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DIE »THEORIE DER DREI WELTEN«


Content:

Die »Theorie der Drei Welten«: Der Versuch, die imperialistische Epoche als Epoche bürgerlich-fortschrittlicher Bewegungen hinzustellen
Die Zitate von Lenin
Der nicht zitierte Lenin
Die Schönheitskur der »Zweiten Welt«
Die »Verteidigung des europäischen Vaterlandes«
Drei Welten oder zwei Kriegsfronten?
Zu viele Welten für einen einzigen Krieg
Was China sagt und was China verschweigt
Die Chinesische Aussenpolitik
Russische Schläge
Hassliebe zu den USA
Europa, Europa, hier geht die Sonne auf!
Gelbe Flecken in Schwarzafrika
Die chinesische »Unterstützung« für die Völker Südostasiens
Schlussfolgerung
Notes
Source


Die »Theorie der Drei Welten«: Der Versuch, die imperialistische Epoche als Epoche bürgerlich-fortschrittlicher Bewegungen hinzustellen

Es lässt sich nicht bezweifeln, dass die »Theorie der Drei Welten« in erster Linie das Ergebnis realpolitischer Überlegungen der Volksrepublik China ist. Deshalb – und obwohl sie versucht, alte Positionen als ideologische Rechtfertigung heranzuziehen – konnte sie erst nach den jüngsten Änderungen im weltweiten Gleichgewicht bzw. nach der restlosen Trennung zwischen China und der UdSSR vollständig, sozusagen in vollendeter Form formuliert werden.

Allerdings wollen wir uns hier zunächst nicht mit dieser Seite der Frage befassen, sondern diese sogenannte Theorie an der theoretischen Tradition des Marxismus prüfen. Es wird sich dabei herausstellen, dass die chinesischen Argumente wahrhaftig auf Fälschungen beruhen: auf Fälschungen sowohl von Lenin und Marx, als auch von den wirklichen objektiven Tatsachen, die die Chinesen immer wieder anführen.

Der Artikel, der den Anspruch erhebt, eine vollständige Darlegung dieser Theorie zu liefern, ist in der »Volkszeitung« veröffentlicht worden (»Die Theorie des Vorsitzenden Mao über die Dreiteilung der Welt ist ein bedeutender Beitrag zum Marxismus-Leninismus«)[1]. Den Sinn dieser Theorie haben wir an anderer Stelle bereits erläutert. Er lässt sich wie folgt zusammenfassen: das Bündnis der Dritten mit der Zweiten Welt (hier vor allem die alten kapitalistischen Länder Europas) gegen die Erste (USA, UdSSR)[2].

Die Zitate von Lenin

Im Artikel der »Volkszeitung« wird häufig Lenin zitiert, wie z. B. dieser Satz vom zweiten Kongress der Komintern:
»Das charakteristische Merkmal des Imperialismus besteht darin, dass sich (…) gegenwärtig die ganze Welt in eine grosse Zahl unterdrückter Völker und eine verschwindende Zahl unterdrückender Völker teilt, die über kolossale Reichtümer und gewaltige militärische Kräfte verfügen« (S. 7, »Bericht der Kommission zur nationalen und kolonialen Frage«).
Und im Jahre 1921 hat Lenin gesagt:
»Leider gibt es jedoch heute auf der Welt zwei Welten: die alte – den Kapitalismus (…) und die heranwachsende neue Welt« (S. 7, Anrede zum 9. Sowjet-Kongress).[15]
Das unausbleibliche Zitat von Stalin ist ähnlich. 1924 schrieb er, dass die Welt in zwei Teile geteilt sei: unterdrückende Völker und unterdrückte Völker. Was für grossartige Stützpunkte!

Andere Zitate von Lenin beschränken sich nicht darauf, die Teilung der Welt aufzuzeigen, sondern kommen auf den Kern der Frage: die Klarstellung des Zusammenhangs zwischen national-revolutionären und revolutionär-sozialistischen Bewegungen. 1913 hatte er gezeigt, dass »auf die russische Revolution (von 1905) die türkische, persische und chinesische Revolutionen« gefolgt sind. Und er fügte den grundlegenden Punkt für das Proletariat der kapitalistischen Länder hinzu:
»Wir leben heute gerade in der Epoche dieser Stürme und ihrer ›Rückwirkung‹ auf Europa« (S. 11, »Die historischen Schicksale der Lehre von Karl Marx).«[16]

Es besteht eine Wechselwirkung zwischen den proletarischen und bürgerlichen Bewegungen, deren Charakter durch die sozialen Bedingungen, aus denen sie hervorgehen, bestimmt wird. Eine bürgerliche Revolution kann eine proletarische entfesseln und umgekehrt. Das war die Erfahrung von 1848 und 1905, die 1917 bestätigt wurde. In einer Schrift von 1916, die gegen die Gleichgültigkeit gegenüber den nationalen und antikolonialen Kämpfen gerichtet war, wird es noch deutlicher ausgedrückt:
»Die soziale Revolution kann nicht anders vor sich gehen als in Gestalt einer Epoche, in der der Bürgerkrieg des Proletariats gegen die Bourgeoisie in den fortgeschrittenen Ländern mit einer ganzen Reihe demokratischer und revolutionärer Bewegungen verbunden ist, darunter auch mit nationalen Befreiungsbewegungen der unentwickelten, rückständigen und unterdrückten Nationen« (S. 11, »Über eine Karikatur auf den Marxismus und den ›imperialistischen Ökonomismus‹«).[17]

So zitiert die »Volkszeitung«, um dann der beeindruckenden Aufzählung der unterdrückten Bevölkerungen, die von Lenin auf dem zweiten Kongress der Komintern gemacht wurde, seine Schlussfolgerungen folgen zu lassen:
»(…) alle grundlegenden Widersprüche des Kapitalismus, des Imperialismus, [die] zur Revolution führen, alle grundlegenden Gegensätze in der Arbeiterbewegung, [die] zum erbitterten Kampf gegen die II. Internationale geführt haben (…), all dies hängt mit der Teilung der Welt zusammen« (S. 12, »Bericht über die internationale Lage«).[18] In diesem Bericht teilt Lenin die Weltbevölkerung in drei Teile:
1) die unterdrückten Kolonien, »die zerstückelten Länder wie Persien, China, die Türkei«;
2) die Länder, »die ihre alte Stellung behalten haben. Aber sie alle sind in wirtschaftliche Abhängigkeit von Amerika geraten und befanden sich während des Krieges alle in militärischer Abhängigkeit«;
3)»Und schliesslich nicht mehr als eine Viertelmilliarde Einwohner in den Ländern, die selbstverständlich nur die Oberschicht, nur die Kapitalisten – von der Aufteilung der Erde profitieren« (S. 11 und 12).[19]

Wir werden nicht unsere eigenen Zitate hinzufügen. Die Position von Lenin und der Komintern auf dem II. Kongress ist selbst dann deutlich, wenn jene Zitate sorgfältig vermieden werden, die unwiderlegbar die proletarische Bewegung von der bürgerlich-revolutionären Bewegung abgrenzten und in denen die gleiche Parole »Bündnis« eine ganz andere Bedeutung hat als diejenige der stalinistischen Tradition. Dieses Bündnis setzt in der Tat die unabhängige Organisation des Proletariats voraus – wie es in Russland geschehen ist – und, wenn man dieses Bündnis in einer weltweiten Perspektive betrachten will (das wollen die Chinesen ja tun), ist ein internationales proletarisches Zentrum unerlässlich, an das sich die revolutionären Parteien der Metropolen und der Kolonien binden und eventuell – unter bestimmten Bedingungen – auch die bürgerlichen Bewegungen, die unter Waffen den Imperialismus bekämpfen.

Davon ausgehend unternahm man damals zunächst eine erste Kennzeichnung derjenigen Bewegungen im Bereich der unterdrückten Nationen, die in der Tat als demokratisch-revolutionär gekennzeichnet werden konnten und daher eine direkte Unterstützung der Internationale selbst verdienten. Kein imperialistischer Staat oder auch kein entwickelter bürgerlicher Staat wurde aufgrund seiner eigenen Interessen als neutral oder gar als ein potentieller Verbündeter betrachtet. Ein grosser Teil unserer Arbeiten hat schon gezeigt, dass sich das Bündnis zwischen Proletariat und unterdrückten Völkern nur auf die autonome Organisation des Proletariats stützen kann. Dieser Faktor ist nicht nur ausschlaggebend, damit jene Kämpfe den bürgerlichen Rahmen sprengen können (ein Begriff, der nicht aus Zufall aus allen »Analysen« stalinistischer Provenienz verschwunden ist), sondern auch damit sie bis zu ihren eigenen äussersten Konsequenzen geführt werden können (dem damaligen negativen Beispiel der Türkei von Atatürk kann man verschiedene spätere Beweise hinzufügen, China mit einbegriffen!), und dabei darf man selbst in solchen Ländern nicht der Illusion verfallen, dass die demokratische Bewegung und die Arbeiterbewegung zusammenfallen können. Die klassenmässige Auffassung von der Demokratie zeigt, dass diese von Geburt an antiproletarisch ist, selbst wenn sie in einer bestimmten Phase geschichtlich nützlich und notwendig ist.

Es handelt sich hier um zwei verschiedene Fragen:

1) die Rolle der sich häufenden internationalen Gegensätze, deren weltweite »Auswirkungen« nützlich sind, und die Rolle der Klassengegensätze in jedem Land, auf die man mit einer geeigneten Taktik antworten muss, um alle Schwächen des eigenen Feindes auszunutzen; allerdings kann nur ein Fälscher daraus die »Auffassung« ableiten, dass die »Feinde meiner Feinde« deshalb meine Verbündete sind;

2) das »heiklere« Problem eines Bündnisses, das nicht die unentbehrliche politische, taktische und organisatorische Selbständigkeit des Proletariats, ob nun auf lokaler oder auf internationaler Ebene, beeinträchtigt.

In der Kommunistischen Internationale ging es gerade darum, von den zitierten Positionen auszugehen, um zwischen diesen beiden Fragen genau zu unterscheiden.

Unter dem Gesichtspunkt einer vorhandenen zentralen internationalen Führung kann man sagen, dass jede Bewegung eine »Verbündete« der Revolution ist, wenn sie zur Verstärkung der Gegensätze der imperialistischen Ordnung beiträgt oder zur Schwächung ihrer Herrschaft und ihrer Kontrolle über die ganze Welt. Es handelt sich dabei aber selbstverständlich um ein »objektives Bündnis«, keineswegs um ein Bündnis auf der Grundlage der Ziele oder des organisatorischen Zusammengehens. Eine Verwechslung der verschiedenen Fragen, die oft durch eine trickreiche Begriffsverwirrung herbeigeführt wird, stellt eine vollständige Ungereimtheit dar. in ihrer ersten Phase hat die Internationale sicherlich die Grenzen nicht immer glücklich gezeichnet. Sie hat aber im Gegensatz zum Stalinismus keine verwässerten Bündnisse vorgeschlagen. Die Gesamtheit der hier angebrachten Zitate, denen wir diejenigen von Marx und Engels über Polen und Irland im klaren Rahmen der Phase der Bildung von nationalen Staaten in Europa hinzufügen könnten (wir lassen hier den äusserst wichtigen Unterschied beiseite, der zwischen dem Kampfe des polnischen Volks – der sehr zu Recht in seiner Bedeutung für die Bildung der bürgerlichen Ordnung auf dem Kontinent betrachtet wurde – und dem Kampfe der Iren besteht, den Marx als entscheidend betrachtete, um den Angriff gegen die bürgerliche Macht in England zu führen), wird hier mit einer stalinistischen Ungereimtheit gekrönt, die eine wahre tragende Achse der »Theorie der Drei Welten« bildet:
»Es steht jetzt völlig ausser Zweifel, dass sich im Verlauf des Krieges, der den Völkern von Hitler-Deutschland aufgezwungen wurde, eine grundlegende Differenzierung der Kräfte und zwei gegnerische Lager herausgebildet haben: das Lager der deutsch-italienischen Koalition und das Lager der englisch-sowjetisch-amerikanischen Koalition.« (S. 16)

Die Schlussfolgerung Stalins und seiner Anhänger besteht in jenem Grundprinzip, vor dem sich der ganze Opportunismus beugt:
»Daraus folgt, dass die Logik der Tatsachen stärker als jede andere Logik ist« (»Prawda«, 7. Nov. 1942)!

Welcher Zusammenhang kann überhaupt zwischen dem polnischen und irischen Volk einerseits und dem Bündnis zwischen der UdSSR, den USA usw. andererseits bestehen? Wie kann man einen Zusammenhang zwischen der erwähnten »antifaschistischen« Front einerseits und den Kämpfen in Indien, China, Persien usw. gegen den Imperialismus andererseits herstellen? Wie lässt sich schliesslich die Notwendigkeit für das Proletariat, sich als selbständige Partei zu schlagen, mit der Teilnahme am imperialistischen Krieg in Unterstützung der schlimmsten imperialistischen Unterdrücker überhaupt in Einklang bringen? Wie kann man es wagen, zwischen solchen Positionen und denjenigen, die Lenin 1913, 1916, 1920, 1921 behauptet hat, eine Kontinuität zu konstruieren? Das alles kann man tun, wenn man die proletarische Position, die der demokratischen entgegengesetzt ist, über Bord geworfen hat, um aus der Demokratie einen Fetisch zu machen, der über der Geschichte schwebt.

Der nicht zitierte Lenin

Es gibt einen Artikel von Lenin, der gerade auf die Blossstellung der demokratischen Täuschungen zielte, die sich hinter einer solchen Anschauung der internationalen Kräfteverhältnisse verbergen. Es handelt sich um den Artikel »unter fremder Flagge« von 1915, der gegen Potressow gerichtet war. Die Antwort von Lenin ist ein Peitschenhieb gegen die Theoretisierungen der Pseudosozialisten. Er bemerkt ironisch:
»Da Marx im Jahre 1859 die Frage zu entscheiden hatte, auf seiten welcher Bourgeoisie ein Sieg am ehesten erwünscht wäre, so müssten [so meint Potressow, IKP] auch wir, mehr als ein halbes Jahrhundert später, eine Frage von ganz demselben Charakter entscheiden.« (Lenin, Werke, Bd. 21, S. 129).
Und genau die gleiche Frage mit der gleichen Methode versucht Hua Guofeng[20] mehr als ein ganzes Jahrhundert später zu lösen. Es genügt, davon abzusehen, dass es sich um die Bourgeoisie handelt, um von Demokratie oder von »fortschrittlichen Kräften« im allgemeinen zu reden!

»A. Potressow hat nicht bemerkt, dass für Marx im Jahre 1859 (ebenso in einer ganzen Reihe von späteren Fällen) die Frage, ›auf welcher Seite ein Sieg am ehesten erwünscht wäre‹, der Frage gleichkommt, ›auf Seiten welcher Bourgeoisie ein Sieg am ehesten erwünscht wäre‹. A. Potressow hat nicht bemerkt, dass Marx aber die besagte Frage zu einer Zeit entschied, in der zweifellos fortschrittliche bürgerliche Bewegungen existierten, ja in den wichtigsten Staaten Europas im Vordergrund des geschichtlichen Prozesses standen« (a.a.O.).
Und hier scheint Lenin nicht nur die schwache Entgegnung Potressows vorauszusehen, sondern auch diejenige Hua Guofengs (bzw. Stalins, Togliattis, Berlinguers usw. usf.):
»Heutzutage wäre es lächerlich, im Hinblick z. B. auf solche unbedingt zentralen und hochwichtigen Mitspieler des europäischen 'Konzerts’ wie England und Deutschland an eine fortschrittliche Bourgeoisie, an eine fortschrittliche bürgerliche Bewegung auch nur zu denken. Die alte bürgerliche 'Demokratie' dieser zentralen und hochwichtigen Staaten ist reaktionär geworden« (a.a.O.).

In der Folge trifft Lenin noch direkter das »chinesische« Ziel:
»Gerade die Bourgeoisie ist – z. B. in Deutschland, aber auch in England – bestrebt, die gleiche Unterschiebung zu machen, die A. Potressow gemacht hat, und die imperialistische Epoche als Epoche bürgerlich-fortschrittlicher, nationaler und demokratischer Befreiungsbewegungen hinzustellen« (a.a.O.).

Die Analyse der »Volkszeitung« ist falsch und stützt sich auf Fälschungen der Leninschen Schriften, weil sie nicht bemerkt, dass die Wahl zwischen zwei bürgerlichen Lagern in Wirklichkeit der Frage gleichkommt: welche Bourgeoisie? Wenn man sich diese Frage stellt, im Zeitalter, wo die Bourgeoisie in Europa und in den USA reaktionär geworden ist, so bedeutet das, sich gegen den Kampf des Proletariats in einem oder in allen Ländern zu stellen. Die Analyse ist falsch, weil sie den Kampf der Iren und der Polen des vorigen Jahrhunderts mit dem Kampf der Alliierten Russland-Amerika-England 1939 auf die gleiche Stufe stellt; weil sie die Epoche der imperialistischen Bourgeoisie durch die Epoche der fortschrittlichen bürgerlichen Bewegungen ersetzt. Sie ist eine Fälschung, weil sie aus dem Werk Lenins gerade denjenigen Teil entfernt, der dieses am prägnantesten kennzeichnet, nämlich die Klassenposition gegenüber dem imperialistischen Krieg. Für die »Theorie der Drei Welten« gibt es einen einzigen absoluten Wert, die Demokratie, die wie ein Punkt ausserhalb und über den geschichtlich bestimmten Epochen schwebt. Es handelt sich nicht um eine bürgerliche Bewegung, die das Proletariat unter bestimmten Bedingungen und in bestimmten Perioden unterstützen könnte. Es handelt sich um einen »Wert«. Und wenn dieser Wert von der Ebene der Beziehungen zwischen den Klassen auf die Ebene der Beziehungen der Nationen gebracht wird, führt er zum Begriff der nationalen Souveränität, unabhängig davon, dass im Kapitalismus jede Nation per definitionem eine Nation von Räubern ist, unabhängig davon, ob man sich in der Epoche der nationalen oder der imperialistischen Entwicklung befindet.

Fehlt das Bündnis mit der internationalen proletarischen Bewegung und damit die Krönung des Kampfes der unterdrückten Völker mit einer »sozialen« Revolution (um den gemilderten Begriff des oben angeführten Lenin-Zitats anzuwenden), d. h. mit der proletarischen Revolution und ausschliesslich proletarischen Revolution, dann gibt es nur zwei weitere Möglichkeiten für diesen Kampf: entweder trotz alledem, trotz der erreichten formalen Unabhängigkeit und der eigenen »Souveränität«, ein den herrschenden Nationen unterworfenes Land bleiben, oder die günstigen Bedingungen finden, um selbst zu den ersteren zu gehören: Einen anderen Weg gibt es in der Sphäre der Demokratie nicht!

Zwischen den Formulierungen des 2. Kongresses der Komintern einerseits und der Position Stalins und der Pseudo-Internationale beim Ausbruch des 2. Weltkriegs andererseits gibt es keine Kontinuität, sondern einen völligen Bruch. Die ganze Bedeutung der nationalen und kolonialen Frage erblickte man 1920 in ihrer Rolle für die offenstehende proletarische Revolution in den Ländern, denen Stalin später die Klassenkollaboration sichern sollte, und andererseits sah man die revolutionären Entwicklungen aller Gegensätze in der feindlichen Front unter der Bedingung als fruchtbar an, dass sich das Proletariat in jedem Land gegen die eigenen herrschenden Klassen organisiert. Nur im Fahrwasser einer Bewegung, die aufs Herz der wesentlichen imperialistischen bürgerlichen Länder zielte, konnte es eine Konvergenz zwischen den verschiedenen Kräften geben: den nationalen, demokratischen, antiimperialistischen (mit all ihren unvermeidlichen, erkannten und vorausgesehenen Grenzen) auf der einen Seite, den völlig autonomen internationalistischen, proletarischen und kommunistischen Kräften auf der anderen Seite.

Doch gerade diesen zweiten Faktor wird der Stalinismus fallen lassen, zuerst mehr oder minder klar in Europa, dann schon ganz klar im Orient (China 1927), um schliesslich am Ende des Zyklus den spanischen Bürgerkrieg und den 2. Weltkrieg als »demokratischen Kreuzzug« auszugeben. Diese »Strategie« vernichtete die Klassenautonomie des internationalen Proletariats, und nur auf ihren Trümmern wird die Weltstrategie des Proletariats als Klasse, die die nicht-proletarischen Bewegungen hinter sich zieht, wiederentstehen können.

Es liegt also auf der Hand, dass die »Theorie der Teilung in drei Welten« die chinesische Fassung der stalinistischen Auffassung ist. Damit steht sie in einem absoluten Gegensatz zu den Betrachtungen Lenins und des 2. Kongresses der Komintern. Sie stützt sich auf eine völlig falsche Analyse sowohl des Imperialismus als auch der vom zweiten imperialistischen Krieg geschaffenen Lage. Ausserdem sind die Analysen der nationalen Bewegungen der Dritten Welt und ihrer wirklichen Rückwirkungen auf die Gesamtheit der imperialistischen Weltordnung falsch. Schliesslich fehlt jede Bezugnahme auf den proletarischen, gegen den Kapitalismus gerichteten anti-imperialistischen Kampf: Die Weltlage wird als »ausgezeichnet« betrachtet, während man in aller Ruhe die Ansicht vertritt, dass sich
»durch den Verrat der sowjetischen Herrscherclique, die Überschwemmung mit revisionistischer Ideologie und die Spaltung in den Reihen der Arbeiterklasse – allgemein gesagt – die revolutionäre Arbeiterbewegung der entwickelten kapitalistischen Länder derzeit gezwungenermassen in einer Etappe der Reorganisation und des Kräftesammelns befindet…« (S. 50/51).

Und in der Tat. Die Weltlage ist »ausgezeichnet«, nur nicht für die proletarisch-revolutionäre Bewegung!

Die Schönheitskur der »Zweiten Welt«

Wir haben schon gesehen, dass der nationale und demokratische, somit weder proletarische noch internationalistische Standpunkt der »Volkszeitung« sie dazu führt, die nationalen Kämpfe Polens und Irlands (ohne übrigens ihren bürgerlichen Charakter zu erkennen) und den Krieg der angelsächsisch-russischen Mächte gegen Hitlerdeutschland auf die gleiche Ebene zu stellen. Die »Volkszeitung« geht aber noch weiter in der Fälschung der marxistischen Positionen.

Da der ganze Sinn der »neuen Theorie« in der Beschönigung der zweiten Welt, d. h. von Europa und Japan, besteht, muss die marxistische Theorie umgestülpt werden, damit sie als Beweis dafür herhalten kann, dass in diesem Gebiet nationale Kriege noch möglich sind, bzw. dass der Krieg gegen Russland – der angeblich vor der Tür steht – ein nationaler Krieg Europas sein wird.

Man fängt mit Engels an, der 1891 – als Russland noch despotisch-feudal war und eine bürgerliche Revolution durchzuführen hatte – in einem Brief an Bebel erklärte, dass das deutsche Proletariat der deutschen Bourgeoisie gegen das zaristische Russland hätte helfen müssen,
»vorausgesetzt, dass sie den Krieg mit allen revolutionären Mitteln und rücksichtslos führe…« (S. 63).[21]
Man versucht dann, sich auf die Erklärung Lenins zu stützen, dass nationale Kriege in der imperialistischen Epoche nicht unmöglich sind. Bekanntlich vertrat er diesen Standpunkt 1916 in der Polemik gegen »Junius«, d. h. Rosa Luxemburg, die »Die Krise der Sozialdemokratie« verfasst hatte; man erinnert daran, dass Lenin behauptete,
»die nationalen Kriege gegen die imperialistischen Mächte sind nicht nur möglich und wahrscheinlich, sondern auch unvermeidlich. Sie sind fortschrittlich und revolutionär…« (S. 64).
Die Maoisten aber sehen davon ab, den Passus weiterzuzitieren, der so lautet:
»…obgleich natürlich zu ihrem Erfolg entweder die Vereinigung der Anstrengungen einer ungeheuren Zahl von Bewohnern unterdrückter Länder (Hunderte Millionen in dem von uns angeführten Beispiel Indiens und Chinas) erforderlich ist oder eine besonders günstige Konstellation der internationalen Lage (z. B. die Lähmung einer Einmischung imperialistischer Mächte infolge ihrer Schwächung, ihres Krieges, ihres Antagonismus u. dgl. m.) oder der gleichzeitige Aufstand des Proletariats einer der Grossmächte gegen die Bourgeoisie (dieser in unserer Aufzählung letzte Fall ist der erste vom Standpunkt des Wünschenswerten und für den Sieg des Proletariats Vorteilhaften)« (Lenin, »Über die Junius-Broschüre«, Werke, Bd. 22, S. 318).

Die Chinesen unterbrechen das Zitat nach dem Satz, dass die nationalen Kriege gegen die imperialistischen Mächte möglich, wahrscheinlich, unvermeidlich, fortschrittlich und revolutionär sind und verleihen diesem Satz einen imperativen Wert. Wir haben das ganze Zitat wiedergegeben, um zu zeigen, um welche Kriege es sich bei Lenin handelt, nämlich um die Kriege der unterdrückten Völker, keineswegs um die Kriege der fortgeschrittenen Nationen untereinander! Was die Chinesen mühevoll zu beweisen suchen, ist, dass ein russisch-europäischer Krieg ein nationaler Krieg Europas sein wird.

Gewiss hat Lenin nie ausgeschlossen, dass es in Europa nationale Kriege geben kann. Hier ist ein sehr interessantes Zitat, auf das sich die Chinesen gierig hätten stützen können, um die nationale Unterdrückung Europas zu »beweisen«:

» …Wenn das Proletariat Europas auf 20 Jahre hinaus ohnmächtig bliebe; wenn dieser Krieg mit Siegen in der Art der Siege Napoleons und mit der Versklavung einer Reihe lebensfähiger Nationalstaaten endete; wenn der aussereuropäische Imperialismus (der japanische und der amerikanische in erster Linie) sich ebenfalls noch 20 Jahre halten könnte, ohne z. B. infolge eines japanisch-amerikanischen Krieges in den Sozialismus überzugehen, dann wäre ein grosser nationaler Krieg in Europa möglich. Das wäre eine Rückentwicklung Europas um einige Jahrzehnte. Das ist unwahrscheinlich. Es ist aber nicht unmöglich, denn zu glauben, die Weltgeschichte ginge glatt und gleichmässig vorwärts, ohne manchmal Riesensprünge rückwärts zu machen, ist undialektisch, unwissenschaftlich, theoretisch unrichtig« (»Über die Junius-Broschüre«, a.a.O., S. 315).

Die wissenschaftliche Vorgehensweise unterscheidet sich vollkommen von derjenigen der »Volkszeitung«. Es handelt sich nicht darum, willkürliche Hypothesen aufzustellen, sondern, wenn man Hypothesen entwickelt, diese genau abzugrenzen und zu verdeutlichen. Es bleibt die Frage, ob sich diese Bedingungen – oder ähnliche Bedingungen ergeben haben. Man kann nicht bezweifeln, dass Europa einen historischen Niedergang erlitten hat. Die Achse der kapitalistischen Welt hat sich in die USA verlagert. Aber welcher geistig gesunde Mensch kann behaupten, dass Europa in seiner Gesamtheit dem Imperialismus unterworfen ist, anstatt eine Gruppe von imperialistischen Ländern, wenn auch nicht mehr der »wichtigsten« imperialistischen Länder, zu bilden? Dennoch ist es genau das, was die »Theorie der Drei Welten« erklärt, und das alles auf der Basis der Tatsache, dass sich die Beziehungen zwischen Europa bzw. Japan und der Dritten Welt »gewandelt« haben:
»Sie müssen aus eigenem Interesse den Ländern der Dritten Welt das eine oder andere Zugeständnis machen oder im Rahmen gemeinsamer Interessen den Kampf der Länder der Dritten Welt … hinnehmen« (S. 60).
So werden Hua Guofengs »wissenschaftliche« Offenbarungen gemacht![3]

In der Tat lebt heute ein Teil Europas unter Bedingungen einer vollkommenen politischen und militärischen Unterwerfung (CSSR, Polen usw.) oder einer staatlichen und politischen Verstümmelung (das geteilte Deutschland). Diese Lage kann sicherlich Kriege verursachen, die einen nationalen Auslöser haben (Lenin erklärt, dass auch der erste imperialistische Krieg vom nationalen Krieg Serbiens ausgelöst wurde). Wer aber eine deutsch-französisch-englische Front fordert und sich noch dazu an deren Seite stellt, ist nichts anderes als ein Befürworter des imperialistischen Krieges!

Zu welchen Ungereimtheiten sich die Chinesen versteigen, wie absurd der Standpunkt der nationalen Kreuzzüge ist, kann man schon daran erkennen, dass die Chinesen sich auf Europa stützen wollen und somit »vergessen«, dass Frankreich und England Komplizen der Zerstückelung Deutschlands waren. Wenn es schon um nationale »Befreiung« geht, müsste man aber auch das Lied der tschechischen, polnischen, ungarischen usw. nationalen Wiedergeburt mitsingen. Sind die Maoisten also für die nationale Unabhängigkeit der europäischen nationalen Staaten? Dann aber müssten sie – vom demokratisch-national-bürgerlichen Standpunkt aus, wohlgemerkt – nicht nur die Politik der »neuen Zaren« in Frage stellen, sondern auch die Politik von »Väterchen« Stalin (der übrigens nicht zögerte, die imperialistische Politik der alten Zaren gegenüber Japan zu fordern!) . Stellt man aber wieder die Frage nach den von der UdSSR unterdrückten Nationalitäten (die einen wichtigen Aspekt für den proletarischen Klassenkampf hat) als Achse einer (übrigens utopischen Wiederherstellung der alten nationalen Souveränitäten, so bedeutet das, dass man gegen die europäische Einheit laufen muss, eine europäische Einheit, der China frenetische Lobeshymnen singt. Möge dieser Exkurs dazu dienen, herauszustellen, dass es China keineswegs um die »nationale Sache« geht, sondern um ein gewisses Kräfteverhältnis zwischen den imperialistischen Blöcken.

In der Tat sprechen die Chinesen von Westeuropa, als handelte es sich um eine nationale Einheit und nicht um eine Schlangengrube, in der sich die Vipern gegenseitig beissen.
»Heute sind viele europäische Länder erneut vor die Frage der Verteidigung ihrer nationalen Unabhängigkeit gestellt. Für die europäische Arbeiterklasse geht es abermals um die Behauptung der Position und der Zukunftschancen, die sie sich erkämpft hat. Ein nationaler Krieg gegen grossangelegte Aggression, Versklavung und Massenmord durch eine Supermacht ist heute in Europa nicht nur immer noch möglich und vorstellbar, sondern auch immer noch unvermeidlich, fortschrittlich und revolutionär.« (S. 66)
Dies ist zum Teil eine wortwörtliche Wiederholung dessen, was Lenin über die damalige Möglichkeit eines Krieges von Indien und China gegen den Imperialismus sagte, mit der kleinen, unwesentlichen »Variante«, dass die Rolle Indiens nunmehr von … Europa gespielt werden soll!

Die »Verteidigung des europäischen Vaterlandes«

Auf dieser eifrigen Suche nach den mehr als besudelten nationalen Bannern der europäischen Bourgeoisie, wobei vor keinem Taschenspielertrick haltgemacht wurde, konnte die Rechtfertigung der »Vaterlandsverteidigung« nicht fehlen. In dieser Beziehung wagt man, Lenin zu zitieren, der schrieb:
»Handelt es sich in einem Kriege um die Verteidigung der Demokratie oder um den Kampf gegen das Joch, das auf einer Nation lastet, so bin ich durchaus nicht gegen einen solchen Krieg, und ich fürchte das Wort ›Vaterlandsverteidigung‹ nicht, wenn es sich auf diese Art von Krieg oder Aufstand bezieht« (S. 64, »Offener Brief an B. Souvarine«, 1916).[22]

Anhand dieser und anderer Zitate will die »Volkszeitung« beweisen, dass
»auch in den entwickelten Ländern Europas (…) der Krieg zur Verteidigung der nationalen Unabhängigkeit unter bestimmten Bedingungen nicht nur erlaubt, sondern auch notwendig und revolutionär« sei. So schreibt man: »In den 30er Jahren, als die faschistischen Kräfte wüteten, die Bedrohung durch Aggressionskrieg zusehends stärker wurde und der Kriegsausbruch bevorstand, rief die Kommunistische Internationale die Arbeiterklasse dazu auf, eine breite Einheitsfront gegen Faschismus und Krieg zu bilden. Nach dem Ausbruch des Aggressionskrieges beteiligte sich die Arbeiterklasse aller Länder aktiv am antifaschistischen Krieg für die Verteidigung der nationalen Unabhängigkeit! Sie hat einen heldenhaften Beitrag zum Sieg in diesem Krieg geleistet« (S. 65).

Doch gerade dieser Sieg hat den USA die absolute Herrschaft über die Welt, bzw. der Sowjetunion die Herrschaft im Osten gesichert und die »nationale Unabhängigkeit« Europas (sprich: die Fähigkeit Europas, andere Völker wie früher auszurauben) verringert. Doch gerade im Namen dieser »Unabhängigkeit« ist man bereit, sich an einem Krieg gegen einen x-maligen »Aggressor« aktiv zu beteiligen. Lenin selbst aber wird auf die beste Weise darauf antworten! Lesen wir zunächst den ersten Satz:
»Aber vom marxistischen Standpunkt aus haben solche allgemeinen und abstrakten Definitionen wie ›Apatriotismus‹ absolut keinen Wert. Vaterland und Nation sind historische Kategorien.«.[23]

Die Demokratie ist auch eine historische Kategorie:
»So wäre es zum Beispiel direkt lächerlich, wenn man die Legitimität der Kriege im Jahre 1793, der Kriege Frankreichs gegen die reaktionären europäischen Monarchien, oder der garibaldischen Kriege usw. leugnen würde … Ebenso lächerlich wäre es, wenn man die Legitimität von Kriegen der unterdrückten Völker gegen ihre Unterdrücker nicht anerkennen würde, die auch heute möglich sind, zum Beispiel den Aufstand der Iren gegen England oder einen Aufstand Marokkos gegen Frankreich, der Ukraine gegen Russland usw. …« (»Offener Brief an Boris Souvarine«, Lenin, Werke, Bd. 23, S. 200).
Dies sind die »demokratischen« Kriege, wenn man diesen Ausdruck in einem historischen Sinne und nicht im abstrakten, der für uns nicht den geringsten Wert hat, benutzt.

Die demokratische Propaganda behauptete, dass England und Frankreich, die vom deutschen Nazismus bedroht waren, mit Irland und Marokko vergleichbar wären! Diese Argumente werden gegenüber der russischen Drohung wiederaufgewärmt, wobei der »Erzfeind«, nämlich Deutschland, diesmal geschützt werden soll.

Wir waren aber bei der Einschätzung, die Lenin machte (in demselben Brief):
»Hätten zum Beispiel 1796 mit gesundem Menschenverstand begabte Sozialisten England das Recht auf ›Vaterlandsverteidigung‹ zusprechen können, wenn sich die revolutionären französischen Truppen mit den Iren verbrüdert hätten? Dabei waren es doch die Franzosen, die damals England angriffen; und die französische Armee bereitete sogar eine Landung in Irland vor! Und könnte man morgen Russland und England das Recht auf ›Vaterlandsverteidigung‹ zuerkennen, wenn sie, nachdem Deutschland ihnen eine Lehre erteilt hat, von Persien im Bunde mit Indien, China und anderen revolutionären Nationen Asiens, die ihr 1789 und ihr 1793 durchmachen, angegriffen werden?« (a.a.O., S. 203).

Wie kann man heute dem imperialistischen Europa das Recht zuerkennen, »das Vaterland zu verteidigen«, ohne dem Grossmachtchauvinismus zu verfallen?

Die »Teilung in drei Welten« aber will ja der europäischen Demokratie eben die frischen Farben ihrer Morgendämmerung von 1789 wiederverleihen, und dies dank der Tatsache, dass Russland an den Grenzen riesige Mengen von Vernichtungswaffen anhäuft. Es ist ein bisschen zu wenig, um das proletarische Banner ins Meer zu werfen:
»Als ob das Wesen der Sache darin bestünde, wer zuerst angegriffen hat, und nicht darin, welches die Ursachen des Krieges sind, welche Ziele der hat und welche Klassen ihn führen (»Offener Brief an Boris Souvarine«, a.a.O.).

Für die »Theorie der Drei Welten« hätte ein Krieg, an dem sich einerseits Russland, andererseits die reaktionären bürgerlichen Demokratien beteiligen, die gleiche Bedeutung wie der Krieg gegen Russland, den Marx und Engels in der Mitte des vorigen Jahrhunderts befürwortet hatten. Er würde kein imperialistischer Krieg sein, sondern die Fortsetzung des »demokratischen Kreuzzuges« des 2. Weltkrieges, der nicht für einen imperialistischen, sondern einen demokratischen Krieg gehalten wird, als wäre die Geschichte um 100 Jahre zurückgegangen.

Und in einer – und einer einzigen – Beziehung stimmt das auch: Die Klassenbewegung des Proletariats wurde um 100 Jahre zurückgeworfen! Doch gerade in dieser Beziehung möchten die Maoisten, dass die Geschichte noch weiter zurückgeht, um das Proletariat wieder zum blossen Anhängsel der inzwischen reaktionär gewordenen demokratischen Bewegung zu machen.

Im Folgenden werden wir sehen, dass sich die Sache auch im Hinblick auf die Dritte Welt nicht anders verhält.

• • •

Die Zusammenstösse zwischen den Räuberstaaten können ihre wechselseitigen Kräfteverhältnisse sogar radikal umkehren, dies führt aber nicht zwangsläufig zu einer Zerstörung ihres wenn auch nicht aktuellen, so doch immanenten imperialistischen Charakters. Ein besiegter Staat kann unter einer militärischen, politischen, wirtschaftlichen Knechtschaft daran gehindert werden, imperialistisch aufzutreten. Unter dem Antrieb einer ökonomischen Wiedergeburt wird jedoch die imperialistische Bestrebung wieder auftauchen, zunächst unter dem Deckmantel der »nationalen« Forderungen, welche aber in die Forderung des eigenen Imperialismus hinüberwachsen wird. Gerade zu dem Zeitpunkt, als wir an diesem Artikel arbeiteten, wurde die Frage der »deutschen Lokomotive« wiederaufgeworfen, die sich gegen ihre Rolle als »Zugpferd« der schwächeren europäischen Wirtschaften wehrte, was diese (laut der amerikanischen Anklage gegen Helmut Schmidt) der Gefahr aussetzen soll, in die Krallen des Eurokommunismus (und laut den Chinesen in diejenigen Breschnews) zu fallen.

Diese Episode ist hochinteressant. Sie beweist, dass das deutsche nationale Interesse (d. h. der Nation der deutschen Kapitalisten) anfängt, in immer schärferen Widerspruch zu dem nationalen Interesse des amerikanischen Imperialismus (d. h. des mächtigsten Weltreichs) zu treten. Hier kann man die Frage stellen (auch wenn die Antwort wegen der militärischen Kräfteverhältnisse heute schwerfällt), wie lange noch die BRD und auch Japan in der aktuellen Rolle einer Unterwerfung unter die allgemeinen Interessen jenes imperialistischen Reiches verbleiben können, dessen Bestandteile sie sind und in dessen Sphäre sie früher sehr gute gemeinsame Geschäfte gemacht haben. Diese Frage wird vor allem in Anbetracht einer weiteren Verschärfung der Krise immer dringlicher. Zum Leidwesen der chinesischen Strategie kann mit dem Abschluss dieser Phase der guten Geschäfte die Phase der Gegensätze durchaus eintreten und damit die Ergebnisse des 2. Weltkriegs zum grossen Teil in Frage stellen.

Übrigens erklären selbst die Chinesen, dass der Kampf bis aufs Messer zwischen den beiden Supermächten das Ergebnis des 2. Weltkriegs ist. Wie lange wird aber der Status quo, der aus diesem Krieg hervorgegangen ist, noch andauern? Und sind es nicht die Chinesen selbst, die ihn wieder in Frage stellen wollen, da sie heute im Gegensatz zu früher eine Macht geworden sind? Das Problem, das sie zusammen mit anderen, neuen bürgerlichen Nationen haben, ist dasjenige einer neuen und »gerechteren« Aufteilung der Welt. Die relative Schwäche der europäischen Staaten ist selbst ein Ergebnis des Krieges, das heute einer breiten Palette von Nationen nicht zum Vorteil gereicht. Was wollen diese Staaten anderes als die demokratische Zusammenfügung von internationalen Interessen (Interessen an einer Neuaufteilung der Welt), Voraussetzung eines fälschlicherweise demokratisch genannten Krieges zwischen imperialistischen Staaten?

Der Widerspruch ist offensichtlich: auf der einen Seite beruft man sich auf die Beteiligung am 2. Weltkrieg (Stalin), auf der anderen Seite muss man mit seinen objektiven Ergebnissen abrechnen, nämlich den beiden Supermächten. Auf der einen Seite spendet man dem Zyklus von nationalen Kämpfen Beifall, der sich bei Kriegsende eröffnet hat, auf der anderen zetert man über das objektive Ergebnis dieses Prozesses, nämlich die Verschärfung einerseits der Gegensätze zwischen den Imperialismen, andererseits der Gegensätze zwischen den neuen »souveränen Nationen« selbst, die auf der Suche nach »Lebensraum« sind. Auf der einen Seite wird der 2. Weltkrieg noch als Kreuzzug der Demokratie und des Sozialismus betrachtet (»das sozialistische Vaterland« hätte sich durch den Krieg ins »sozialistische Lager« verwandelt), auf der anderen Seite muss man unter tausend Mystifikationen und lächerlichen Erklärungen über den »von der Chruschtschow-Clique verratenen Sozialismus« doch zur Kenntnis nehmen, dass die Niederlage eine doppelte war: für die Demokratie wie für den Sozialismus. Hinter alledem steckt die Verehrung für »das Faktische«. Es handelt sich aber um eine vollendete Tatsache, vor der man sich beugt, solange man – aufgrund der eigenen Klassen- oder Staatsposition – nicht in der Lage ist, die objektive Logik ihres Werdegangs zu sehen. Wer den »fortschrittlichen Krieg« gewünscht hat, statt den Bürgerkrieg, d. h. den revolutionären Krieg gegen den inneren Feind, der erntet neue und tiefer greifende Klassen- und Staatengegensätze und hinkt hinter der Wirklichkeit mühevoll her, geschmückt mit den 1000 Blumen von neuen und ohnmächtigen Theorien.

Wie die Einheit der imperialistischen Blöcke, so ist auch die Einheit der »antiimperialistischen« Blöcke nur eine brüchige. Zu glauben, dass die Länder der dritten Welt eine Einheit darstellen, bedeutet, dass man von einem völlig abstrakten Begriff von Demokratie und Gerechtigkeit ausgeht. In Wirklichkeit sind die ökonomischen Bedingungen dieser Länder sehr verschieden. Nicht nur und nicht so sehr statistisch gesehen, sondern auch und insbesondere vom Standpunkt der Dynamik der sozialen Kräfte, die dort eine bestimmende Rolle spielen, und des Zeitpunkts der historischen Entwicklung, an dem sich diese Länder befinden. So unterscheidet sich Ägypten 1978 vom sozialen Standpunkt her nicht wesentlich vom Ägypten 1956; doch die politische Orientierung ist entgegengesetzt. Warum? Die Klassen, die damals herrschten und die an den westlichen Imperialismus gebunden waren (vor allem an Frankreich und England) sind besiegt worden. Nunmehr spielt die einheimische Bourgeoisie eine gewisse Rolle, die sie vorher nicht hatte. Die imperialistischen Siegermächte (USA, UdSSR) haben die Mittel für einen »Entkolonialisierungsprozess« geliefert, weil dieser in ihrem Interesse lag. Sie haben sich den Einfluss auf das Land (mitunter mit Hilfe von Kriegshandlungen ihrer Stellvertreter) untereinander geteilt und lösten sich bei den verschiedenen Wenden gegenseitig ab, bis hin zu den jüngsten Ereignissen, die jedem gegenwärtig sind. Dieses Beispiel zeigt schon mit ausreichender Klarheit, dass der imperialistische Krieg zwar »den revolutionären Fortgang der Geschichte beachtlich beschleunigt hat«, in dem Sinne, dass – wie die Chinesen schreiben – die Länder der Dritten Welt
»zu einer weltweiten, antiimperialistischen Streitmacht geworden sind, die sich in die heftigen, weltweiten revolutionären Kämpfe eingereiht hat« (S. 44)
Es ist aber nicht zu leugnen, dass dieser Prozess in einem gewissen Sinne und Ausmass vom neuen Imperialismus (USA und UdSSR) begünstigt wurde, der den alten europäischen Kolonialismus bekämpfte, um in den neuen »unabhängigen« Ländern eine eigene Machtstellung aufzubauen. Auf lange Sicht begünstigt dieser Prozess allerdings auch nicht die heutigen Herrscher der Welt: die Gegensätze vertiefen sich weiter, und neue nationale Blöcke, neue »Pole«, neue Interessen bilden sich. Dies ist ein Bestandteil der antagonistischen Kräfte der kapitalistischen Wirtschaft, welche die Welt, ob jung oder alt, beherrschen. Die »Dritte Welt« kennt jedoch andere Fälle, wie Saudi-Arabien, Jordanien, den Iran und viele weitere Länder, die ihre Klassengliederung keineswegs geändert haben und auch nicht ihre Orientierung offener Stellungnahme für einen bestimmten imperialistischen Block, obwohl diese Länder seit wenigen Jahren eine enorme wirtschaftliche Entwicklung durchmachen. Es handelt sich um Länder, die man als Teile der »Dritten Welt« betrachten kann, wenn man unter diesem Begriff die geographische Zugehörigkeit versteht. Vom politischen Standpunkt aber sind sie die Wachhunde des imperialistischen Status quo und kontrollieren die bürgerlich-revolutionären wie die proletarischen Bewegungen in jenen Gebieten der »Dritten Welt«, für die sie »zuständig« sind. Und wenn Sadat bei seinem Besuch in Europa sagt, dass Ägypten »mit Europa rechne«, so stellt er sich auf die gleiche Ebene wie die reaktionärsten Länder seiner Region. Gerade diese Teilung, die quer durch die Dritte Welt läuft, leugnen die Chinesen voll und ganz, aus Rücksichtnahme vor ihren eigenen nationalen Interessen:
»Der von den lateinamerikanischen Ländern geführte Kampf gegen die Seevorherrschaft der Supermächte, der Kampf der arabischen Länder und anderer ölexportierender Länder der Dritten Welt zur Verteidigung ihrer Ölrechte sowie der Kampf weiterer rohstoffproduzierender Länder haben dem Imperialismus und Hegemonismus unerwartet schwere Niederlagen bereitet« (S. 49).

Wenn man nicht versteht, dass die »ölexportierenden Länder« in der dritten Weit die besten Verbündeten des Imperialismus sind – von dem sie in doppelter Hinsicht und mit doppeltem Interesse abhängig sind –, dann stellt man sich nicht nur gegen die proletarische Revolution, was nicht verwunderlich ist, sondern auch gegen die »nationale Unabhängigkeit«, die man ja zum Endziel erhoben hat.

Drei Welten oder zwei Kriegsfronten?

Zu viele Welten für einen einzigen Krieg

Dass diese strategischen Überlegungen made in China zu den wichtigsten Inhalten der »Theorie der Drei Welten« gehören, lässt sich nicht nur und nicht so sehr aus der Untersuchung des langen Leitartikels der »Remnin Ribao« vom 1. November 1977 ableiten, der diese Theorie illustriert, sondern vor allem aus der chinesischen Aussenpolitik selbst. Im übrigen genügt es, die »schönen Worte« der Theorie mit den weniger schönen Taten zu vergleichen, damit das im Namen des »Mao Zedong-Gedankens«[24] gefeierte theoretische Luftschloss der Hua Guofeng und Co. in seiner ganzen makabren Tragweite erscheint und so als vollkommen entlarvt angesehen werden kann.

Weit davon entfernt, eine Botschaft zur Befreiung der dritten Welt und des internationalen Proletariats zu sein, zeigt sich »die Theorie der Drei Welten« als ein drohender Aufruf zugunsten einer breiten militärischen und kriegerischen Koalition gegen die verhassten »neuen Zaren«, die Sowjetunion.

Es lohnt sich, schon jetzt vorwegzunehmen, dass diese Theorie, wenn sie von der verklausulierten chinesischen Sprache – und sie ist nicht nur aus kultureller Tradition verklausuliert, sondern auch aus eigenem Interesse – in die pragmatische und merkantilistische Sprache der Weltstrategie übersetzt wird (und diese haben gerade immer die Angelsachsen beherrscht), sich zwangsläufig als Theorie der zwei Fronten zeigen wird, von denen selbstverständlich nur die eine die »gerechte« Sache vertreten soll.

»Die sozialistischen Länder, die Stütze des internationalen Proletariats, und die unterjochten Nationen, die der grössten Ausbeutung und Unterdrückung ausgesetzt sind und die überwältigende Mehrheit der Weltbevölkerung ausmachen, bilden gemeinsam die Dritte Welt. Sie stehen in vorderster Front des Kampfes gegen die beiden Hegemonialmächte und sind die Hauptkraft im weltweiten Kampf gegen Imperialismus und Hegemonismus. Die entwickelten Länder zwischen diesen beiden Welten bilden die zweite Welt. Sie unterdrücken die unterjochten Nationen und beuten sie aus, sind jedoch gleichzeitig der Kontrolle und Schikane durch die Supermächte ausgesetzt. (…) Aber sie sind noch eine Kraft, die die Dritte Welt im Kampf gegen den Hegemonismus gewinnen oder mit der sie sich zusammenschliessen kann« (S. 22/23). Die chinesischen Führer müssen wohl wissen, dass ihr Gebrüll für den Zusammenschluss der 2. mit der 3. Welt nichts anderes zu bedeuten hat, als schon heute dafür zu kandidieren, vollberechtigte Teilnehmer beim Festmahl des nächsten Weltgemetzels zu sein. Dies müssen sie wissen – es sei denn, sie träumen von einem »heiligen Krieg« der zweiten Welt und der dritten Welt gegen die beiden Supermächte (erste Welt). Allerdings, und auch dies müssen die Chinesen wissen, scheint noch jemand an diesem Festmahl teilnehmen zu wollen, auch mit antirussischer Absicht und mit einem – gelinde gesagt – gesunden Appetit: nämlich der so angeprangerte, angeklagte und geständige US-Imperialismus-Hegemonismus. Und freilich wissen die Chinesen das. Das stimmt um so mehr, als sie, die sie selbst den reaktionärsten Ländern der dritten Welt[4] und den blutrünstigsten Imperialismen der zweiten Welt[5] den Hof gemacht haben, darauf achtgeben die Tore Chinas den USA offen zu halten.

In der Tat stehen für die Chinesen die beiden Supermächte nicht auf derselben Ebene: Der Sozialimperialismus (die UdSSR) und der Imperialismus (die USA) sind nicht gleich gefährlich; der Kampf gegen den Sozialimperialismus hat den Vorrang.

Wir werden hier nicht die Gründe untersuchen, mit denen die Chinesen versuchen, diese »Bevorzugung« zu rechtfertigen.

Es handelt sich hier nicht darum, ob die UdSSR, weil sie als Imperialismus später als die USA entstanden ist oder weil ihr Imperialismus einen wesentlich militärischen Charakter hat (angesichts der relativen ökonomischen Schwäche), gezwungen ist (was in bestimmten Grenzen stimmt), eine »aggressivere« Politik zu führen und eine neue Teilung der Welt und der Einflusssphären zu verlangen[6]. Es handelt sich auch nicht um die Frage, ob sich (und dies stimmt auch in einem bestimmten Masse) der amerikanische Imperialismus trotz seiner Allmacht in einer Phase relativer Schwächung befindet; es handelt sich darum – und dies ist ein Verbrechen an der Arbeiterklasse und den revolutionären Völkern –, die Zugehörigkeit zu einer imperialistischen Front überhaupt zu befürworten!

Für diese Prediger des maoistischen Gedankenguts müssen sich unglücklicherweise die drei Welten ihrer Theorie in der Praxis in »zwei Kriegsfronten« verwandeln. Wie die Chinesen selbst erkennen müssen, ist
1) »das Ringen der Sowjetunion und der USA um Welthegemonie ein spezielles Produkt der historischen Entwicklung nach dem II. Weltkrieg«;
2) »bereiten sich aktiv die beiden Hegemonialmächte auf einen neuen Krieg zur Beherrschung der Welt vor«;
3) »plant zur Zeit [!] jede Hegemonialmacht, mit einem Überraschungsangriff auf die andere deren Kriegspotential schlagartig zu vernichten« (S. 77);
letzteres ist allerdings äusserst zweifelhaft. Werden sich die Chinesen morgen der objektiven Notwendigkeit entziehen können, Verbündete einer der zwei Fronten gegen die andere zu sein? Wie kann man die Tatsache übersehen, dass China, das bereits heute dem enormen Druck der UdSSR ausgesetzt ist, sein Lager schon gewählt hat? Ist nicht von den beiden Supermächten die UdSSR »der bösartigere, abenteuerlichere und raffiniertere Imperialismus«, mit anderen Worten für China der gefährlichere Imperialismus?

Was China sagt und was China verschweigt

Dennoch sollte man nicht glauben, dass die chinesische Teilung der heutigen internationalen Ordnung in drei Welten völlig willkürlich sei oder dass die Berufung auf einen Kampf gegen die beiden Supermächte, damit auch gegen die USA, trotz der masslosen Demagogie, rein rhetorisch sei. Wenn – wie unsere Helden durch die Stalinzitate zugeben – zum Zeitpunkt des äussersten Zusammenstosses die »Logik der Tatsachen« über jede andere Logik siegt[7], d. h. wenn man dann wie Stalin »brüderlich« das Bündnis mit den Yankees annehmen wird, so bedeutet das nicht, dass es in der Zwischenzeit keinen Spielraum gäbe für autonome Aktionen und spezifische Interessen, die man vor dem objektiven, aber hinderlichen Verbündeten von morgen schützen muss. Es gibt Vorkriegskonvergenzen, die sich von den Kriegsbündnissen der Zukunft unterscheiden und die ausgenutzt werden müssen, um in der Zwischenzeit die eigene Beteiligungsquote am Festmahl des imperialistischen Massakers zu erhöhen.

Im Grunde besteht »der Zauber« – wie die Chinesen gern die wirklichen Dinge nennen – der »Theorie der Drei Welten« (abgesehen von ihrer zersetzenden Wirkung auf die Energien des Proletariats und der national-revolutionären Kämpfe, genau hierin:
»Der Weltkrieg ist zwar unvermeidlich, aber er kann hinausgeschoben werden« (S. 74)
– selbstverständlich, um sich darauf besser vorbereiten zu können. Hier ist der Grund, weshalb sich China so heftig gegen alle Verträge wehrt, die die beiden Supermächte mit demselben Zweck periodisch und je nach Lage unterzeichnen, um den internationalen Status quo zu sanktionieren, bzw. um sich zu Lasten und auf Kosten der kleineren Mächte zeitweilig zu arrangieren.

»Der Schlüssel zur Hinausschiebung des Krieges liegt nicht – wie von einigen gepredigt – in Gesprächen und Abkommen, sondern im vereinten Kampf der Völker aller Länder gegen den Hegemonismus« (S. 74).
Wenn die dritte und die zweite Welt – erklären geduldig die Chinesen – nicht erlauben, dass
»die beiden (Supermächte) irgendwo auf der Welt Einflusssphären errichten, erweitern, aufteilen und rivalisieren (…), dann kann der Zeitpunkt der Entfesselung eines Weltkrieges durch die beiden Hegemonialmächte hinausgeschoben werden. Alle Völker werden dann im Fall des Kriegsausbruchs besser vorbereitet sein und sich in einer günstigeren Ausgangslage befinden«. (S. 75). Schrumpfstaaten und Lumpenimperialisten der ganzen Welt, vereinigt euch! Fordert eine grössere Kuchenscheibe! Verkauft euer Kanonenfutter zu einem höheren Preis! Das ist der »Internationalismus« made in China!

Die Chinesische Aussenpolitik

Russische Schläge

Wir haben gesagt, dass die Analyse der Praxis in der chinesischen Aussenpolitik die Wirklichkeit noch klarer erscheinen lässt.

Das vorherrschende Element des heutigen strategischen Verhaltens Pekings ist ohne Zweifel der wachsende Antagonismus zu der UdSSR. Seit der Jahrhundertwende hat Russland grosse chinesische Territorien, nämlich nördlich des Amur und östlich des Ussuri erobert und mit russischen ethnischen Gruppen kolonisiert. Das war der grösste Landverlust Chinas überhaupt. Jedoch erhebt China keinen Anspruch mehr auf diese Gebiete. Die beständige historische Tendenz Russlands, sich in Ost- und Südasien auszudehnen, Meere und wichtige Gebiete zu erobern, um die Einkreisung durch den nördlichen Eisgürtel zu brechen, musste sich allerdings natürlich verschärfen, nachdem der imperialistische Appetit dieses Landes infolge des 2. Weltkrieges zunahm.

Noch erdrückender für China ist die sowjetische Anwesenheit in Xinjiang[25], einem lebenswichtigen Gebiet für die Chinesen, wo die russischen Niederlassungen teilweise noch von keinem Vertrag geregelt worden sind. Ebenfalls gefährlich für die Staatsordnung der Chinesen war schon immer die russische Tendenz, die zentrifugalen Zusammenstösse der ethnischen Minderheiten, die der chinesischen Souveränität unterworfen sind, zu begünstigen, um eine allmähliche Eroberung der Steppen zu verwirklichen. Diesen Gegensatz hat China noch mit Indien in Tibet, mit der Mongolei (die unter russischem Einfluss steht) und wieder direkt mit der UdSSR an den Grenzen des sowjetischen Zentralasiens und vor allem im Norden, in einem Gebiet, das in der Nähe des industriellen Nordosten Chinas, in der Nähe Pekings, »am Herzen Chinas«, liegt. Als Staat mit »verschiedener ethnischer Zusammensetzung« kann China keine Verletzung seiner Souveränität seitens dieser nationalen Minderheiten tolerieren[8].

All diese Reibungselemente wurden nur darum teilweise beiseite gelegt, weil zwischen 1949 und 1956 China von der übrigen Welt nach dem Befreiungskrieg isoliert wurde und sich an die sowjetische Schutzmacht halten musste; es duldete die Anwesenheit der russischen Armee in Port Arthur[26] und »Konzessionen« in Dairen[27], so wie auch schwere Hypotheken für die Ausbeutung Xinjiangs.

In den folgenden Jahren versuchten die Chinesen, sich vom erdrückenden »Verbündeten« zu befreien, während die Russen zwischen 1959 und 1962, im Laufe der indisch-chinesischen Streitigkeiten, Indien unterstützten. Es kam zum »Schisma«. Auf die Gegensätze von 1956 über die ungarische Frage und den restlosen Abbruch der Hilfeleistungen an China, die Chrustchow 1960 mit einer Blockade der »sozialistischen Welt« gegenüber China verband, folgte der Konflikt über Prag 1968 (in dem die chinesischen Führer eine mögliche eigene Zukunft erblickten) und schliesslich die Zusammenstösse im Jahre 1969 im Ussurigebiet. Die »proamerikanische Wende«, die nur scheinbar plötzlich kam, stand jetzt vor der Tür: Nixons Besuch erfolgte 1972, während alle weiteren Schritte in den chinesisch-sowjetischen Beziehungen den Weg einer zunehmenden Verschlechterung gehen.

Diese kurze Untersuchung zeigt, wie tief der Antagonismus zwischen China und der UdSSR wurzelt und wie unwahrscheinlich eine dauerhafte Entspannung zwischen den beiden Staaten ist. Der eine ist dazu berufen, eine immer aggressivere Rolle auf internationaler Ebene zu spielen. Er ist nunmehr in der Lage, die Aussenpolitik von vielen Staaten in Asien dank seines massiven militärischen Einsatzes im Indischen Ozean zu bestimmen. Der andere hat die Tendenz, eine wachsende Bedeutung als kontinentale Macht zu erlangen.

Hassliebe zu den USA

Über die Sowjetunion hatte Mao gesagt: »Ihre Kraft bleibt hinter ihren wilden Plänen zurück« (S. 73). Dies gilt aber ebenso für China. Militärisch vom sowjetischen Koloss verwundbar, braucht Peking (mehr noch als Moskau) Bündnisse und Unterstützungen einerseits, ökonomische und technologische Hilfe, um sich zu stärken andererseits, und auf einer Welt, wo die »Drei Welten« noch in den Schlingen der »beiden hegemonialen Fronten« gefesselt sind sollte der »Papiertiger«, der US-Imperialismus, zwangsläufig zum Partner werden.

Nach fünf Jahren kann man behaupten, dass die Wende in der chinesischen Aussenpolitik viel günstiger für die USA als für China war. Dank dieser Wende konnte Washington die Schäden der indochinesischen Niederlage auf ein Minimum beschränken, seinen Einfluss über Südostasien beibehalten und auf der globalen Ebene die strategischen Kräfteverhältnisse in Asien zu seinen Gunsten und zu Russlands Lasten flicken. Und das alles, ohne Taiwan preisgeben zu müssen (zumindest vorläufig), ohne auf irgendeines seiner Interessen in Asien zu verzichten und schliesslich ohne die Gewohnheit aufgeben zu müssen, über den Kopf Pekings mit dem sowjetischen Feind zu verhandeln, um die Verantwortung für den internationalen Status quo in den Beziehungen zu den kleineren Mächten zu teilen. Ausserdem nehmen die USA jede Gelegenheit wahr, um die Rivalität zwischen Peking und Moskau zu ihren eigenen Gunsten zu schüren: Auf diese Weise können die USA auch Japan, das von den wichtigen Ereignissen in Asien tief getroffen wurde, an sich binden. Der »Papiertiger« hat seinerseits kaum Zugeständnisse gemacht. Er beschränkt sich auf seine objektive Funktion eines »Gegengewichts« zu der Aggressivität des Kreml in Südostasien und im Indischen Ozean.

Unglücklicherweise ist für die Chinesen das Brüllen des Tigers noch furchtbar genug, so dass es Carter gestattet ist, nach Gutdünken zu handeln und etwas mehr zu beanspruchen als die brillanten Mao-Jünger. Zu ihrer grössten Beschämung hat Brzezinski die Lösung des Taiwan-Problems unbefristet vertagt: er möchte, dass die neuen Mandarine den Atem des sibirischen Bären noch etwas zu spüren bekommen, um dann noch zwingendere Bedingungen für seine Unterstützung diktieren zu können. Es war gerade die allmähliche Abkühlung der chinesisch-amerikanischen Beziehungen nach der aufsehenerregenden anfänglichen Liebäugelei, die die »Volkszeitung« dazu führte, die »Theorie der Drei Welten« hervorzuzaubern. Sicherlich steht diese »Theorie« in Kontinuität mit den aussenpolitischen Thesen von Zhou Enlai[28]; sie stellt aber sozusagen eine Anpassung an alle veränderten internationalen Bedingungen dar, und sie wird natürlich mit dem »blendenden« Synkretismus des »Mao Zedong-Gedankens« verschleiert.

Europa, Europa, hier geht die Sonne auf!

Opfer einer in seiner Lage unhaltbaren technologischen und produktiven Rückständigkeit, braucht China verzweifelt westliche Waren und Technologien, um seinen Produktions- wie auch seinen Militärapparat entwickeln zu können. In Anbetracht seiner Schwierigkeiten in den Aussenbeziehungen mit den Amerikanern, die natürlich dem empfindlichen japanischen »Verbündeten« und nicht einem schon auf den Westen angewiesenen China den Vorrang geben, musste Peking an andere Türen klopfen. Hierher rühren seine grossen Reden über die Wichtigkeit der zweiten Welt und die Wiederaufnahme einer harten Sprache gegenüber den USA. Im Grunde versucht China im Rahmen des veränderten internationalen Gefüges, die Reibungen und die Gegensätze zwischen den verschiedenen imperialistischen Ländern auszunutzen. Es ruft Europa und Japan auf, mit China zusammen eine »gerechtere« Teilung der Einflusssphären und eine grössere Autonomie zu verlangen. Dies bedeutet, dass die Frage der zukünftigen Zugehörigkeit zu dieser oder jener der beiden Kriegsfronten gegenwärtig in der Schwebe bleiben muss (zumindest für die anderen) und dass sich eine »Front« von subimperialistischen Mächten (einschliesslich ihrer »Ableger« in der Dritten Welt) bilden muss, um die Verhandlungsposition ihrer Mitglieder gegenüber den beiden Supermächten zu bessern. In diese Richtung gehen die zahlreichen technischen und Handelsverträge mit Japan[9], zumal das letzte Handelsabkommen mit einem für China beispiellosen Handelsvolumen wie auch der neue Handelsvertrag mit der EG. Dass die BRD und Japan nun den Löwenanteil im Handel mit China haben, ist ein Zeichen mehr für die Beschaffenheit der Partner Chinas.

Worauf die »Theorie der Drei Welten« materiell beruht, ist also offensichtlich. Es handelt sich darum herauszufinden, ob die ständige Hofierung Japans und Westeuropas mit den Zielen eines günstigen Austausches von Industriewaren gegen Erdöl zu einem sicheren Erfolg führen kann. Trotz seines Versuchs, die westlichen Länder heranzulocken, um seine Entwicklungsabsichten zu verwirklichen, zeigt China – ganz abgesehen von der Frage der politischen Garantien – in einem noch höheren Masse dieselben Grenzen der ökonomischen Aufnahmefähigkeit, die auch Russland kennzeichnen. Moskau versucht, seine unausreichende ökonomische Dynamik durch eine aggressive Tendenz und mit vorwiegend militärischen Mitteln auszugleichen, um die eigene imperialistische Rolle spielen zu können. Auch Peking ist gezwungen, einen ähnlichen geschichtlichen Weg zu gehen.

Gelbe Flecken in Schwarzafrika

In ihrem Bestreben, den sowjetischen Einfluss hinter eine Linie zurückzuhalten, die von Südostasien über den Indischen Ozean und das Horn von Afrika bis zur afrikanischen Atlantikküste verläuft, haben sich die Chinesen in die gewaltigen Kämpfe um die Aufteilung Afrikas verwickelt. Insbesondere ist es ihnen gelungen, immer um den sowjetischen Einfluss im Zaum zu halten, »freundliche« Beziehungen mit Tansania und Zaire (letzteres einer der wesentlichen Verbündeten der USA in Afrika) aufzunehmen und sich mehr als die Russen in mehreren Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika einzunisten (FRELIMO in Mosambik, ZANU in Rhodesien, SWAPO in Namibia , UNITA und FLNA in Angola). Für eine gewisse Zeitspanne schien es sogar, als hätten die Chinesen den grösseren Einfluss. Die Russen schienen nahe dran einen schweren Rückschlag zu erleiden, vor allem in Angola, wo sie infolge ihrer Unterstützung einer Fraktion, die in Opposition zu Agostinho Neto[29] stand, bereits Schwierigkeiten mit der MPLA gehabt hatten. Als aber die Russen jedes Zögern aufgaben und dazu übergingen, die heutige Führungsfraktion der MPLA zu unterstützen und sich auch zu einer Operation von kolossaler Tragweite verpflichteten, haben die Chinesen eine schwere Niederlage erlitten. Die Chinesen sind auf jeden Fall nicht in der Lage, die strategische Überlegenheit Russlands (das sich in Afrika immer mehr engagiert, siehe Angola und Äthiopien) auf globaler Ebene zu überwinden. Sie behalten jedoch eine wichtige Rolle in der Ausbildung der Guerillakämpfer im südlichen Afrika und sind in Ländern wie Zaire und Ägypten präsent.

Über die Wechselfälle der russisch-chinesischen Gegensätze in Afrika hinaus, ist es interessant zu sehen, dass in dieser für die Weltstrategie lebenswichtigen Region
»die chinesische Position derjenigen unserer ›Falken‹ im Westen nahesteht« und dass »sich die Chinesen als faktische Verbündete der USA betrachten und ihre Intervention gegen die Russen und die Kubaner verlangen«[10].

So erweist sich, dass die Chinesen nicht weniger als die Russen in eine Politik der Ausnutzung der afrikanischen Konflikte zu ihren eigenen Gunsten vertieft sind und davor nicht zurückschrecken, die reaktionärsten Regimes zu unterstützen. Deshalb schreiben die Kommentatoren des westlichen Imperialismus, dass
»das stillschweigende Bündnis zwischen dem Westen und China sich fortsetzen wird auf der Grundlage der gemeinsamen Absicht, die russischen Interessen zu hintertreiben« weshalb er »aus diesem gemeinsamen Interesse profitieren könnte«[11].
Dies könnte etwa so geschehen, dass der Westen die chinesischen »Berater » ausrüstet, damit diese unter den gleichen »technischen« Bedingungen wie die Russen arbeiten können.

Die chinesische »Unterstützung« für die Völker Südostasiens

Sind die chinesischen Einflussmöglichkeiten in Afrika gering, so verhält es sich in Südostasien anders. Hier spielt China eine entscheidende Rolle, und zwar seit langem. Bereits 1954 hatte es in Genf die Teilung Vietnams mit unterzeichnet. Geleitet von seinen nationalen Interessen im »Konzert« der Weltdiplomatie, hat es nach den Pariser Abkommen von 1973 die frühere, ohnehin tropfenweise Lieferung von Kriegsmaterial an die kambodschanischen »Roten Khmer« für acht Monate eingestellt – zu demselben Zeitpunkt also, zu dem die USA Kambodscha unter ihren Bomben verwüsteten (die Gesamtsprengkraft der Bomben, die in dieser Phase auf Kambodscha geworfen wurden, war 7 bis 8mal grösser als seinerzeit in Hiroshima)! Nicht zuletzt dank der kriminellen Politik der Chinesen wie der Russen im Laufe des ganzen Indochina-Krieges hat die Befreiungsbewegung einen nur unvollständigen Erfolg gehabt[12].

Jede Unterstützung, die von den Staatsinteressen einer bürgerlichen Macht diktiert wird, bildet eine wahrhaftige Falle für die antikolonialen Bewegungen und kommt ihnen teuer zu stehen. Wir können hier nicht die ganze Geschichte der Befreiungsbewegungen im südostasiatischen Raum seit dem Ende des 2. Weltkrieges behandeln. Es dürfte aber genügen, auf die Folgen der Wiederannäherung zwischen China und den USA hinzuweisen. Dank dieser Wiederannäherung – die das Kräftegleichgewicht zwischen den zwei imperialistischen Grossmächten in diesem Raum zugunsten der USA stabilisiert hat – konnten sich die USA »strategisch« aus dem südostasiatischen Festland zurückziehen, um ihr Verteidigungspotential in der dortigen Inselwelt zu konzentrieren: Die Gefahr einer Ausbreitung des Sieges in Indochina, der eine Signalwirkung im ganzen Gebiet hätte haben können, ist zunächst gebannt, und die USA konnten sich sogar erlauben, auf ihre direkte Präsenz in Thailand zu verzichten. Aufgrund seiner nationalen Interessen bürgt China für die Aufrechterhaltung der Teilung der indonesischen Halbinsel. Um Vietnam zurückzuhalten, liess China jüngst selbst der thailändischen Diktatur Unterstützung zukommen und gerade zu dem Zeitpunkt, wo dieser Artikel verfasst wurde, war es dabei, eine intensive diplomatische Tätigkeit gegenüber den Ländern des Asean zu entfalten. Was die Befreiungsbewegungen in dieser Region davon zu erwarten haben, kann man sich vorstellen.

Schlussfolgerung

Nicht von Zufalls her kann der NATO-Oberkommandierende Alexander M. Haig behaupten:
»Es entbehrt nicht jeder Logik zu sagen, dass China das 16. Mitgliedsland des Atlantischen Bündnisses ist.«[13]

Die »Theorie der Drei Welten« ist, wie wir ausführlich dokumentiert haben, nur Ausdruck aktueller Erfordernisse der Aussenpolitik Chinas in einer Phase der Entwicklung des internationalen Machtgefüges, in dessen Rahmen der Kuhhandel im Hinblick auf den künftigen Weltkrieg noch nicht abgeschlossen ist. Es gibt noch Spielraum, den man ausnutzen kann, um im entscheidenden Augenblick in einer besseren Lage zu sein als heute. In einer solchen Lage, wie sie heute existiert, behalten die Gegensätze noch die Oberhand über das Kriegsbündnis.

Für die Zeit, wo sich die »drei Welten« in zwei Kriegsfronten polarisieren werden (die nach der heutigen historischen Situation von der UdSSR einerseits und von den USA andererseits geführt werden), hat China auf jeden Fall bereits seinen Posten gefunden, trotz seines heutigen Geschreis gegen den US-Imperialismus. Der »Theorie der Drei Welten«, die sie vor den Karren des imperialistischen Kriegs spannen will, antworten die Proletarier mit der Theorie des Klassenkampfs, mit dem Marxismus: gegen jeden militärischen und politischen Block, für den revolutionären Defätismus in jedem »Vaterland«, für die Internationale Revolution!

Notes:[14]
[prev.] [content] [end]

  1. Deutsch in der gleichnamigen Broschüre vom Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking, 1977. Nur mit Seitenangabe gekennzeichnete Zitate beziehen sich auf diese Broschüre. [⤒]

  2. Siehe hierzu: »China, Freund der Feinde seiner Feinde« in unserer italienischen Zeitung »Il Programma Comunista« Nr. 17, 16. 9. 1977 [⤒]

  3. So bemerkt die italienische Bourgeoisie über die BRD:
    »Bisher hat sich die Aufmerksamkeit ausschliesslich auf die Erfolge der Ausfuhr gelenkt. Im Laufe der 70er Jahre konnte man aber ein aufsehenerregendes Wachstum der deutschen Auslandsinvestitionen verzeichnen, sowohl in der dritten Welt als auch in Europa und den USA. In dieser Rolle tritt der europäische Koloss immer öfter an die Stelle des amerikanischen Kolosses.« (»Corriere della Sera«, 13. Februar 1978).
    Es ist allgemein bekannt, dass vom Standpunkt des Eindringens der Kapitalien in ihre Einflusssphäre die USA gewiss nicht die UdSSR fürchten, sondern vielmehr Deutschland und Japan. Dem Anschein nach aber ignorieren die Maoisten, die den imperialistischen Charakter der USA sehr zu Recht von ihren Auslandsinvestitionen ableiten, aus Liebe zur Sache offensichtlich (und absichtlich) den bedrohlichen Kapitalexport Deutschlands, den die UdSSR nachahmen möchte, aber nicht nachahmen kann. Aber wir wissen, wie die Sachen laufen: Es genügt, dass sich die nationalen Interessen Chinas wandeln, damit das deutsche Kapital als Übel betrachtet wird, während andere dann die Anerkennung ihrer Nützlichkeit für die »Entwicklung der Völker« erhalten werden. [⤒]

  4. »Wenige (Länder der dritten Welt) sind Reaktionäre (sic!) (…) aber all diese komplizierten Umstände ändern nichts an der grundlegenden Tatsache dass die dritte Welt die Hauptkraft gegen Imperialismus und Hegemonismus ist« (S. 53). [⤒]

  5. Wir können nicht umhin, hier zu bemerken, was Hua Guofeng und Deng Xiaoping [im Originaltext: Teng-Hsiao-Ping (sinistra.net)] aus Anlass des letzten Besuchs von Barre in Peking behauptet haben:
    »Die immer häufigere Intervention von Giscard [gemeint ist Giscard d’Estaing, Staatspräsident Frankreichs von 1974 bis 1981. (sinistra.net)]in Afrika wird von uns als positiv betrachtet, in dem Masse, wie sie auf die Eindämmung des sowjetischen Einflusses abzielt, ohne langfristig stark genug zu sein, jede Entwicklung zugunsten Chinas blockieren zu können« (»Le Monde« vom 18. 1. 1978). Schönes Beispiel einer Unterstützung des Kampfs der dritten Welt gegen den Imperialismus! [⤒]

  6. Siehe hierzu in »Kommunistisches Programm« Nr. 17, Februar 1978, die Untersuchung Russlands im Artikel »Drang nach Osten – Drang nach Westen!« [⤒]

  7. »Die Unvermeidlichkeit des Krieges geht heute hauptsächlich von den kapitalistischen USA und der Sowjetunion, in der der Kapitalismus restauriert worden ist, aus. Das Prinzip, dass die Logik der Tatsachen jeder anderen Tatsache überlegen ist, ist also nicht überholt« (S. 17).
    Die Anspielung auf ein mögliches Kriegsbündnis mit den USA gegen die SU ist offensichtlich. [⤒]

  8. Nach Enrica Collotti Pischel, »Die Aussenpolitik Chinas nach Mao, historische Bedingungen und Entwicklungslinien« in »Politica Internazionale«, Nr. 2, 1977. [⤒]

  9. Allerdings sind Chinas Beziehungen mit Japan nicht ungetrübt. Der seit geraumer Zeit diskutierte »Friedensvertrag« zwischen den beiden asiatischen Grossmächten, in den die Chinesen natürlich eine gegen die UdSSR gerichtete »Antihegemonieklausel« einbauen wollen, bahnt sich nur zögernd an, denn Japan will sich nicht gegen die UdSSR binden, sondern sich alle Hände offen halten. [⤒]

  10. Colin Legum in einem Artikel über »Die Sowjetunion, China und der Westen im südlichen Afrika«, »Foreign Affairs«, Juli 1976 (zitiert nach der italienischen Übersetzung in »Affari Esteri«) [⤒]

  11. Colin Legum in einem Artikel über »Die Sowjetunion, China und der Westen im südlichen Afrika«, »Foreign Affairs«, Juli 1976 (zitiert nach der italienischen Übersetzung in »Affari Esteri«) [⤒]

  12. hierzu siehe »Klassenkämpfe und Zusammenstösse zwischen Staaten in Indochina« in »Kommunistisches Programm« Nr. 17, Februar 1978. [⤒]

  13. »Corriere della Sera«, 8. 2. 1978. [⤒]

  14. Diese und alle nachfolgenden Anmerkungen sind von sinistra.net im Zuge der Korrektur und Überarbeitung des Artikels eingefügt.[⤒]

  15. Zitat berichtigt nach LW, Bd. 33, S. 132. Das vollständige Zitat lautet dort: »Leider gibt es jedoch heute auf der Welt zwei Welten: die alte – den Kapitalismus, der in eine Sackgasse geraten ist und niemals nachgeben wird, und die heranwachsende neue Welt, die noch sehr schwach ist, die aber stark und gross werden wird, denn sie ist unbesiegbar.«[⤒]

  16. siehe LW, Bd. 18, S. 578.[⤒]

  17. siehe LW, Bd. 23, S. 53.[⤒]

  18. Im Protokoll des zweiten Kongress der Komintern siehe hier.[⤒]

  19. Im Protokoll des zweiten Kongress der Komintern siehe hier.[⤒]

  20. Schreibweise des Namens modernisiert, ursprünglich im Originaltext: Hua-Kuo-Feng.
    Hua Guofeng (1921–2008) wurde 1976 als Nachfolger von Mao Zedong Vorsitzender des ZK der Kommunistischen Partei Chinas. In seiner kurzen Amtszeit (bis 1980) vollzog sich der Übergang zur von Deng Xiaoping dominierten Periode der Reform und Öffnung der Volksrepublik China.[⤒]

  21. siehe MEW, Bd. 38, S. 176.[⤒]

  22. siehe LW, Bd. 23, S. 200.[⤒]

  23. siehe LW, Bd. 23, S. 200.[⤒]

  24. im Originaltext: »Mao-Tse-Tung-Gedankens«[⤒]

  25. im Originaltext: Sinkiang. Xinjiang bezeichnet seit 1958 das »Uigurische Autonome Gebiet Xinjiang«. Xinjiang wird überwiegend von Turkvölkern bewohnt, von denen die grösste Gruppe die Uiguren sind. Rund ein Fünftel der Kohle-, Gas- und Erdölvorkommen Chinas befindet sich in Xinjiang.[⤒]

  26. heute Lüshunkou, ein Stadtteil der Stadt Dalian. Der englische koloniale Namen Port Arthur leitet sich vom Royal-Navy-Leutnant William C. Arthur ab, der mit dem Kanonenboot HMS Algerine den Hafen während des Zweiten Opiumkrieges (1856–1860) sicherte.[⤒]

  27. heute Dalian, nach dem russisch-japanischen Krieg kam die Hafenstadt von 1905 bis 1945 unter japanische Kontrolle und erhielt den Namen Dairen. Unter russischer Herrschaft hiess die Stadt Dalni.[⤒]

  28. im Originaltext: Tschu-En-Lai.[⤒]

  29. António Agostinho Neto (1922–1979), angolanischer Arzt und Dichter, von 1975 bis 1979 erster Staatspräsident Angolas. Agostinho Neto war eines der ersten Mitglieder des MPLA, der »Volksbewegung für die Befreiung Angolas« und wurde früh zu deren Vorsitzenden. 1976 in einem Moskauer Krankenhaus verstorben, wurde sein Leichnam durch Spezialisten des Lenin-Mausoleums konserviert und in einem riesigen Mausoleum in Luanda, der angolanischen Hauptstadt, beigesetzt.[⤒]


Source: »Kommunistisches Programm«, Nr. 18, Mai 1978.
Korrektur und überarbeitung von sinistra.net im Oktober 2021. Chinesische Namen wurden der heute gebräuchlichen Schreibweise angepasst.

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