wurde abgezählt: diejenigen, die dаs Pech hatten, die Zahl 10, 20, 30 usw. zu erwischen, wurden vor den Augen aller Dorfbewohner erschossen.

Mit solchen Methoden also beabsichtigte das christliche und demokratische England, die Revolte der landlosen, brotlosen und arbeitslosen Bauern niederzuschlagen. 30 000 Soldaten wurden damit beauftragt, eine Bevölkerung zu kontrollieren, die nicht einmal 800 000 Einwohner überschritt! Alle Streikführer wurden eingekerkert. Die feudalen und religiösen Notabeln, die sich an die Spitze der Bewegung setzten, leisteten den Kolonialisten dabei eine entscheidende Hilfestellung: in Verbindung mit dem Prinzen Abdallah, der ein so grausames Gedenken hinterliess, waren sie ständig bemüht, den Kampf zu hintertreiben, indem sie sich zusammen mit den Engländern auf die Suche nach einer »Lösung« der Situation machten. Die Briten starteten eine Grossoffensive, während derer die aufständischen Dörfer bombardiert wurden (ein gutes Beispiel, dem die Israelis heute nacheifern). Die Bilanz: 5000 Palästinenser kamen um und 2500 wurden verhaftet.[4]

Die heldenhafte Tatkraft, die die palästinensischen Arbeiter und Bauern in jenen Jahren unter Beweis stellten, wurde gebrochen. Die fürchterliche Isolierung, in der sie sich aufgrund der internationalen Lage befanden, verhinderte jede Erweiterung des Horizonts, die ein Zusammenfliessen dieser Revolte mit dem Kampf der ausgebeuteten Massen des gesamten Gebiets gegen des koloniale Joch und die alten Klassen ermöglicht hätte. Darüber hinaus wurde diese Revolte von dem lastenden Gewicht der sozialen Rückständigkeit des Landes gelähmt, die sich auch in der halbfeudalen und halbreligiösen Führung dieser Bewegung ausdrückte.

Wenn die Arbeiterklasse keine grössere Rolle spielen konnte, so auch weil die Partei, die sie zu vertreten vorgab, nämlich die Kommunistische Partei Palästinas, einer völlig falschen Orientierung folgte, die im übrigen von der Internationale, an der nurmehr der Name kommunistisch war, noch verschlimmert wurde. Anstatt sich von einer religiösen und reaktionären Führung abzugrenzen, wurde die KPP, in der mehrheitlich antizionistische jüdische Arbeiter, aber auch eine Minderheit von arabischen Arbeitern kämpften, von der stalinisierten Internationale dazu gezwungen, den Mufti von Palästina, Hadj Amin Husseini, zu unterstützen, der eine Art Vorwegnahme von Khomeini, wenn noch nicht Schlimmeres war. Eine solche Haltung musste die Proletarier völlig desorientieren und die Entwicklung nationalistischer Tendenzen auf beiden Seiten begünstigen. Die arabischen Arbeiter, die feststellen mussten, dass ihre Partei den reaktionärsten Flügel der Bewegung unterstützte, verliessen die Partei, um sich weniger gemässigten, nationalistischen Organisationen anzuschliessen; die jüdischen Arbeiter ihrerseits konnten eine solche Position nicht unterstützen, ohne gleichzeitig, völlig entwaffnet, der verlogenen »antifeudalen« Propaganda des Zionismus ausgeliefert zu sein. Hier wie anderswo hat die stalinistische Konterrevolution die Klassenpartei völlig zerstört, was ihr in Palästina mit umso grösserer Leichtigkeit gelingen konnte, als das Proletariat hier erst im Entstehen und vor allem, bedingt durch die koloniale Situation, fürchterlich zersplittert war.

Die Revolte von 1933–1936, so mutig sie auch war, endete also im völligen Fiasko. Trotz des zeitweiligen Rückzugs Grossbritanniens, das sich gezwungen sah, für einige Jahre die jüdische Einwanderung zu beschränken, wurde die zionistische Bewegung immer stärker. Die palästinensische Bewegung versank in einer derartigen Verbitterung und Enttäuschung, dass man zweifelsohne behaupten kann, dass der schmerzliche Ausgang des Krieges von 1948 teilweise bereits 1936 vorprogrammiert war.

Die Geburt Israels und der Expropriationskrieg

Am Ende dаs zweiten Weltkrieges begann das alte englische Empire, seinen Posten an den imperialistischen amerikanischen Koloss abzutreten. Der zionistischen Bewegung kam dies um so mehr gelegen, als die englische Präsenz ihr unangenehm, ja geradezu unerträglich geworden war, was einige zionistische Gruppen, die so schnell wie möglich ihren Staat aufbauen wollten, dazu veranlasste, eine anti-englische, terroristische Bewegung zu bilden, in der sich übrigens Begin seine ersten Sporen verdiente. Grossbritannien verlangte es nur noch danach, seine Verantwortung für Palästina loszuwerden, und es reichte den Kelch an die UNO weiter, dieser neuen »Räuberhöhle«, die auf den Trümmern des zusammengebrochenen Völkerbundes aufgebaut worden war.

Die Vorbereitungen für die Bildung eines jüdischen Staates führten 1947 zum israelisch-arabischen Krieg. Während die Delegierten der tugendhaften bürgerlichen Nationen in den prunkvollen Salons der UNO noch lang und breit darüber schwatzten, ob wohl ein Jude und ein Araber zusammenleben können, ohne sich gleich an die Gurgel zu wollen (tja, mein Lieber, bei diesen Orientalen weiss man ja nie so richtig…), oder ob es nicht besser sei, sie durch Stacheldraht voneinander abzuschirmen, wurde am 14. Mai 1948 der Staat Israel gegründet. Dies führte zu einem regelrechten Wettrennen zwischen Truman und Stalin, denn jeder wollte diesen neuen Staat als erster anerkennen. Vor allem aber wurde hiermit die Jagd auf die Palästinenser auf breitester Ebene eingeläutet.

Bislang hatte die Geschichte nur einen Vorgeschmack für die kapitalistische Barbarei geliefert. So viel ruinierte Bauern wie möglich aus dem Land hinauszuschmeissen, war von nun an erklärtermassen das Ziel. Der Golgathaweg der schottischen Bauern, den Marx beschrieben hatte, fand hier seine Neuauflage auf grosser Stufenleiter: »Lichtung und Vertreibung des Volks werden von den Eigentümern« [d. h. in unserem Falle den Zionisten] »als festes Prinzip verfolgt, als eine agrikole Notwendigkeit, ganz wie Bäume und Gesträuch in den Wildnissen Amerikas und Australiens weggefegt werden, und die Operation geht ihren ruhigen geschäftsmässigen Gang.«[5]

In der Tat war der Enteignungsprozess in gewissen Gebieten weniger fortgeschritten als in anderen: so hatten die Zionisten an dem bergigen Mittelpalästina weniger Interesse; ausserdem sollte sich der Staat Israel im Rahmen einer von der UNO gepredigten Aufteilung nur einen Teil Palästinas zu eigen machen. Der tatsächlich besetzte Teil war jedoch grösser als im Aufteilungsplan vorgesehen, wenn auch das Westjordanland und der Gazastreifen der zionistischen Eroberung vorläufig entgingen. Ersteres fiel dem Prinzen Abdallah zu, der bei dieser Gelegenheit von den Engländern zum König von Jordanien ernannt wurde, während der Gazastreifen an Ägypten ging. Nahezu eine Million palästinensischer Arbeiter und Bauern wurden aus ihren Häusern vertrieben. Diesmal machte sich die Bourgeoisie nur lustig über das hochheilige Eigentumsrecht, die Legalität und andere Bauernfängereien. Die brutale Gewalt, der Terror, das Massaker und die Ausrottung wurden zum höchsten Gesetz erhoben, um als Grundlage für die gesamte spätere Legalität zu dienen.

Man braucht die elenden Bedingungen, in die die palästinensischen Massen abgeschoben wurden, gar nicht erst zu beschreiben. Sie standen den Konzentrationslagern in nichts nach[6], aus denen ja gerade erst jene hunderttausenden von Juden gekommen waren, die vom Imperialismus nach Palästina getrieben worden waren und denen man weisgemacht hatte, der wiedergefundene Garten Eden würde dort auf sie warten. Sicher jedoch ist, dass diese Millionen von Entwurzelten, von zwangsweisen Arbeitslosen das wacklige regionale Gleichgewicht für immer brechen und zum Epizentrum der sozialen Revolten des Mittleren Ostens werden sollte.

Trotz des verbissenen Versuchs der israelischen Behörden, die grösstmögliche Zahl von Palästinensern zu vertreiben – wobei sie weitgehend erfolgreich waren – ist es doch einer Minderheit gelungen, dazubleiben: 1948 lebten ungefähr 170 000 Palästinenser innerhalb des Staates Israel. Heute sind es mehr als 500 000. Diese Bevölkerung hat eine unerhörte Unterdrückung erleiden müssen, die vielleicht nur in den afrikanischen Siedlerkolonien ihresgleichen findet. Die palästinensische Bevölkerung wurde unter das Caudinische Joch[7] eines ausgesprochen grausamen Militärregimes gezwängt, dessen »legale« Grundlage übrigens nichts anderes als die berühmten britischen Erlasse aus der Mandatsperiode waren, zu denen u. a. die 1945 verkündeten Emergency Defence Regulations zählten, die zur Bekämpfung der jüdischen Widerstandsbewegungen gegen die britische Besetzung dienen sollten.

Hier sind die betroffenen Zeugen. Für den ersten »geht es um folgende Frage: Wird man uns alle dem legalen Terror unterwerfen? (…) Oder werden wir die Freiheit des Individuums bewahren können? Werden die Behörden in das Leben eines jeden Individuums eingreifen können, ohne dass eine Garantie für unser Leben besteht? Der Bürger hat keine einzige Garantie gegen eine willkürliche Verhaftung auf Lebenszeit (…) Es gibt weder Möglichkeiten der Beschwerde (…) noch der Berufung (…) Es steht den Behörden absolut frei, einen Bürger nach Gutdünken zu deportieren. Es bedarf nicht einmal eines wirklichen Vergehens. Eine Anordnung in einem dieser Büros genügt bereits, und das Schicksal eines Menschen ist entschieden.« Der zweite erklärte: »Für das Regime, das mit der Verkündung der Defence Regulations in Palästina errichtet worden ist, gibt es in keinem einzigen zivilisierten Land ein entsprechendes Beispiel. Selbst in Nazi-Deutschland gab es nicht solche Gesetze.« Diese Erklärungen wurden auf einem Juristentreffen gemacht, das am 7. Februar 1946 in Tel-Aviv stattfand, um gegen die … englische koloniale Unterdrückung zu protestieren. Die erste Bemerkung stammt von Bernard Dov Joseph, dem späteren israelischen Justizminister, die zweite von J. Shapira, der zum Oberstaatsanwalt der Israelischen Republik werden sollte.[8] Es dauerte keine zwei Jahre, und diese »Nazi«-Barbarei wurde von den Zionisten gegen die Palästinenser angewandt.

Aber die koloniale Raubgier Israels, dieses monströsen Gebildes, das aus der Umarmung des Zionismus mit dem westlichen Kapitalismus gezeugt wurde, gab sich mit dieser barbarischen Gesetzgebung noch lange nicht zufrieden. Man musste das terroristische Arsenal der Defence Regulations noch perfektionieren, was man dann auch mit den weiteren verabschiedeten Gesetzen tat, die – unter dem Deckmantel des Kriegszustandes – darauf abzielten, die Plünderungen zu legalisieren.

Eines der Meisterwerke dieser Gesetzgebung war das »Gesetz über das Eigentum der Abwesenden«. Als Abwesender betrachtet wurde dem Gesetzestext zufolge »jede Person, die in der Periode vom 19. November 1947 bis zum 19. Mai 1948 Eigentümer eines Stück Bodens in Israel war und die in dieser Periode Bürger des Libanon, Ägyptens, Saudi-Arabiens, Jordaniens, des Irak oder Jemen war; oder sich in diesen Ländern oder irgendwo in Palästina ausserhalb von Israel aufgehalten hat; – oder palästinensischer Bürger war und den Wohnort in Palästina verlassen hat, um sich in einem Gebiet niederzulassen, das von Mächten beherrscht wurde, die gegen die Errichtung dаs Staates Israel kämpften.«[9]

In dem angegebenen Zeitraum hatten zahlreiche Menschen ihren Aufenthaltsort gewechselt, um aus den Gebieten, wo sich die schärfsten Auseinandersetzungen abspielten, zu fliehen. Man kann sich vorstellen, wie viele Bauern, die als abwesend betrachtet wurden, während sie sich nur einige hundert Meter weiter niedergelassen hatten, zusehen mussten, wie ihr Land konfisziert wurde. Eine andere tugendhafte Eigenschaft dieses Gesetzes bestand darin, dass es die Beschlagnahme der Kirchenländereien und -güter (mehr als 6 %) ermöglichte: Gott selbst war abwesend!

Ein anderes Gesetzesmonument waren die berüchtigten »Notstandsverordnungen«. Damit können bestimmte Gebiete zu »Sperrzonen« bzw. »Sicherheitszonen« erklärt werden. Sie dürfen dann nur mit einer schriftlichen Genehmigung der Militärregierung betreten werden. Laut einer anderen Verfügung hatten die Bewohner eines Dorfes, wenn es zur »Sicherheitszone« erklärt worden war, nicht mehr das Recht, dort weiterhin zu wohnen. Mehr als 12 Dörfer in Galiläa mussten aus diesem Grunde aufgegeben werden: so will es das Gesetz! Noch weitere Regelungen ähnlicher Art wurden getroffen. Während so zum Beispiel die eine Verfügung es ermöglichte, bestimmte Regionen zu »zeitweiligen Sicherheitszonen« zu erklären, was dazu führte, dass die Bauern ihr Land nicht bebauen konnten, gab es gleichzeitig eine andere, die den Staat dazu autorisierte, den Boden, der »eine bestimmte Zeit lang nicht bebaut wurde«, zu konfiszieren. Dem Gesetz geht auch nichts durch die Lappen…

Die »Notstandsverordnungen« von 1949 ergänzten und vollendeten dieses herrliche juristische Bauwerk der englischen »Notstandsgesetze« von 1945. Sie statten die Militärbehörde mit allen Vollmachten aus, damit sie die »öffentliche Sicherheit« gewährleisten kann. So hat sie das Recht, Wohnungen und Fahrzeuge zu durchsuchen, Haftbefehle auszustellen, Prozesse im Schnellverfahren anzustrengen, die hinter geschlossenen Türen ablaufen und bei denen keine Berufung eingelegt werden kann, die Bewegungsfreiheit der Personen zu beschränken, ihre Wohnsitze zu bestimmen und sie ins Ausland zu deportieren. So genehmigt zum Beispiel der Artikel 119 die Konfiszierung von Land, während der Artikel 109 es der Armee erlaubt, jeder Person den Aufenthalt in den von ihr bestimmten Gebieten zu untersagen und ihr Restriktionen aufzuerlegen, die die Aufnahme und Ausübung einer Arbeit betreffen. Die Erklärung für eines der Geheimnisse der Demokratie wird hier greifbar: sie kann es sich leisten, die offene Gewalt der Klassenunterdrückung – zu der hier noch die Rassen- und nationale Unterdrückung hinzukommt – mit dem scheinheiligen Schleier des Rechts zu versehen.[10]

Mit diesen Mitteln also hat der Zionismus für das Kapital das Land von seinen Bewohnern gesäubert. Man kann sagen, dass die Expropriation der palästinensischen Bauern in den 1948 eroberten Gebieten heute so gut wie abgeschlossen ist.[11] Die Bodenknappheit erstreckt sich sogar auf die Städte und Dörfer, wo die Bevölkerung zusammengepfercht ist und wo das zur Bebauung frei gegebene Gelände ausgesprochen begrenzt ist.

Was aus jener, 1948 noch vorwiegend bäuerlichen Bevölkerung, die in Israel geblieben ist, geworden ist, lässt sich aus der Tabelle 2 ersehen:

Tabelle 2:
Verteilung der arabischen Arbeitskräfte auf die wichtigsten Tätigkeitsbereiche
in % 1954 1966 1972
Landwirtschaft 59,9 39,1 19,1
Industrie 8,2 14,9 12,5
Baugewerbe und öffentl. Arbeiten 8,4 19,6 26,6
andere Bereiche 23,5 26,4 41,8
Gesamt 100 100 100
Source: «Annuaire statistique d’Israël», 1955 – 1973.

Es ist nicht unwichtig festzustellen, dass fast alle im industriellen Bereich beschäftigten Araber Lohnarbeiter sind. Die in der Landwirtschaft tätige Bevölkerung setzt sich zu 58 % aus Proletariern zusammen, was bedeutet, dass 1972 nur noch weniger als 10 % der israelischen Araber an die Scholle gefesselt sind. Was die Dienstleistungen anbelangt, so werden sie mehrheitlich von Lohnarbeitern erbracht, so dass bereits 1970 die Arbeiter und ihnen Gleichgestellten 72,6 % der arbeitenden arabischen Bevölkerung ausmachten.[12] Die neue Generation der in Israel lebenden Palästinenser besteht also im wesentlichen aus Proletariern, obgleich sie weiterhin auf dem Lande wohnen (1967 lebten 76 % der palästinensischen Bevölkerung dort). Das ihnen Unterkunft gewährende Dorf ist zu einem Ghetto geworden, in das der Staat Israel sie einzusperren versucht. Diese überausgebeuteten und unterbezahlten Arbeiter (in manchen Fällen erhalten sie für die gleiche Arbeit nur den halben Lohn) sind gezwungen, stundenlange Fahrten in aus den Nähten platzenden Autobussen auf sich zu nehmen, um zu ihrer Arbeit und wieder zurück zu kommen.

Diese Proletarier haben einen Golgathaweg durchgemacht, der ihnen Elend, Kriege, Demütigungen und Massaker bescherte, die sich in ihr Gedächtnis tief eingegraben haben.[13] Der Notstand wurde 1966 zwar aufgehoben, was aber keineswegs die Aufhebung der ihn charakterisierenden Gesetze bedeutet. Die Vorrechte der Militärmacht wurden nur auf die verschiedenen Stellen der Zollverwaltung, insbesondere auf die der … Polizei übertragen. »Welche Rechte und Freiheiten den Einwohnern Israels auch immer per Gesetz oder per Gewohnheit zugestanden werden mögen, sie können aufgrund von Sicherheitserwägungen immer wieder in Frage gestellt werden, ohne dass die Legalität dadurch formell verletzt wird.«[14]

Die paar überlebenden Bauern sind erst kürzlich wieder Opfer dieser Möglichkeit gewesen, die terroristische Gesetzgebung ohne weiteres wieder in Kraft treten zu lassen. So hat man 1976 unter dem Vorwand der »Flurbereinigung« der arabischen Bevölkerung 10 000 Hektar Land entrissen. Dieser Angriff auf den ihr noch gebliebenen, armseligen Winkel führte zu Massendemonstrationen, Streiks und Zusammenstössen mit der Polizei und der Armee. Letztere verhängte das Ausgehverbot und fiel in zahlreiche arabische Dörfer ein; sechs Araber wurden getötet und es gab -zig Verletzte. Die Episode wurde »Tag des Bodens« getauft. Vor allem wird diese Gesetzgebung heute gegen jeden Protest gegenüber dem Staat angewandt. Und wer hat den meisten Grund zum »Protestieren«, wenn nicht gerade die Arbeiterklasse? Seit 1967 in Kontakt mit der neuen Welle von palästinensischen Arbeitern, die ihrerseits im Gazastreifen und im Westjordanland unter israelischer Besetzung leben, erwacht diese Arbeiterklasse um so kühner zum Kampf, als sie ihre Wut allzulange unterdrückt hat.[15]

Erneute Expropriationswelle mit dem Krieg von 1967

Gesamtpalästina ist ein winziges Land. Es umfasst eine Fläche von 27 000 km2, was in etwa der Grösse Belgiens entspricht. Ein Drittel des Landes besteht aus Wüstengegenden, wo der Ackerbau sehr schwierig und vor allem sehr kostspielig ist. Israel besetzte 1968 fast 21 000 km2. Es ist offensichtlich, dass das ehrgeizige zionistische Kapital, auf einen so engen und kärglichen Rahmen beschränkt, seinen Riesenhunger nicht stillen kann. Unter derartigen Bedingungen wird die Expansion zu einer Notwendigkeit, der Expansionismus zur Staatsreligion.

So hat Israel Im Jahre 1967 das Westjordanland und den Gazastreifen an sich gerissen, wo sich dann das Phänomen von 1968 wiederholt hat. Der Gazastreifen wurde 1967 von 650 000 Palästinensern bewohnt. Zwei Drittel hiervon (316 775 im Januar 1967) waren Flüchtlinge, die aus der fruchtbaren Ebene von Jaffa kamen, von wo man sie 1968 vertrieben hatte. Mehr als 100 000 Bewohner des Gazastreifens, von denen viele bereits zum zweitenmal die Flucht antraten, sahen sich gezwungen, in die Nachbarländer auszuwandern. Das Westjordanland, das 1967, d. h. vor der Besetzung, von ungefähr 850 000 Menschen bewohnt wurde, zählte drei Jahre später nur noch 650 000 Einwohner, was darauf hinweist, dass mehr als 200 000 Palästinenser in diesem Gebiet alles stehen und liegen lassen mussten, um sich in den Elendslagern, die man so schön »Flüchtlingslager« getauft hat, niederzulassen. Mehr als 300 000 Menschen wurden so gezwungen, aus dem einen oder dem anderen Grund, ihre Bleibe aufzugeben, was für sie aufgrund der israelischen Gesetzgebung, die für die Landvertreibung wie geschaffen ist, ein Rückkehrverbot zur Folge hatte.

Das berüchtigte Gesetz über die abwesenden Besitzer hat vollauf funktioniert: 33 000 Hektar Land waren hiervon betroffen. 16 % des gesamten Staats- oder Gemeineigentums an Land sind automatisch in die Hände der Besatzer übergegangen. Darüber hinaus hat Israel mehr als 10 000 Häuser der sogenannten »Abwesenden« requiriert, die mittlerweile zu in Lagern zusammengepferchten Flüchtlingen geworden waren. Aber hierbei handelt es sich letztendlich um ein recht gewöhnliches Verfahren. Man hat sich daneben noch andere und raffiniertere Vorgehensweisen einfallen lassen: So haben die Zionisten im Dorf Akraba im Westjordanland zum Beispiel die Kulturen durch Besprühen mit chemischen Mitteln zerstört. Man braucht wohl nicht hinzuzufügen, dass der Staat sein ganzes, bereits so bewährtes terroristisches Arsenal hervorgeholt hat. Laut den Erklärungen, die der ehemalige Verteidigungsminister Shimon Peres persönlich vor der Knesset abgegeben hat, ist es zu mehreren tausend Vertreibungen gekommen; 23 000 Palästinenser wurden im Laufe der Jahre 1967–73 eingekerkert und zwischen 1967 und 1971 wurden infolge des höchst biblischen Prinzips der Kollektivhaftung 16 312 Häuser zerstört. Zahlreiche Dörfer, wie zum Beispiel Latrun, Amuas, Yuli und Beit Nuba wurden schlicht und einfach von der Landkarte gestrichen.

Auf den Ländereien, mit mit Hilfe dieser vom Staat organisierten Gangstermethoden konfisziert worden waren, konnte die Kolonisierung bereits im Oktober 1967 beginnen. 1971 zählte man auf den erst vor kurzem besetzen Gebieten bereits 52 Siedlungen.[16] Seitdem sind immer wieder neue Niederlassungen und neue Projekte entstanden, und noch heute kommt es zu einer regelmässigen Beute.[17]

Es versteht sich fast von selbst, dass der arabischen Bevölkerung in diesen Gebieten, mehr noch als in Israel, jede Möglichkeit der Meinungsäusserung, des gewerkschaftlichen und des unabhängigen politischen Zusammenschlusses verwehrt ist. Der geringste Verdacht auf Zugehörigkeit zu einer subversiven Organisation hat für tausende von Palästinensern schon zu einer jahrelangen, wenn man alles zusammen rechnet zu einer jahrhundertelangen Gefängnisstrafe geführt, die sie in den so angenehmen und gastfreundlichen zionistischen Kerkern verbüssen durften und dürfen.

Von der Gesamtbevölkerung des Westjordanlandes und des Gazastreifens, die 1970 auf mehr als eine halbe Million Einwohner geschätzt wurde und die heute trotz der massiven Auswanderung in die Erdölländer höher liegen dürfte, gehen wahrscheinlich mehr als 100 000 Palästinenser täglich in Israel arbeiten. 1973 passierte von den in diesen Gebieten lebenden Werktätigen und Lohnabhängigen jeder dritte bzw. jeder zweite täglich die Grenze. In Anbetracht der Tatsache, dass der Proletarisierungsprozess in diesen Gebieten immer weiter fortschreitet, während der lokale Arbeitsmarkt stagniert, wenn nicht gar zusammenschrumpft, dürfte der Anteil der Grenzgänger heute zweifelsohne höher liegen.

Diese Proletarier dürfen nicht in Israel wohnen; um dort arbeiten und sich bewegen zu können, brauchen sie eine Erlaubnis; in Israel selbst verfügen sie über keinerlei Rechte, und in den besetzten Gebieten unterliegen sie dem militärischen Ausnahmezustand. Dies alles ermöglicht es, sie auf die bestialischste Weise auszubeuten.

Tabelle 3:
Durchschnittlicher Tageslohn der Palästinenser aus Westjordanien und Gaza (P) verglichen mit dem der Israelis (I)
  allg. Durchschnitt Landwirtschaft Industrie Baugewerbe
  P I P I P I P I
1972 17,2 34,4 15,4 22,2 15,6 33,1 19,1 31,1
1973 22,9 42,8 20,6 25,7 21,6 40,7 25,1 38,1
(In israelischen Pfund) – Bei den Angaben für die israelischen Löhne wurden die Unterschiede zwischen den Juden und Arabern nicht berücksichtigt.
Quelle: Jamil Hilal, «Les Palestiniens de Cisjordanie et de Gaza», Khamsin, № 2, 1975, p. 51.

So erhält der palästinensische Arbeiter aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen, der sowieso schon in den am schlechtesten bezahlten Bereichen arbeitet (1973 waren 52 % auf dem Bau und 19 % in der Landwirtschaft tätig), wie aus Tabelle 3 hervorgeht, nur einen halb so hohen Lohn wie der israelische Arbeiter (und dabei ist noch nicht einmal der bereits tiefgreifende Unterschied zwischen dem jüdischen und dem arabischen Israeli berücksichtigt).

Diese Diskriminierung wird noch durch den offenen Raub, den der israelische Staat praktiziert, verschärft: dem palästinensischen Arbeiter werden in der Tat noch 40 % seines Lohns in Form verschiedener Abgaben abgezogen, was einen Prozentsatz ausmacht, der weit über allen steuerlichen Abzügen liegt, die der israelische Arbeiter hinnehmen muss, der seinerseits dafür allerdings einige »Vorteile« erhält, wie zum Beispiel Krankenversicherung, Arbeitslosengeld, bezahlten Urlaub, Altersversorgung usw. Der palästinensische Arbeiter aus den besetzten Gebieten hat keinerlei Anspruch hierauf. Es ist ein wahrhaftiger Tribut, den er an den Staat leisten muss, während er selbst unter Bedingungen der totalen Unsicherheit arbeitet.

Mögen die arabischen nationalistischen Zeitungen auch immer wieder in ihren Spalten missbilligend gegenüber Israel ausrufen: »Sie stehlen uns unsere Arbeiter«, so ist es doch eine Tatsache, dass die palästinensischen Arbeiter die in Israel existierende doppelte Ausbeutung gerade deshalb erleiden, weil der vom arabischen Unternehmer gezahlte Lohn noch katastrophaler aussieht und ein überleben noch weniger ermöglicht. In der Tat ist es der rückgratlosen palästinensischen Bourgeoisie, die keinen Mumm in den Knochen hat, unmöglich, mit dem zionistischen Kapital zu konkurrieren. Sie kann bestenfalls dessen Statthalter abgeben, auch wenn sie dabei vor sich hin wettert. So schliesst die israelische Bourgeoisie wegen der geringeren Kosten der Arbeitskraft in Gaza und Westjordanien zahlreiche Verträge mit palästinensischen Firmen, die als Arbeitszulieferer dienen. Beide Bourgeoisien stossen sich daran gesund. Die israelische Bourgeoisie profitiert von den geringeren Löhnen, die die arabischen Unternehmer den Arbeitern aufzwingen können, und sie bringt dabei auch gleich die schwachen feindseligen Anwandlungen der palästinensischen Bourgeoisie zum Schweigen, während es letzterer aufgrund des guten Gangs der Geschäfte gelingt, zu »prosperieren« und weiterhin immer mehr auszubeuten.

Zur Zeit des Krieges vor 1948 hatte sich der palästinensische Kampf noch nicht von dem Schock, den er durch die Niederlage in der Revolte von 1933–36 erlitten hatte, erholt, und der Widerstand war deshalb auch nur schwach. Die Entfesselung des Sechstagekriegs durch Israel sowie auch der Zorn, den die kleinmütige Haltung der arabischen Regierungen hervorrief, führten zur massiven Revolte und Bewaffnung der palästinensischen Bevölkerung. Und es war gerade die Fatah, die sich die Aufgabe stellte, diesen Unmut auf ein Programm zu beschränken, das die Schonung der arabischen Staaten beinhaltete. Die Welle war stark genug, eine gewisse Radikalisierung zu ermöglichen, die zur Schaffung von Organisationen führte, die ein mehr »proletarisches« Vokabular verwandten, und die vor allem in dem Zusammenfliessen der Interessen der palästinensisch-jordanischen Massen einerseits und der palästinensisch-libanesischen Massen andererseits zum Ausdruck kam.

Es ist nicht das Ziel dieses Artikels, die Geschichte dieser revolutionären Welle nachzuzeichnen (siehe hierzu unsere Artikelreihe »Dove va la resistenza palestinese?« in »Il programma comunista«, Nr. 17–19, 1977) Diese Welle, die leider wieder einmal auf die Unterstützung des Proletariats der grossen imperialistischen Zentren verzichten musste und von allen arabischen Staaten offen bekämpft wurde, wurde auch infolge der Orientierung und der Prinzipien der sie führenden Parteien einem Henker nach dem anderen ausgeliefert, um somit schliesslich im allgemeinen Kniefall vor der bestehenden internationalen und lokalen Ordnung zu enden. Das Wichtige, was man berücksichtigen muss, ist, dass sich die kommenden revolutionären Ausbrüche unter sozialen – und wir hoffen auch politischen – Bedingungen abspielen werden, die sich gegenüber denen von 1948 und sogar von 1967 bereits verändert haben.

Das Kapital bringt seine eigenen Totengräber hervor

Die soziale Bilanz der blutigen ursprünglichen Akkumulation, die sich auf der Bühne Palästinas abgespielt hat, sieht in der Tat folgendermassen aus: die gesamte palästinensische Bevölkerung, die aus Flüchtlingen besteht und folglich der Herrschaft Israels nicht unterworfen ist, umfasst 2,3 Millionen Menschen (das sind 60 % aller Palästinenser), die natürlich keinerlei Bindung zum Boden haben. Von dieser Flüchtlingsmasse verfügen nur 40 % der arbeitsfähigen Bevölkerung über einen Arbeitsplatz. Die grosse Mehrheit dieser 40 % wiederum arbeitet in einem lohnabhängigen Verhältnis (1970: 73,2 % der arbeitenden Palästinenser im Libanon, 79,3 % in Syrien, 89,6 % in Kuwait), und ein grosser Teil von ihnen sind Arbeiter. Man hat es hier also mit einer stark proletarisierten Bevölkerung zu tun.[18]

Von den 1,5 Millionen Palästinensern (das sind 40 %) die unter dem zionistischen Joch leben besitzt nur noch eine Minderheit Grund und Boden: die Anzahl der Arbeitgeber und derjenigen, die als Unabhängige im landwirtschaftlichen Bereich tätig sind, ist im Westjordanland von 37 000 im Jahre 1969 auf 26 100 im Jahre 1973 gesunken, im Gazastreifen von 6 200 im Jahre 1970 auf 4 600 im Jahre 1973. Diese Zahlen sind in den letzten Jahren noch weiter zurückgegangen.[19] Der Expropriationsprozess setzt sich noch fort und kann folglich, vor allem in Perioden ökonomischer Krisen, noch ländliche Aufstände und Revolten hervorrufen, zumal auch in dem gesamten Gebiet die arabische Arbeiterbevölkerung erst sehr wenig urbanisiert ist und noch in den zu Schlafstätten gewordenen Dörfern lebt.[20]

Trotz der scheinheiligen Proteste und der verlogenen Rechtfertigungen der israelischen und der imperialistischen Bourgeoisie Europas und Amerikas kann man sich ohne Schwierigkeiten das Ausmass an Unterdrückung vorstellen, das die ungefähr 500 000 Palästinenser zu erleiden haben, die in einem Staat leben, wo bereits zwischen den Juden europäischer und den Juden orientalischer Herkunft eine bedeutende soziale Diskriminierung besteht, wo die Nationalität auf der »jüdischen Nationalität« beruht, die ihrerseits auf der Religion gründet, einem Staat, der sich darüber hinaus in einem ständigen Krieg mit den benachbarten arabischen Staaten befindet. Aber diese Palästinenser, die der Staat noch nach ihrer Religion in Christen, Drusen und Moslems differenziert, kommen zumindest theoretisch genauso in den Genuss der »ökonomischen und sozialen Rechte« wie die Juden Israels. Was die Palästinenser aus Westjordanien und Gaza anbelangt, so hat sie ein noch viel härteres Los getroffen, da sie ja geradezu einer Situation des offenen Belagerungszustands ausgeliefert sind.[21]

Die breiten palästinensischen Massen, die mit ihrer Arbeit die Obstgärten Israels zum Blühen und in einem ständig wachsenden Mass auch die Fabrikschornsteine von Tel-Aviv und Nablus zum Rauchen bringen, können künftig nicht mehr leben und sich verteidigen, ohne den Kapitalismus zu bekämpfen, aber auf einem Boden, den der Kapitalismus selbst umgestaltet hat. Ihr Kampf stösst unmittelbar auf die mit dem jüdischen Privileg verbundene politische und Rassendiskriminierung, kurz auf den kolonialen Charakter des Staates Israel, der mehr und mehr dazu übergeht, gegen die Arbeiterkämpfe dieselben Gesetze anzuwenden, die er gestern und heute in den besetzten Gebieten angewandt hat und anwendet, um die Bauern in Proletarier zu verwandeln. Für die modernen Proletarier ist diese auf der Rassen- und Religionszugehörigkeit gründende Diskriminierung und Unterjochung noch unerträglicher als in jeder anderen Gesellschaft: sie erhöht noch das Potential des sozialen Kampfes, das von der kapitalistischen Ausbeutung und der damit einhergehenden politischen Unterdrückung erzeugt wird.

Im Untergrund der Sklavenhalterdemokratie Israels staut sich langsam glühende Lava auf, die zu einem Vulkanausbruch führen wird, der noch viel mächtiger sein wird als alle bisherigen, von den grossen Wellen der Expropriation der palästinensischen Bauern hervorgerufenen Explosionen. Es handelt sich um den proletarischen Kampf, zu dessen Ausbreitung auf die gesamte Region die emigrierten palästinensischen Arbeiter beitragen werden und dem es in Verbindung mit der Arbeiterklasse der grossen imperialistischen Metropolen gelingen wird, die soziale Front der jüdischen Solidarität in Israel zu brechen, die jüdischen Proletarier in seinem ungestümen Lauf mit sich zu reissen und sich an die Spitze der revoltierenden armen bäuerlichen Massen zu setzen. Und dieser Kampf ist ein Kampf auf Leben und Tod gegen die herrschende lokale und internationale kapitalistische Ordnung, die nur durch den Sieg der kommunistischen Weltrevolution endgültig zu zerschlagen ist.

Anmerkungen:
[prev.] [content] [end]

  1. Karl Marx, »Das Kapital«. MEW, Bd. 23, S. 742.[⤒]

  2. Karl Marx, »Das Kapital«, MEW, Bd. 23, S. 743.[⤒]

  3. siehe hierzu insbesondere Lorand Gaspard, »Histoire de la Palestine«, Maspero, 1978, S. 140.[⤒]

  4. siehe Nathan Weinstock, »Das Ende Israels?«, Wagenbach, 1975, S. 159–60.[⤒]

  5. Robert Somers, «Letters from the Highlands or The Famine of 1847», London, 1848, zitiert von Marx, in Karl Marx, »Das Kapital«, MEW, Bd. 23, S.760.[⤒]

  6. Dies ist ein offenkundig falscher und daher unzulässiger Vergleich. In den Konzentrationslagern der Nazis wurde millionenfach systematisch und organisiert Leben vernichtet und die Menschen durch Arbeit zu Tode geschunden…
    Die Übersetzung folgt dem französischen Original. In der englischen Übersetzung wurde dieser Satz besser formuliert::
    »Ihre Situation war nicht weniger beneidenswert als die der Hunderttausenden von Juden, die gerade aus den Konzentrationslagern entlassen und nach Palästina verschifft wurden, wo der Imperialismus ihnen die Vision eines wiederentdeckten Paradieses vor Augen führte.« (sinistra.net)[⤒]

  7. Caudium, eine Stadt die an der Via Appia zwischen Capua und Benevent, beim heutigen Montesarchio lag. Die ursprünglichen Bewohner der Stadt waren die samnitischen Caudini. Später war sie ein römisches Municipium. Bekannt war Caudium vor allem durch die in der Nähe gelegenen »Caudinischen Pässe«. Dort erlitt ein Heer der Römischen Republik während des Zweiten Samnitenkriegs 321 v. Chr. eine schwere Niederlage, die Rom zwang, einen Diktatfrieden anzunehmen (sprichwörtlich das »Caudinische Joch«, unter das die römischen Legionäre gezwungen wurden).[⤒]

  8. zitiert nach Sabri Geries, »Die Araber in Israel«, Trikont, 1970, S.96.[⤒]

  9. »Sefer ha-Khukkim« (Hauptgesetzgebung), 37, 1950, S.86.[⤒]

  10. Für eine vollständige Übersicht über diese israelische Gesetzgebung verweisen wir den Leser auf die folgenden Werke:
    Nathan Weinstock: »Das Ende Israels?«, frz. Ausgabe [«Le Sionisme contre Israël»], S. 374–399;
    Lorand Gaspard, »Histoire de la Palestine«, S.187–189 und
    Sabri Geries, »Die Araber in Israel«, S.95–112 und 115 ff,
    sowie auch auf »Problèmes économiques et sociaux«, Nr. 199 vom 2. November 1973.[⤒]

  11. Von den 475 arabischen Dörfern, die das von Israel besetzte Palästina 1948 zählte, sind heute nur 90 übrig geblieben. Die anderen 385 wurden mit Hilfe von Dynamit und Bulldozern dem Erdboden gleichgemacht, um von der Landkarte zu verschwinden.[⤒]

  12. Siehe in der Zeitschrift »Khamsin«, Nr. 2, 1975, die Artikel von Lazare Rozensztroch, »Sur les Arabes en Israël«, S.79 und von Jacqueline Farhoud Iraissaty, »La dispersion palestinienne«, S. 41 und S. 54.[⤒]

  13. Am 29. Oktober 1956 fielen die israelischen Soldaten in das Dorf von Kfar Kassem ein, um das Ausgehverbot zu verhängen. Sie teilten den Dorfbewohnern mit, dass alle diejenigen, die sich eine halbe Stunde später noch ausserhalb ihrer Häuser befinden würden, hingerichtet würden. Zahlreiche Dorfbewohner arbeiteten zu dieser Stunde noch auf den israelischen Feldern und Baustellen ausserhalb des Dorfes, und es war unmöglich, sie zu benachrichtigen. Bei ihrer Rückkehr wurden sie von den israelischen Soldaten verhaftet, in einer Reihe aufgestellt und erschossen. 47 Dorfbewohner wurden auf diese Weise ermordet. Der Staat Israel stellte Untersuchungen an und verkündete Strafen für die Verantwortlichen. So wurde der zweithöchste Offizier, den man für das Massaker für verantwortlich befunden hatte, 1960 zum »Verantwortlichen für arabische Angelegenheiten« in dem Gebiet von Ramle ernannt, ganz in der Nähe von Kfar Kassem.[⤒]

  14. so fasst »Problèmes politiques et sociaux«, Nr. 199, den Sinn der Kommentare zusammen, die Sabri Geries in seinem oben zitierten Buch macht.[⤒]

  15. »Man gibt zu dutzenden Befehle aus, die Zwangswohnsitze, Hausarrest, Ausweisung oder Untersuchungshaft anordnen, aber diese Massnahmen betreffen nur Araber (…). Dieselbe Diskriminierung lässt sich in der Haltung der Behörden bezüglich der Presse- und Organisationsfreiheit ausmachen. Bislang haben sie noch keine hebräische Zeitung abgeschafft oder irgendeine jüdische politische Gruppierung verboten, so extremistisch und so weit entfernt sie auch von der offiziellen Haltung der Regierung sein mögen. Umgekehrt kann aber keine arabische Zeitung in Israel veröffentlicht werden, wenn die Behörden sich nicht auf die Unterstützung oder mindestens das Entgegenkommen der Zeitungsverantwortlichen verlassen können. Keiner arabischen Organisation wurde es erlaubt, sich ohne die Zustimmung und vollständige Billigung der Behörden auch nur an irgendeiner Aktivität zu beteiligen.« (Sabri Geries, »Democratic freedoms in Israel«, »Problèmes politiques et sociaux«, Nr. 199, November 1972). Dieser Absatz illustriert die von den Palästinensern erlittene Unterdrückung sehr gut. Es ist aber sicher, dass dieselben Gesetze mit derselben Härte auch gegen diejenigen Juden angewandt würden, die es wagten, die soziale Front der jüdischen Solidarität, auf der die Scheinheiligkeit der israelischen Demokratie beruht, zu brechen.[⤒]

  16. Lorand Gaspard, »Histoire de la Palestine«, Maspero, 1978 S. 145.[⤒]

  17. Erst vor kurzem kam es wieder zur Gründung einer neuen Siedlung, was nicht ohne Widerstand abgelaufen ist. Laut »Le Monde« vom 8. 6. 1979 wurde der Allon Moreh genannte Siedlungsort offiziell am 7. Juni gegründet. Diese neue Kolonie befindet sich auf einem Hügel, »im Süden der Stadt Nablus. Sie erstreckt sich auf 80 Hektar Land, die Eigentum arabischer Bewohner des Gebiets waren, die von der israelischen Regierung infolge einer Entscheidung des Höchsten Gerichtshofs enteignet wurden. Der Gerichtshof hat diesen Akt mit den ›Verteidigungserfordernissen‹ gerechtfertigt. Die Bulldozer haben damit begonnen, die Zufahrten von der Blockade zu befreien. Die einigen -zig Personen, die den Kern der zukünftigen Dorfbewohner bilden, sind auf Armeefahrzeugen angekommen.« Am Sonntag, dem 17. Juni, fand eine bedeutende Demonstration in Nablus gegen die Gründung dieser Siedlung statt, was die Intervention der Israelischen Armee hervorgerufen hat, die mit Steinwürfen empfangen wurde (siehe »Le Monde« vom 19. 6. 1979).[⤒]

  18. Siehe hierzu Jacqueline Farhoud Iraissaty, »La dispersion palestinienne«, S. 44.[⤒]

  19. Siehe Jamil Hilal, »Les palestiniens de Cisjordanie et de Gaza«, »Khamsin«, Nr.2, 1976, S. 46–68.[⤒]

  20. In ihrer Nummer vom 29. Mai 1979 berichtet die in London erscheinende Tageszeitung »Asharq Al-Awsaat«, dass die Bewohner einer Ofera genannten jüdischen Siedlung im Sinai, nachdem sie aufgrund des israelisch-ägyptischen Abkommens den Sinai verlassen mussten, versucht haben, das arabische Dorf Maalia in Galiläa zu besetzen. Die Siedler sind gleich mit ihren Möbeln, Werkzeugen und Traktoren im Dorf angekommen. Auf ihren Transparenten konnte man lesen »Galiläa im Austausch für den Sinai« und »Ofera verspricht, nicht mehr einen einzigen Araber in Israel leben zu lassen«. Die palästinensische Bevölkerung hat zu verhandeln versucht, aber die Siedler haben geantwortet, dass sie von der jüdischen Agentur offiziell den Auftrag erhalten hätten, sich in dem Dorf niederzulassen. Es folgte eine hitzige Diskussion: ein Siedler hat mehrere Schüsse über die Köpfe der arabischen Delegierten abgegeben, um die Dorfbewohner einzuschüchtern. Sofort kamen die Bewohner des Dorfes zu Dutzenden angelaufen. Es folgte eine Schlägerei die mehr als zwei Stunden dauerte und nach der die Siedler gezwungen wurden, ihre Sachen mitzunehmen und zu fliehen. Ihre Hütten mussten sie in Flammen zurücklassen. Bei der Ankunft stellte die Polizei die Frage: »Hat euch die Fatah den Befehl gegeben, auf die Juden zu schiessen?« Die Dorfbewohner haben auf das polizeiliche Verhör mit dem Generalstreik geantwortet. Die Regierung, überrascht, auf einen spontanen Widerstand zu stossen, machte einen Rückzieher und erklärte im Radio, dass der Staat in die Operation die allein von den Siedlern ausgegangen wäre, in keiner Weise verwickelt gewesen sei und dass er von ihren Absichten nicht einmal etwas gewusst habe. Auch dies beweist wieder einmal, dass allein die Gewalt der Gewalt entgegengestellt werden kann.[⤒]

  21. Falls es einer Illustration für diese Tatsache bedarf, so liefert sie uns »Le Monde« vom 6. 6. 1979. Die Zeitung berichtet, dass am Montag, dem 4. Juni, die Häuser, wo vier Palästinenser wohnten, die der Zugehörigkeit zum Widerstand verdächtigt wurden, mitten in der Nacht von der Armee umstellt wurden. »Die Familien erhalten den Befehl, die Räume sofort zu verlassen. Das Mobiliar wird in den Garten von El Jenieh transportiert, das Haus der Eltern Mell Ataf Youssefs wird von einem Bulldozer dem Erdboden gleich gemacht. In Ramallah und El Bireh werden drei Wohnungen, nachdem sie von ihren Bewohnern geräumt worden sind, zugemauert. Türen und Fenster werden durch eine Wand aus Ziegelsteinen und Zement dicht gemacht.« Das ganze Arsenal der terroristischen Gesetze ist also in Kraft, insbesondere die Gesetze über die Sippenhaftung.[⤒]


Source: »Kommunistisches Programm«, Nr. 23, September 1979, S.31–40
Korrigiert und um Anmerkungen ergänzt im Oktober 2023. (sinistra.net)

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