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REDEBEITRÄGE BORDIGAS ZUM ZWEITEN KONGRESS DER KOMMUNISTISCHE INTERNATIONALE


Content:

Redebeiträge Bordigas zum Zweiten Kongress der Kommunistische Internationale (1920)
Debatte über die Bedingungen der Aufnahme in die Kommunistische Internationale (29. Juli 1920)
Koreferat über die Frage des Parlamentarismus (2. August 1920)
Leitsätze über den Parlamentarismus, aufgestellt vom Genossen Bordiga im Namen der kommunistischen, abstentionistischen Fraktion der Sozialistischen Partei Italiens
Fortsetzung der Debatte über den Parlamentarismus (2. August 1920)
Debatte über die allgemeinen Aufgaben der KI (6. August 1920)
Notes
Source


Redebeiträge Bordigas zum Zweiten Kongress der Kommunistische Internationale (1920)

Debatte über die Bedingungen der Aufnahme in die Kommunistische Internationale (29. Juli 1920)

BORDIGA[1]: Ich möchte Euch einige Beobachtungen unterbreiten, die ich vorschlage, als Einleitung zu den von der Kommission in Vorschlag gebrachten Leitsätzen zu benutzen, und ausserdem noch eine konkrete Bedingung, die folgendermassen lautet:
»Die Parteien, die bis jetzt ihr altes demokratisches Programm aufrechterhalten, sind verpflichtet, dasselbe unverzüglich einer Revision zu unterziehen und ein neues kommunistisches Programm auszuarbeiten, den Bedingungen ihres Landes entsprechend im Geiste der Kommunistischen Internationale. Es ist Regel, dass die Programme der der Kommunistischen Internationale beigetretenen Parteien von den internationalen Kongressen oder durch das Exekutivkomitee bestätigt werden. Falls dieses letztere einer Partei die Sanktion versagt, ist die Partei berechtigt, sich an den Kongress der Kommunistischen Internationale zu wenden.«

Dieser Kongress hat eine ausserordentliche Bedeutung; er muss die ewigen Grundsätze der Kommunistischen Internationale verteidigen und festigen. Als Genosse Lenin, im April 1911 glaube ich, nach Russland zurückkehrte und einen kurzen Entwurf des neuen Programms der Kommunistischen Partei vorlegte, sprach er auch von der Neubelebung der Internationale. Er sagte, dass diese Arbeit sich auf ewige Grundlagen stützen müsste, dass man einerseits die Sozialpatrioten, andererseits die Sozialdemokraten entfernen müsse, diese Anhänger der II. Internationale, die es für möglich halten, die Befreiung des Proletariats ohne Klassenkampf mit den Waffen in der Hand, ohne die Notwendigkeit, nach dem Siege, in der Zeit des Aufstands, die Diktatur des Proletariats einzuführen, erreichen zu können.

Die Gründung der Kommunistischen Internationale in Russland führte uns zum Marxismus zurück. Die revolutionäre Bewegung, die sich aus den Ruinen der II. Internationale gerettet hatte, machte sich mit seinem Programm bekannt, und die Arbeit, die nun begann, führte zur Bildung eines neuen Staatsorganismus auf der Grundlage der offiziellen Verfassung. Ich glaube, wir befinden uns in einer nicht vom Zufall geschaffenen, sondern vielmehr in einer vom Gang der Geschichte bestimmten Situation. Ich glaube, uns droht die Gefahr, dass rechte und zentristische Elemente sich in unsere Mitte drängen.

Nachdem die Parole »Sowjetordnung« in das russische und das internationale Proletariat der Welt hinausgeschleudert wurde, erhoben sich nach Beendigung des Krieges die Wogen der Revolution, und das Proletariat der ganzen Welt setzte sich in Bewegung. In allen Ländern fand in den alten sozialistischen Parteien eine natürliche Auslese statt. Es entstanden kommunistische Parteien, die den revolutionären Kampf mit der Bourgeoisie aufnahmen.

Die darauffolgende Periode war eine Zeit des Stillstandes, da die Revolution in Deutschland, in Bayern und in Ungarn durch die Bourgeoisie unterdrückt worden ist.

Der Krieg ist jetzt beendet. Das Kriegsproblem und die Frage der nationalen Verteidigung bieten im Augenblick kein unmittelbares Interesse mehr. Es ist sehr einfach, jetzt zu sagen, dass man in einem neuen Kriege nicht wieder in die alten Irrtümer verfallen wird, d. h. in den Fehler der heiligen Einheit und der nationalen Verteidigung. – Die Revolution sei noch fern, werden unsere Gegner sagen, sie sei für sie kein Problem des Augenblicks, und sie werden die Leitsätze der Kommunistischen Internationale annehmen: die Macht der Sowjets, die Diktatur des Proletariats, den roten Terror.

Wir würden also in grosser Gefahr sein, wenn wir den Fehler machten, diese Leute in unsere Reihen aufzunehmen.

Die Kommunistische Internationale kann den Lauf der Geschichte nicht beschleunigen. Sie kann die Revolution weder schaffen noch gewaltsam hervorrufen. In unserer Macht steht es nur, das Proletariat vorzubereiten. Aber unsere Bewegung muss der Lehren, die der Krieg und die russische Revolution uns gegeben haben, eingedenk sein. Meiner Meinung nach müssen wir ihnen die grösste Aufmerksamkeit schenken.

Die rechten Elemente nehmen unsere Leitsätze an, aber in einer ungenügenden Weise, mit einem gewissen Vorbehalt. Wir Kommunisten müssen verlangen, dass diese Annahme eine vollständige ist und ohne Einschränkungen für die Zukunft.

Wir haben die erste Anwendung der marxistischen Methode und Theorie in Russland gesehen, d. h. in einem Lande, wo die Entwicklung der Klassen noch kein hohes Niveau erreicht hat. Diese Methode muss also in Westeuropa, wo der Kapitalismus besser entwickelt ist, mit grösserer Klarheit und Konsequenz angewandt werden.

Man sprach hier von einem Unterschied zwischen den Reformisten und den Revolutionären. Das ist eine veraltete Ausdrucksweise. Es kann keine Reformisten mehr geben, selbst wenn sie als Anhänger des Sozialismus den Klassenkampf zulassen, dabei aber hoffen, dass die Art dieses Kampfes eine andere sein wird als in Russland. Ich bin der Meinung, Genossen, dass die Kommunistische Internationale fest bleibt, dass sie ihren politisch-revolutionären Charakter ohne zu wanken aufrecht erhält.

Den Reformisten müssen wir unübersteigbare Barrikaden errichten. Diese Parteien müssen gezwungen werden, eine genaue Erklärung ihrer Prinzipien zu geben. Man müsste ein für alle Parteien der Welt gemeinsames Programm einführen, was leider zur Zeit nicht möglich ist. Die Kommunistische Internationale besitzt keine Mittel, um sich zu überzeugen, dass diese Leute dem kommunistischen Programm Folge leisten.

Wenn man im 16. Leitsatz sagt:
»Parteien, die bisher noch ihre alten sozialdemokratischen Programme beibehalten haben, sind verpflichtet, in möglichst kurzer Zeit diese Programme zu ändern und entsprechend den besonderen Verhältnissen ihres Landes ein neues kommunistisches Programm im Sinne der Beschlüsse der Kommunistischen Internationale auszuarbeiten«,
müsste man nach den Worten:
»diese Programme zu ändern«
folgende Worte ausstreichen:
»und entsprechend den besonderen Verhältnissen ihres Landes« und »im Sinne der Kommunistischen Internationale« streichen, und sie durch die Worte ersetzen:
»in welchem die Grundsätze der Kommunistischen Internationale in einer unzweideutigen und mit den Resolutionen der internationalen Kongresse vollständig übereinstimmenden Weise festgelegt werden. Die Minderheit der Partei, die sich gegen dieses Programm erklärt, muss aus der Parteiorganisation ausgeschlossen werden. Die Parteien, die ihr Programm geändert haben und der Kommunistischen Internationale beigetreten sind und diese Bedingung nicht erfüllt haben, müssen sofort einen ausserordentlichen Kongress einberufen, um sich darüber zu einigen.«

Diese Bedingung, über die die Vertreter der Französischen Sozialistischen Partei sich nicht geäussert und nicht gesagt haben, dass sie Renaudel und andere aus ihrer Partei ausschliessen, muss klar und deutlich gestellt werden.

Alle gegen das neue Programm Stimmenden müsste man aus der Partei ausschliessen. Betreffs des Programms gibt es keine Disziplin. Entweder man nimmt es an, oder man nimmt es nicht an; wenn nicht, dann scheidet man aus der Partei aus. Das Programm ist etwas, was allen gemeinsam ist; es ist nicht etwas, was von der Mehrzahl der Parteikämpfer aufgestellt ist. Es ist das, was den Parteien vorgelegt wird, die in die Kommunistische Internationale aufgenommen werden wollen. Es muss ein Unterschied sein zwischen dem Wunsche, der Kommunistischen Internationale beizutreten und der Tatsache, von ihr aufgenommen zu werden.

Ich meine, man muss dem Exekutivkomitee nach dem Kongress Zeit geben, darauf zu achten, dass alle den Parteien von der Kommunistischen Internationale auferlegten Verpflichtungen auch erfüllt werden. Nach dieser Zeit, nach der sogenannten Organisationsperiode, müsste man die Tür schliessen.

Mein Vorschlag geht dahin, dass die Bedingung des Genossen Lenin, die zurückgezogen worden ist, wieder aufgestellt wird, nämlich die, dass in den Parteien, die aufgenommen werden wollen, eine gewisse Anzahl Kommunisten die Führung, der Parteiorgane übernehmen. Ich würde vorziehen, dass alle Kommunisten wären.

Der Opportunismus muss überall bekämpft werden. Aber diese Aufgabe wird uns sehr schwer fallen, wenn in demselben Augenblick, wo man Massnahmen trifft, um die Kommunistische Internationale zu reinigen die Tür geöffnet wird, um die Draussenstehenden eintreten zu lassen.

Ich habe im Namen der italienischen Delegation gesprochen. Wir verpflichten uns, die Opportunisten in Italien zu bekämpfen. Wir wünschen aber nicht, dass sie von uns fortgehen, um irgendwie anders in die Kommunistische Internationale aufgenommen zu werden. Wir sagen Euch: Nachdem wir mit Euch gearbeitet haben, wollen wir in unser Land zurückkehren und eine einheitliche Front gegen alle Feinde der kommunistischen Revolution bilden.

Koreferat über die Frage des Parlamentarismus (2. August 1920)

BORDIGA[2]: Die linke Fraktion der Italienischen Sozialistischen Partei ist antiparlamentarisch gesinnt, und zwar aus Gründen, die nicht allein für Italien gültig sind, sondern einen allgemeinen Charakter tragen.

Handelt es sich hier nun um eine Frage des Prinzips? Gewiss nicht. Wir sind doch im Prinzip alle Gegner den Parlamentarismus, weil wir ihn als Mittel der Befreiung des Proletariats und als politische Form des proletarischen Staates ablehnen. Die Anarchisten sind im Prinzip Antiparlamentaristen, da sie sich gegen jede Machtvertretung erklären. Die syndikalistischen Gegner der politischen Aktion der Partei, die eine ganz andere Auffassung des Befreiungsprozesses des Proletariats haben, sind es ebenfalls. Was uns betrifft, so stützt sich unser Antiparlamentarismus auf die marxistische Kritik der bürgerlichen Demokratie. Ich will hier die Argumente des kritischen Kommunismus nicht wiederholen, der die bürgerliche Lüge über die politische Gleichheit entlarvte, als ein Mittel, die wirtschaftliche Ungleichheit und den Klassenkampf zu verwischen. Dieser Auffassung liegt die Idee eines historischen Prozesses zugrunde, in welchem die Befreiung des Proletariates nach einem heftigen Klassenkampf, der durch die Diktatur des Proletariats unterstützt wird, erreicht wird.

Diese theoretische Auffassung, die in dem »Kommunistischen Manifest« klargelegt ist, hat in der russischen Revolution ihre erste historische Verwirklichung gefunden. Zwischen diesen beiden Tatsachen liegt eine lange Zeitspanne. Währenddessen ist die Entwicklung der kapitalistischen Welt weit vorgeschritten. Die marxistische Bewegung ist zu einer sozialdemokratischen herabgesunken und hat ein gemeinsames Arbeitsfeld für die kleinen Interessen der Zusammenarbeit einzelner Arbeitergruppen und der bürgerlichen Demokratie geschaffen. Die gleiche Erscheinung ist in den Gewerkschaften und in den sozialistischen Parteien zu bemerken.

Man hatte die marxistische Aufgabe der marxistischen Partei, die im Namen der ganzen Arbeiterklasse hätte sprechen und ihrer alten historischen revolutionären Aufgaben eingedenk sein müssen, also fast vollständig vergessen. Man fabrizierte eine ganz neue Ideologie, die mit dem Marxismus nichts gemein hat, die Gewaltmassregeln verwarf und von der Diktatur des Proletariats absah, um an ihre Stelle die Illusion einer sozialen Entwicklung auf friedlichem und demokratischen Wege setzen.

Die russische Revolution hat die marxistische Theorie in bewunderungswürdiger Weise verwirklicht, indem sie die Notwendigkeit eines heftigen Kampfes und der Einführung der Diktatur des Proletariats bewies. Aber die historischen Bedingungen, unter denen sich die russische Revolution entwickelt hat, sind anders als die Bedingungen für die proletarische Revolution in den Ländern Westeuropas und Amerikas. Die Lage in Russland könnte vielleicht mit dar Lage in Deutschland im Jahre 1848 verglichen werden, wo zwei Revolutionen nacheinander ausbrachen, eine bürgerlich-demokratische und eine proletarische.

Die taktischen Erfahrungen der russischen Revolution können nicht auf andere Länder übertragen werden, in denen die bürgerliche Demokratie bereits seit langer Zeit durchgeführt ist und wo die revolutionäre Krise in einem direkten Übergang von dieser Ordnung zur Diktatur des Proletariats bestehen wird.

Die marxistische Bedeutung der russischen Revolution liegt darin, dass sie in ihrer Endphase (die Auflösung der Konstituierenden Versammlung und das Ergreifen der Macht durch die Sowjets) auf marxistischer Grundlage aufgebaut ist und der Entwicklung jeder neuen Bewegung, der Entwicklung der Kommunistischen Internationale, den Boden vorbereitete, welche mit den Sozialdemokraten, die, zu ihrer Schande sei es gesagt, in der Kriegszeit gänzlich versagt haben, endgültig gebrochen hat.

Das revolutionäre Problem verlangt von dem westlichen Europa vor allem, den Boden der bürgerlichen Demokratie zu verlassen, zu beweisen, dass die Forderung der Bourgeoisie, jeder politische Kampf solle nur durch den Mechanismus des Parlaments ausgetragen werden, falsch ist, und dass der Kampf auf eine neue Weise, durch direkte revolutionäre Tätigkeit zur Erkämpfung der Macht geführt werden muss.

Die Partei braucht eine neue technische Organisation, d. h. eine neue historische Bildung. Diese wird durch die kommunistische Partei verwirklicht, die, wie es in den Leitsätzen des Exekutivkomitees, die Frage der Rolle der Partei betreffend, heisst »in der Epoche des direkten Kampfes um die Diktatur des Proletariats« geboren wurde (Leitsatz 4).

Der erste Mechanismus der Bourgeoisie der zerstört werden muss, bevor man zum wirtschaftlichen Aufbau des Kommunismus übergeht und bevor man den neuen Mechanismus des proletarischen Staates, der den Regierungsapparat vertreten soll, schaffen kann, ist das Parlament.

Die bürgerliche Demokratie arbeitet unter den Massen mit indirekten Verteidigungsmassregeln, während der Staatsapparat sich bereit hält, direkte Gewaltmittel anzuwenden, die in Tätigkeit gesetzt werden, sobald die letzten Versuche, das Proletariat auf den Boden legaler demokratischer Politik zu ziehen, missglückt sind.

Es ist also von äusserster Wichtigkeit, dieses Spiel der Bourgeoisie zu entlarven und den Massen den ganzen Betrug des bürgerlichen Parlamentarismus zu zeigen. Die Praxis der traditionellen sozialistischen Parteien hatte bereits vor dem Weltkriege eine antiparlamentarische Reaktion in die Reihen des Proletariats getragen: die syndikalistisch-anarchistische Reaktion, die jeder politischen Tätigkeit den Wert absprach, um die Aktivität des Proletariats auf das Gebiet der wirtschaftlichen Organisationen zu konzentrieren, und die dadurch die falsche Vorstellung verbreitet hat, dass es ausserhalb der Wahl- und Parlamentstätigkeit keine politische Tätigkeit gibt. Gegen diese Vorstellung wie auch gegen die sozialdemokratische Illusion muss angekämpft werden; diese Auffassung steht der wahren revolutionären Methode ganz fern und führt das Proletariat in seinem Befreiungskampf auf einen falschen Weg.

In der Propaganda ist grössere Klarheit nötig; die Massen brauchen eine einfache und klare Ausdrucksweise.

Von marxistischen Prinzipien ausgehend, schlagen wir vor, dass in Ländern, wo die demokratische Ordnung seit langem entwickelt ist, die Agitation für die Diktatur des Proletariats auf die Propagierung des Boykotts der Wahlen und der demokratischen bürgerlichen Organe aufgebaut wird.

Die grosse Bedeutung, die man der Wahltätigkeit in der Praxis beimisst, enthält eine zweifache Gefahr: Einerseits erweckt sie den Anschein, dass sie die Haupttätigkeit bildet, andererseits nimmt sie alle Kräfte der Partei in Anspruch, wodurch die. Arbeit in den übrigen Zweigen der Bewegung lahmgelegt wird. Die Sozialdemokraten sind nicht die einzigen, die den Wahlen eine grosse Bedeutung beimessen. Selbst in den von der Exekutive vorgeschlagenen Leitsätzen heisst es, dass es wichtig sei, in der Wahlkampagne alle Mittel der Agitation anzuwenden (Leitsatz 15).

Die Organisation der Partei, die die Wahltätigkeit ausübt, entwickelt einen ganz besonderen technischen Charakter, der sich von dem Charakter der Organisation, die den revolutionären legalen oder illegalen Bedürfnissen entspricht, stark unterscheidet. Die Partei teilt sich in eine Menge von Wahlkomitees, die sich ausschliesslich mit der Vorbereitung und Mobilisierung der Wähler befassen. Wenn es sich um eine alte sozialdemokratische Partei handelt; die sich der kommunistischen Bewegung angeschlossen hat, liegt in der Ausübung der Parlamentsaktion, wie sie früher praktiziert wurde, eine grosse Gefahr. Wir haben zahlreiche Beweise dafür.

Was die in Vorschlag gebrachten und von den Rednern verteidigten Leitsätze betrifft, möchte ich bemerken, dass ihnen eine historische Einleitung vorangeht, mit deren erstem Teil ich fast vollständig einverstanden bin. Es heisst dort, dass die I. Internationale sich des Parlamentarismus zu Agitations-, Kritik- und Propagandazwecken bediente. Später, in der II. Internationale, trat die schädliche Einwirkung des Parlamentarismus zutage, der zum Reformismus und zur Zusammenarbeit der Klassen (Burgfrieden) führte. Daraus wird in der Einleitung der Schluss gezogen, dass die Kommunistische Internationale zur Parlamentstaktik zurückkehren soll zwecks Vernichtung des Parlaments von innen heraus. Die Kommunistische Internationale muss aber im Gegenteil, wenn sie dieselbe Doktrin annimmt wie die I., die ganz verschiedenen historischen Verhältnisse in Betracht ziehen und eine ganz andere Tätigkeit entfalten, nämlich nicht mit der bürgerlichen Demokratie zusammenzuarbeiten.

Der erste Teil der darauffolgenden Leitsätze steht auch mit den von mir unterstützten Ideen in keiner Weise in Widerspruch. Erst wo es sich um die Ausnutzung der Wahlkampagne und der Parlamentstribüne zu Massenaktionen handelt, beginnt der Unterschied. Wir weisen den Parlamentarismus nicht zurück, weil es sich um ein legales Mittel handelt. Man kann ihn aber nicht in derselben Weise benutzen, wie die Presse, die Freiheit der Vereinigung usw. Hier handelt es sich um ein Aktionsmittel und dort um eine bürgerliche Institution, die durch proletarische Institutionen, durch Arbeitersowjets ersetzt werden muss. Wir denken nicht daran, nach der Revolution von der Ausnutzung der Presse, der Propaganda usw. abzustehen; aber wir sind bestrebt, zu allererst den demokratischen Apparat zu vernichten und an seine Stelle die Diktatur des Proletariats aufzurichten. Das ist ebenso wenig ein von uns behauptetes Argument wie das über die »Führer« der Bewegung. Es kann gar nicht in Frage kommen, dass die Führer abgeschafft werden könnten. Wir wissen sehr gut, und wir haben es den Anarchisten seit Beginn des Krieges gesagt, dass es nicht richtig ist, den Parlamentarismus abzulehnen, um die Führer abzuschaffen. Wir werden ihrer immer bedürfen als Propagandisten, Journalisten etc.

Gewiss ist in der Revolution eine zentralisierte Partei notwendig, die die Tätigkeit des Proletariats leitet. Diese Partei braucht selbstverständlich auch Führer; aber die Rolle der Partei, die Rolle der Führer ist eine ganz andere, als sie es bei den Sozialdemokraten war. Die Partei leitet die Tätigkeit des Proletariats in dem Sinne, dass sie die gefährlichste Arbeit verrichtet, die die grösste Aufopferung verlangt. Die Leiter der Partei sind nicht nur Führer der siegreichen Revolution, sie sind es auch, die bei einer Niederlage zuerst unter den Schlägen der Feinde fallen. Ihre Stellung ist eine ganz andere als die Stellung der Parlamentsführer, die die vorteilhaftesten Posten in der bürgerlichen Gesellschaft einnehmen.

Man sagt uns: Man kann auch von der Rednerbühne des Parlaments aus Propaganda machen. Darauf will ich mit einem etwas kindlichen Beweisgrund antworten: Was man auf der Rednertribüne des Parlaments sagt, wird in der Presse wiederholt. Wenn es sich um die bürgerliche Presse handelt, wird alles falsch dargestellt sein, handelt es sich aber um unsere Presse, so ist es verlorene Mühe, das, was später gedruckt wird, vorher auf der Rednerbühne vorzutragen.

Die von dem Redner angeführten Beweise werden unseren Leitsätzen keinen Abbruch tun. Liebknecht hat im Reichstag in einer Zeit gewirkt, in der wir die Möglichkeit der Parlamentstätigkeit anerkannten, um so mehr, da es sich damals nicht darum handelte, den Parlamentarismus selbst zu sanktionieren, sondern die bürgerliche Macht zu kritisieren.

Wenn wir aber Liebknecht, Höglund und die übrigen wenig zahlreichen Fälle der revolutionären Tätigkeit im Parlament auf eine Waagschale legen und in die andere die ganze Masse des Verrats der Sozialdemokraten, so wird das Ergebnis für den revolutionären Parlamentarismus durchaus ungünstig sein.

Die Parlamentstätigkeit der Bolschewiki in der Duma, im Vorparlament Kerenskis in der Konstituierenden Versammlung wurde unter ganz anderen Verhältnissen ausgeübt, als es die sind, unter denen wir vorschlagen, die Parlamentstaktik zu verlassen. Ich will nicht auf den Unterschied zurückkommen, der zwischen der Entwicklung der russischen Revolution und der Revolution in den anderen bürgerlichen Ländern liegt.

Ich bin auch nicht für den Gedanken, dass man die Wahlen in die bürgerlichen kommunalen Institutionen ausnützen muss. Ein sehr wichtiges Problem kann ich aber nicht mit Schweigen übergehen. Ich denke daran, die Wahlkampagne zu Agitations- und Propagandazwecken für die kommunistische Revolution auszunutzen; aber diese Agitation wird um so wirksamer sein, je kräftiger wir den Massen den Boykott der bürgerlichen Wahlen predigen.

Man kann übrigens nicht voraussehen, worin die zerstörende Tätigkeit bestehen könnte, die die Kommunisten im Parlament ausüben könnten. Der Referent lässt uns über diese Frage den Entwurf einer Bestimmung hinsichtlich der Tätigkeit der Kommunisten im bürgerlichen Parlament vor. Das ist sozusagen die reine Utopie. Es wird nie gelingen, eine Parlamentstätigkeit zu entfalten, die den Prinzipien des Parlamentarismus widerspricht und aus den Grenzen der Parlamentsbestimmungen heraustritt.

Jetzt noch ein paar Worte über die Argumente des Genossen Lenin, die er in seiner Broschüre über den »linken« Kommunismus anführt.

Ich glaube nicht, dass man unsere antiparlamentarische Tendenz für eine solche halten kann, die den Austritt aus den Gewerkschaften fordert.

Die Gewerkschaft ist immerhin, wenn auch verdorben, ein Arbeitermilieu. Aus den sozialdemokratischen Gewerkschaften austreten – hiesse die Auffassung der Syndikalisten teilen, die sich in revolutionären Kampforganen von einem anderen ökonomischen Typus vereinen wollen.

Das ist vom marxistischen Standpunkt aus ein Irrtum, der nichts mit den Argumenten zu tun hat, auf die sich unser Antiparlamentarismus stützt.

Wir sind vollständig darin einig, dass die Aufgaben der proletarischen Revolution sehr gross und schwierig sind. Wir sind überzeugt, dass wir, wenn wir nach dem Problem der Parlamentsaktion auch die übrigen viel wichtigeren Probleme erörtert und bestimmt haben, doch nicht weitergekommen sein werden, und dass ihre Lösung nicht so einfach sein wird, wie wir es uns denken.

Deshalb beabsichtigen wir, die Hauptkräfte der kommunistischen Bewegung für wichtigere Gebiete, als das Parlament es ist zu verwenden.

Wir schrecken vor keinen Schwierigkeiten zurück, bemerken nur, dass die opportunistischen Parlamentarier, die auch eine leichte Taktik einschlagen, deshalb durch ihre parlamentarische Tätigkeit nicht weniger mit Arbeit belastet sind.

Daraus schliessen wir, dass wir zur Lösung des Problems des kommunistischen Parlamentarismus nach den vorgeschlagenen Leitsätzen (wenn wir diese Lösung annehmen) eine grosse Anstrengung und eine unermüdliche Tätigkeit brauchen werden, und dass dann für die wirklich revolutionäre Tätigkeit wenig Mittel und Energie zurückbleiben werden.

Man kann nicht schon in der bürgerlichen Welt diejenigen Etappen auf politischem Gebiet durchmachen, die erst nach Ausbruch der Revolution durch die ökonomische Umwandlung des Kapitalismus zum Kommunismus ausgekämpft werden müssen.

Der Übergang der Macht von den Ausbeutern an die Ausgebeuteten zieht eine Veränderung in dem Vertretungsapparat nach sich. Der bürgerliche Parlamentarismus muss durch das Sowjetsystem ersetzt werden.

Die alte demokratische Maske des Klassenkampfes muss zerrissen werden, damit die direkte revolutionäre Aktion eingeleitet werden kann.

Das ist unser Standpunkt dem Parlamentarismus gegenüber, ein Standpunkt, der mit der revolutionären marxistischen Methode in vollem Einklang steht.

Ich kann mit einer Ansicht schliessen, die wir mit dem Genossen Bucharin teilen. Diese Frage kann und darf nicht dazu beitragen, dass eine Spaltung in der marxistischen Bewegung stattfindet.

Wenn die Kommunistische Internationale die Schaffung eines kommunistischen Parlamentarismus auf sich nehmen will, unterwerfen wir uns ihrer Bestimmung. Wir glauben nicht, dass dieser Plan gelingen wird; aber wir erklären, dass wir nichts unternehmen werden, um dieses Werk umzustossen.

Ich wünsche, dass der nächste Kongress der Kommunistischen Internationale nicht über die Resultate der Parlamentsaktion zu debattieren braucht, sondern viel mehr die Siege der kommunistischen Revolution in einer grossen Anzahl von Ländern prüfen wird. Sollte das nicht möglich sein, so wünsche ich dem Genosse Bucharin, dass er uns ein weniger trauriges Bild des kommunistischen Parlamentarismus vorlegen kann, als das, mit welchem er diesmal seine Einleitung beginnen musste.

[Genosse Bordiga verliest darauf folgende Leitsätze]

Leitsätze über den Parlamentarismus, aufgestellt vom Genossen Bordiga im Namen der kommunistischen, abstentionistischen Fraktion der Sozialistischen Partei Italiens

1. Der Parlamentarismus ist die Form der politischen Vertretung, die der kapitalistischen Ordnung eigen ist. Die prinzipielle Kritik der kommunistischen Marxisten an dem Parlamentarismus und der bürgerlichen Demokratie führt im allgemeinen zu der Feststellung, dass das allen Bürgern aller sozialen Klassen gewährte Stimmrecht bei den Wahlen in die Vertretungskörper des Staates es nicht verhindern kann, dass jeder Regierungsapparat des Staates zum Komitee des Schutzes der Interessen der herrschenden kapitalistischen Klasse wird und dass der Staat sich als das historische Organ des Kampfes der Bourgeoisie gegen die proletarische Revolution organisiert.

2. Die Kommunisten bestreiten die Möglichkeit, dass die Arbeiterklasse je die Macht erobert durch die Mehrheit der Parlamentsmandate. Allein der bewaffnete revolutionäre Kampf wird sie zu ihrem Ziele führen. Die Eroberung der Macht durch das Proletariat, die den Ausgangspunkt des ökonomischen kommunistischen Aufbaus bildet, führt zur gewaltsamen und sofortigen Beseitigung der demokratischen Organe und zu ihrem Ersatz durch Organe der proletarischen Macht – durch Arbeiterräte. Die Ausbeuterklasse wird auf diese Weise jedes politischen Rechts beraubt und die Diktatur des Proletariats, d. h. ein Regierungssystem mit Klassenvertretung errichtet. Die Beseitigung des Parlamentarismus wird zur historischen Aufgabe der kommunistischen Bewegung. Mehr noch: die repräsentative Demokratie ist gerade die erste Form der bürgerlichen Gesellschaft, die gestürzt werden muss, und zwar noch früher als das kapitalistische Eigentum, noch früher als die bürokratische Staatsmaschinerie.

3. Das gleiche muss mit den Kommunaleinrichtungen geschehen, die man den Staatsorganen nicht theoretisch gegenüberstellen sollte. In Wirklichkeit ist ihr Apparat identisch mit dem Staatsmechanismus der Bourgeoisie. Sie müssen vom revolutionären Proletariat ebenfalls vernichtet und durch örtliche Sowjets der Arbeiterdeputierten ersetzt werden.

4. Im gegenwärtigen Augenblick ist es die Aufgabe der Kommunisten, in ihrem Bestreben, die Revolution geistig und materiell vorwärtszutreiben, das Proletariat vor allem von den Illusionen und Vorurteilen zu befreien, die durch den Verrat der alten sozialdemokratischen Führer in den Massen verbreitet werden. In den Ländern, in denen seit langer Zeit eine demokratische Ordnung herrscht, die in den Gewohnheiten und dem Gedankenkreis der Massen, wie auch der alten sozialistischen Parteien eingewurzelt ist, ist diese Aufgabe von besonderer Wichtigkeit und tritt unter den Problemen der Vorbereitung zur Revolution an die erste Stelle.

5. Die Teilnahme an den Wahlen und an der parlamentarischen Tätigkeit während einer Zeit, in der man vom Gedanken der Eroberung der Macht durch das Proletariat noch weit entfernt war und als noch nicht die Rede von direkten Vorbereitungen für die Revolution und von der Verwirklichung der Diktatur des Proletariats war, kann grosse Möglichkeiten für Propaganda, Agitation und Kritik bieten. Andererseits kann in solchen Ländern, wo noch erst eine bürgerliche Revolution im Gang ist und neue Institutionen schafft, der Eintritt der Kommunisten in die Vertretungskörper, die sich noch im Stadium der Bildung befinden, einen grossen Einfluss auf die Entwicklung der Ereignisse haben, um einen glücklichen Ausgang der Revolution und den endgültigen Sieg des Proletariats herbeizuführen.

6. In der gegenwärtigen historischen Epoche, die mit dem Ende des Weltkrieges und seinen Folgen für die soziale Organisation der Bourgeoisie, mit der russischen Revolution als erster Verwirklichung der Idee der Eroberung der Macht durch das Proletariat und der Bildung der neuen Internationale im Gegensatz zur Sozialdemokratie der Verräter begonnen hat, – und in den Ländern, in denen die demokratische Ordnung seit langer Zeit durchgeführt ist, gibt es keine Möglichkeit, die Parlamentstribüne für die revolutionäre Sache des Kommunismus auszunutzen. Die Klarheit der Propaganda nicht weniger als die Vorbereitungen des endgültigen Kampfes für die Diktatur des Proletariats erfordern, dass die Kommunisten eine Agitation für den Boykott der Wahlen von seiten der Arbeiter führen.

7. Unter diesen historischen Bedingungen, unter denen die revolutionäre Eroberung der Macht durch das Proletariat zum Hauptproblem der Bewegung geworden ist, muss jede politische Tätigkeit der Partei diesem Ziel gewidmet sein. Es ist notwendig, mit der bürgerlichen Lüge ein für allemal zu brechen, mit der Lüge, die glauben machen will, dass jedes Zusammentreffen der feindlichen Parteien, jeder Kampf um die Eroberung der Macht, sich im Rahmen des demokratischen Mechanismus, in Wahlkämpfen und parlamentarischen Debatten abspielen muss. Es wird nicht gelingen, dieses Ziel zu erreichen, ohne dass man sich von der traditionellen Methode, die Arbeiter zur Teilnahme an den Wahlen aufzufordern, wo sie Seite an Seite mit der bürgerlichen Klasse arbeiten, völlig lossagt, ohne dem Schauspiel ein Ende zu machen, dass die Delegierten des Proletariats auf dem gleichen parlamentarischen Boden wie seine Ausbeuter stehen.

8. Die ultraparlamentarische Praxis der alten sozialistischen Parteien hat die gefährliche Auffassung verbreitet, dass jede politische Aktion nur in Wahlkämpfen und parlamentarischer Tätigkeit besteht. Andererseits hat die Abneigung des Proletariats gegen diese Verräterei den syndikalistischen und anarchistischen Tendenzen, die der politischen Aktion und der Tätigkeit der Partei jeden Wert absprechen, einen fruchtbaren Boden geschaffen. Daher werden die kommunistischen Parteien mit der Propagierung der revolutionären marxistischen Methode niemals einen grossen Erfolg erzielen, wenn sie ihre Arbeit nicht unmittelbar auf die Diktatur des Proletariats und auf die Arbeiterräte stützen und auf jede Berührung mit der bürgerlichen Demokratie verzichten.

9. Die überaus grosse Bedeutung, die man in der Praxis den Wahlkämpfen und ihren Ergebnissen beimisst, die Tatsache, dass die Partei ihnen für einen ziemlich langen Zeitraum alle ihre Kräfte und ihre Hilfsquellen an Menschen, Presse und ökonomischen Mitteln widmet, bringt es einerseits mit sich, dass trotz aller Versammlungsreden und allerlei theoretischen Erklärungen die Überzeugung gestärkt wird, dass dies die wirkliche Hauptaktion zur Erreichung der kommunistischen Ziele ist; andererseits führt sie zum beinahe völligen Verzicht auf jede Arbeit der revolutionären Organisation und Vorbereitung, indem sie der Parteiorganisation einen technischen Charakter gibt, der im völligen Gegensatz zu den Anforderungen der legalen und illegalen revolutionären Arbeit steht.

10. Was die Parteien anbetrifft, die sich durch einen Mehrheitsbeschluss der Kommunistischen Internationale angeschlossen haben, so verhindert die weitere Teilnahme an den Wahlkämpfen die erforderliche Aussiebung der sozialdemokratischen Elemente, ohne deren Beseitigung die Kommunistische Internationale ihre historische Rolle nicht wird durchführen können.

11. Der eigentliche Charakter der Debatten, die sich im Parlament und in anderen demokratischen Organen abspielen, schliesst jede Möglichkeit aus, von der Kritik an der Politik der Gegenparteien zu einer Propaganda gegen das Prinzip des Parlamentarismus überzugehen, zu einer Aktion, die die Grenzen der parlamentarischen Verfassung überschreitet, ebenso wie es unmöglich ist, ein Mandat zu erhalten, welches das Recht zu sprechen gibt, wenn man sich weigert, sich allen Formalitäten des Wahlverfahrens zu unterwerfen.
Der Erfolg des parlamentarischen Gefechts kann bloss durch die Geschicklichkeit in der Benutzung dieser gemeinsamen Waffe der Prinzipien, auf die sich die Institution selbst gründet, durch Ausnützung der Feinheiten des Reglements errungen werden, ebenso wie der Erfolg des Wahlkampfes immer mehr nach der Anzahl der Stimmen und der erhaltenen Mandate beurteilt werden wird.
Jedes Bestreben der kommunistischen Parteien, der Praxis des Parlamentarismus einen ganz anderen Charakter zu verleihen, wird bloss zu einem Bankrott der Energie führen, die man dieser Sisyphusarbeit wird opfern müssen. Die Sache der kommunistischen Revolution fordert unverzüglich zur direkten Aktion gegen das kapitalistische System der Ausbeuter auf.

Fortsetzung der Debatte über den Parlamentarismus (2. August 1920)

BORDIGA[3]: Die Einwendungen des Genossen Lenin gegen die Leitsätze, die ich vorgelegt habe, und gegen meine Beweisgründe haben sehr interessante Fragen aufgeworfen, die ich hier selbst nicht berühren will und die das Gesamtproblem der marxistischen Taktik widerspiegeln.

Ohne allen Zweifel stehen die parlamentarischen Ereignisse und die Ministerkrise in enger Beziehung mit der Entwicklung der Revolution und der Krise der bürgerlichen Organisation. Damit aber die proletarische politische Aktion auf die Ereignisse Einfluss gewinnen kann, muss man die methodischen Erwägungen in Betracht ziehen, die die marxistische Linke der internationalen sozialistischen Bewegung schon vor dem Kriege veranlassten, die Beteiligung an Ministerien und die parlamentarische Unterstützung bürgerlicher Ministerien abzulehnen, obwohl dies zweifellos Mittel waren, um auf die Entwicklung der Ereignisse Einfluss zu bekommen.

Die Notwendigkeit, die revolutionären Kräfte der Arbeiterklasse zu einer Organisation für den Endkampf des Kommunismus zu vereinigen, ist es, welche zu einer Taktik führt, die auf gewissen allgemeinen Aktionsregeln ruht, selbst wenn diese als zu einfach und zu wenig biegsam angesehen werden.

Ich glaube, dass die gegenwärtige historische Mission uns zu einer neuen, durch die Verhältnisse gegebenen Taktik führt, d. h. zur Ablehnung der Teilnahme an den Parlamenten: das ist ja nur ein Mittel, um auf die Ereignisse im revolutionären Sinne einzuwirken. Das Argument, dass das praktische Problem einer kommunistischen, der Parteidisziplin unterworfenen parlamentarischen Aktion gelöst werden muss, da man auch in der nachrevolutionären Periode Menschen des bürgerlichen und halbbürgerlichen Milieus wird organisieren und einordnen müssen, dieses Argument könnte ebenso gut angeführt werden, um die Zweckmässigkeit sozialistischer Minister unter der bürgerlichen Herrschaft zu rechtfertigen.

Aber es ist nicht der Augenblick, um tiefer in dieses Problem einzudringen, und ich beschränke mich darauf, zu erklären, dass ich meine Ansichten über das Argument, das uns beschäftigt, mir aufspare. Ich bin mehr denn je davon überzeugt, dass es der Kommunistischen Internationale nicht gelingen wird, eine parlamentarische und zugleich wahrhaft revolutionäre Aktion zustande zu bringen.

Schliesslich, da anerkanntermassen die Thesen, die ich vorgeschlagen habe, sich auf rein marxistische Prinzipien stützen und nichts mit den anarchistischen und syndikalistischen Argumenten gegen den Parlamentarismus zu tun haben, so hoffe ich, dass von den antiparlamentarisch gesinnten Genossen, welche sie als Ganzes und in ihrem Geist annehmen, dafür gestimmt wird, da sie die marxistischen Behauptungen, welche den Inhalt der Thesen darstellen, teilen.

Debatte über die allgemeinen Aufgaben der KI (6. August 1920)

BORDIGA[4]: Ich erkläre im Namen des linken Flügels der italienischen Partei, dass es mir auf die Form, auf die Stilisierung der Thesen gar nicht ankommt, sondern auf den Inhalt.

Und ich glaube, dass aus allen Reden, die von Lenin und Sinowjew gehalten worden sind, hervorgeht, dass man die italienische Partei als solche kritisiert, weil sie bei dem Kongress in Bologna noch nicht ihre Pflicht getan hat in der Frage der parlamentarischen Tätigkeit. Sollte die italienische Partei die Möglichkeit haben, denjenigen Pflichten, die sie hier auf sich genommen hat, gerecht zu werden, so wird sie dies tun. Das Zentralkomitee wird imstande sein, den Beschlüssen, die hier gefasst worden sind, Geltung zu verschaffen.

Notes:
[prev.] [content] [end]

  1. auf der sechsten Sitzung des II. Kongresses der KI am 29. Juli 1920 [⤒]

  2. auf der achten Sitzung des II. Weltkongresses der KI am 2. August 1920 [⤒]

  3. auf der achten Sitzung des II. Kongresses der KI / Abendsitzung vom 2. August 1920 [⤒]

  4. Erklärung auf der Vierzehnten Sitzung des II. Kongresses der KI am 6. August 1920 [⤒]


Source: »Der zweite Kongress der Kommunistische Internationale. Protokoll der Verhandlungen vom 19. Juli in Petrograd und vom 23. Juli bis 7. August 1920 in Moskau«, Verlag der Kommunistischen Internationale, 1921

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