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MANIFEST ÜBER DEN PROLETARISCHEN INTERNATIONALISMUS


Content:

Manifest über den proletarischen Internationalismus
International und weltweit ist der Kapitalismus, international und weltweit muss der proletarische antikapitalistische Klassenkampf sein
Der Kapitalismus ist nicht reformierbar!
Was sich aus der »Antiglobalisierungsbewegung« folgern lässt
Die Proletarier müssen wieder ihr Haupt erheben, Mut fassen, den Kampf um ihre sie weltweit vereinenden Klasseninteressen wiederaufnehmen
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Manifest über den proletarischen Internationalismus

International und weltweit ist der Kapitalismus, international und weltweit muss der proletarische antikapitalistische Klassenkampf sein

Proletarier,

der Kapitalismus, seinem Wesen nach eine internationale Produktionsweise, dringt in seiner beständigen Entwicklung in jeden noch so weit entfernten und isolierten Winkel des Globus ein. Zwar entstand der Kapitalismus national, aber er entwickelte und entwickelt sich nur international aufgrund seiner angeborenen weltumspannenden Tendenz. Die Periode der »freien Konkurrenz« – das erste Entwicklungsstadium des Kapitalismus, in dessen Verlauf das industrielle Kapital die Welt eroberte und zum Sprungbrett wurde für die Entwicklung des Finanzkapitals – wurde überwunden vom Stadium der imperialistischen Entwicklung, in dem das Finanzkapital über jede andere Art von Kapital dominiert, sei es Industrie-, Agrar- oder Handelskapital, sei es gross oder klein, öffentlich oder privat. Das imperialistische Stadium enthüllt den Kapitalismus in seiner ganzen Macht, die, geschichtlich betrachtet, zunächst in ihren Anfängen revolutionär war, im Laufe der Zeit sich nunmehr zu einer konterrevolutionären Macht gewandelt hat. Diese Verwandlung ist nicht der weltumspannenden Tendenz des Kapitalismus zuzuschreiben – die geschichtlich vielmehr revolutionär ist – sondern dahingegen seiner geschichtlichen Grenzen: der Kapitalismus ist nicht in der Lage, seine Widersprüche endgültig zu lösen, sondern er verschärft sie immer mehr, das heisst, er ist nicht in der Lage, sich selbst zu überwinden. Ist eine Krise überwunden, so erzeugt der Kapitalismus die Faktoren der Krise erneut, nur umfangreicher und einschneidender. Heutzutage, im imperialistischen Stadium des Kapitalismus, ist die Bühne für die Interessen der grossen Staaten und grossen monopolistischen Gruppen nicht alleine und nicht mehr der eigene nationale Markt, sondern unmittelbar der Weltmarkt.

Einige zehntausend grosser Trusts, mit Basis in den kapitalistisch entwickeltsten Ländern (die in Westeuropa zahlreicher sind als in den Vereinigten Staaten), die in ihren eigenen Nationalstaaten den Kurs bestimmen, haben das Schicksal der gesamten Menschheit in ihren Händen. Die grossen Monopole, die grossen Finanzholdings, die von den grossen imperialistischen Staaten repräsentiert werden – Vereinigte Staaten, Japan, Grossbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Kanada, Russland – haben die »freie Konkurrenz« zwischen Unternehmen auf das Niveau des Weltmarkts gehoben, zur Konkurrenz zwischen gigantischen internationalen Finanzoligarchien, und so die Ebene der Gegensätze der jeweiligen globalen Interessen verschoben und gesteigert. Und es fehlt nicht viel, dass sich diesen acht Ländern ein weiteres dazugesellt, China, das in naher Zukunft wirtschaftlich einen grossen »nationalen« Markt darstellt, der mit allen möglichen Waren inländischer und ausländischer Herkunft überschwemmt werden kann und so der beständigen Überproduktion der kapitalistischen Wirtschaft eine Verschnaufpause verschafft. Dieses China wird in nicht weiter Zukunft einen weiteren konkurrierenden imperialistischen Pol grösster Wichtigkeit darstellen und so die Elemente der Krisen, Gegensätze und Zusammenstösse auf Weltebene vermehren.

Was sich in den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts verändert hat, ist nicht die Wirtschaftsweise: es handelt sich noch immer um Kapitalismus, lediglich zur x-ten Potenz gesteigert. Die allgemeinen und objektiven Interessen des Kapitalismus – was die Produktionsweise betrifft, nach der sich die Gesellschaft formt und richtet – sind grundlegend stets die gleichen: Anhäufung von Kapital, Produktion und Reproduktion des Kapitals, über alle möglichen wirtschaftlichen, sozialen, umweltbedingten, kulturellen oder militärischen Hindernisse hinweg. Die »Globalisierung« ist kein neues und unbekanntes Stadium der kapitalistischen Entwicklung, sie entspricht der imperialistischen Entwicklung des Kapitalismus, die noch nicht von der internationalen proletarischen Revolution unterbrochen und geschlagen wurde.

Der Kapitalismus ist nicht reformierbar!

Proletarier,

das, was sich nach dem Zweiten Weltkrieg, diesem imperialistischen Gemetzel, verändert hat, ist das Szenario der innerimperialistischen Konflikte, wo der militärische Sieg der Vereinigten Staaten diesem Staat und seinen Monopolen eine äusserst vorteilhafte Position verschafft hat gegenüber den anderen grossen Staaten der Erde. Ein Szenario in dem andererseits, für 45 lange Jahre, die Welt in zwei grosse Einflusszonen geteilt war, in ein – russisch-amerikanisches – Kondominium, das, wenn es auch nicht verhindern konnte, dass grosse und hartnäckige antikoloniale Kämpfe einen gewissen Erfolg in den jeweiligen Nationen hatten, so doch die einzig wahre Möglichkeit des effektiven Kampfes gegen die kapitalistische Herrschaft über die Gesellschaft verhinderte: den revolutionären Klassenkampf des Proletariats in jedem Land, vereint über die nationalen Grenzen hinweg, die jede Bourgeoisie zum Schutze ihrer besonderen Interessen errichtet. Heute, über ein Jahrzehnt nach dem Zusammenbruch dieses Kondominiums, angesichts eines wirtschaftlich mehr geschwächten aber dafür um so mehr in den Weltmarkt integrierten Russlands, einem China, das mit Riesenschritten seiner eigenen Weltmarktintegration entgegengeht, erscheint das Szenario so, als läge das allgemeine Interesse der industrialisiertesten Länder – die wahren Herren dieser Welt – wirklich darin, beständig ein Gleichgewicht unter ihnen herzustellen, ein Gleichgewicht, von dem alle Länder der Erde profitieren würden, angefangen bei den ärmsten und elendsten von ihnen. Es gibt keine unverschämtere Lüge!

Der neue italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi, sofort gefolgt vom neuen italienischen Aussenminister Ruggero, faselte in Göteborg, im Hinblick auf das G8-Treffen in Genua, dass die Besorgnisse der aberhunderten von Gruppen, die die Macht und Übermacht der grossen weltweiten Trusts und ihrer Staaten beanstanden, die selben seien, die diese Staaten und Trusts selbst hätten. Das glaubt kein Mensch! Und welches Resultat könnte schon der Dialog zwischen den Interessen der internationalen Finanzoligarchie und den Überlebens- und Entwicklungsinteressen der 150 an den Rand des Hungers gebrachten Länder erbringen, wo dies doch gerade das Ergebnis der Weltherrschaft der industrialisiertesten kapitalistischen Staaten ist und der wenigen Zehntausenden von Multinationalen, die von diesen Staaten ständig und überall verteidigt werden?

Wie bereits in der Vergangenheit, so fordern heute die Gruppen, die die Vorherrschaft der Multinationalen beanstanden (und fast immer die Staaten vergessen, die die kapitalistischen Interessen diplomatisch, ökonomisch und militärisch zum Ausdruck bringen) das Recht der Völker auf freie Selbstbestimmung, auf eine wirtschaftliche Entwicklung, die nicht von den Interessen der grossen multinationalen Gruppen bestimmt wird, eine »nachhaltige« Entwicklung in einem »gleichen« Markt. Leider ist die Illusion, den Kapitalismus von innen her reformieren zu können, die allerschärfsten Widersprüche vermittels des Drucks einer auf Meinung basierenden Bewegung glätten zu können, das Aufrühren des Gewissens in einem pazifistischen und klassenübergreifenden Rahmen, schwer zu überwinden. Den jungen Arbeiterinnen und Arbeitern von heute konnten leider die älteren Arbeiter – gelähmt von Jahrzehnten klassenkollaborationistischem Opportunismus – die klassenkämpferische Tradition der Arbeiterbewegung nicht übermitteln, die stets die Verteidigung der Arbeiterinteressen an erste Stelle setzte, und durch einen Kampf verteidigte, in dem man nicht im leisesten daran dachte, an die Wohltätigkeit des reichen Chefs zu apellieren, und noch weniger daran, sich mit ihm von gleich zu gleich an den »runden Tisch« zu setzen. In der klassenkämpferischen Tradition war es klar, dass der hauptsächliche Klassenfeind – die herrschende Bourgeoisie – jeden erdenklichen Weg einschlagen, jedes mögliche Mittel nutzen würde, die offene und brutale Repression wie den Dialog, die Falle der Teilnahme an der demokratischen Öffnung, die Provokation vermittels eingeschleuster Spitzel, die reformistischen und kollaborationistischen Abweichungen, nur um zu dem für ihn grundlegenden Ergebnis zu gelangen: die politische und gesellschaftliche Kontrolle über das Proletariat.

Warum ist es für jede Bourgeoisie so wichtig, das Proletariat seinen Interessen unterzuordnen – sozusagen immer mystifiziert und verhüllt vom Patriotismus, der Armensolidarität seitens der Reichen, der demokratischen Wahlen und des pazifistischen Miteinanders? Um aus der Lohnarbeit immer gigantischere Mengen von Mehrarbeit, also Mehrwert, herauszuschinden, und somit die Profite, die jeder Kapitalist in seine Tasche steckt, dank der stets intensivierten und ausgedehnten Ausbeutung der Lohnarbeit, einer wirklichen modernen Sklaverei.

Diese Ausbeutung ist mit der Entwicklung des Imperialismus und der »Globalisierung« des Kapitals ins Unermessliche gestiegen, bis zu einem Punkt, wo die wenigen fortgeschrittensten kapitalistischen Staaten sich die vielen kapitalistisch rückständigeren und deshalb armen Staaten untergeordnet haben, diese so zum Hunger und zur Hoffnungslosigkeit herabdrücken, sie völlig vom Weltmarkt abhängig machen, das heisst also, von den Interessen der wenigen zehntausenden Multinationalen, die heute den Weltmarkt beherrschen.

Der Markt ist für das Kapital – und somit für das Geld – wie das Wasser für die Fische; ohne Markt können die Kapitale nicht zirkulieren, sich nicht reproduzieren, schlicht nicht überleben. Aber auf dem Markt gewinnen die grössten, stärksten, wettbewerbsfähigsten Kapitale, die verteidigt werden von den jeweiligen Nationalstaaten, die gerade zu diesem Zweck nicht nur mit komplexen politischen und wirtschaftlichen Apparaten ausgerüstet sind, sondern vor allem mit Streitkräften, die technisch auf der Höhe der weltweiten Konkurrenz stehen.

Zu glauben, dass der Markt dank einer Entscheidung des guten Willens von seiten der Grossen dieser Erde »gleich« und »solidarisch« werden könnte, das ist als ob man glauben würde, dass die grossen Fische darauf verzichten würden, die kleineren zu fressen. Die Gesetze des Kapitalismus haben den Kapitalisten nicht erfunden; vielmehr ist der Kapitalist selbst ein Produkt des Systems. Die verschiedenen Produktionsweisen, die die menschliche Gesellschaft im Verlaufe der verschiedenen geschichtlichen Epochen entwickelt hat, rühren von mehr oder weniger langsamen und komplexen gesellschaftlichen Umwandlungen her und nicht von Entscheidungen irgendwelcher Chefs, genialer Geister oder besonderer Personengruppen.

Aus materiellen und geschichtlichen Gründen ist es also nicht möglich, die kapitalistische Produktionsweise – und damit den Markt, den Wert, den Profit, das Geld, die Ausbeutung von Lohnarbeit – gesellschaftlichen Zielen unterzuordnen, die nicht jenen, und nur jenen entsprechen, die beständig den Kapitalismus selbst erhalten und entwickeln, und damit alle Folgen, die die kapitalistische Entwicklung mit sich brachte und mit sich bringt: Ungleichheit zwischen Menschen, Nationen und Staaten, Kriege, wachsendes Elend, Hunger und Aussichtslosigkeit für den grössten Teil der Weltbevölkerung, Zerstörung und Vergiftung der Umwelt allerhöchsten Grades.

Und aus geschichtlich und materiell bestimmten Gründen ist es möglich, dass der Kapitalismus überwunden werden kann, um Platz zu machen für eine wirklich solidarische und ausgeglichene Gesellschaft – das menschliche Gemeinwesen, der Kommunismus –, aber nur durch den internationalen Klassenkampf der Proletarier aller Länder, vor allem aber der Proletarier der fortgeschrittensten, gegenwärtig die Welt beherrschenden kapitalistischen Länder. Die Möglichkeit zur Veränderung der Welt liegt nicht in der bürgerlichen Demokratie, nicht in religiösen oder wohltäterischen Institutionen, nicht im »guten Willen« der Regenten, sondern im festen und entschlossenen antikapitalistischen Kampf, den geschichtlich nur das moderne Proletariat, das »Lohnarbeitervolk«, entwickeln kann, vermittels seiner unabhängigen Klassenorganisation, seiner politischen Partei.

Der Weg, um die Abscheulichkeiten des Kapitalismus zu zerschlagen, ist die Wiederaufnahme des unabhängigen proletarischen Klassenkampfes.

Proletarier,

gegen die Übermacht der Multinationalen zu sein, insbesondere der 8–9 mächtigsten Staaten der Erde, in Verteidigung der tausend unterdrückten Völker, der Umwelt und des Lebens in aller Welt, ist ein erster Schritt der Kritik am Status Quo, des Widerstands gegen die Bedrückung und Unterdrückung der Menschen durch den Kapitalismus. Doch die nachfolgenden Schritte, verbleiben sie im Kielwasser der demokratischen und reformistischen Illusionen, sind zum Scheitern verurteilt; eine enorme Verschwendung von Energien, die früher oder später dazu geweiht ist, sich dem Status Quo unterzuordnen, sobald der starke emotionale Auftrieb des Solidaritätsgefühls an Fahrt verliert. Dann kann man zum x-ten mal dem Rückgang einer Bewegung beiwohnen, nun der »Antiglobalisierungsbewegung«, wie vorher die 68-Bewegung mit dem Motto »die Phantasie an die Macht«, oder die Antiatombewegung in den nachfolgenden Siebzigerjahren: der mit tausend Hilfsmitteln ausgestatteten bürgerlichen Demokratie, von denen die damaligen wie heutigen Bewegungen letztenendes gefangen sind, gelingt es, alles zu verschlingen.

Der schwierigere aber erfolgversprechendere Weg des antikapitalistischen Widerstands und des Kampfs gegen jede Art von Unterdrückung – sei es von den Multinationalen oder dem eigenen kleinen Chef, der imperialistischen Staaten ausserhalb der Landesgrenzen oder der eigene gleichermassen lumpige Nationalstaat, der Bourgeoisie des Landes, die finanziell kolonisiert oder die eigene Bourgeoisie, die mehr oder weniger im Dienste irgendwelcher Mächtigeren dieser Erde steht – ist der Weg des Klassenkampfs. Das heisst, der Kampf, den das organisierte Proletariat in der Verteidigung seiner ausschliesslichen Klasseninteressen hervorbringt, zuerst unmittelbar, dann allgemeiner und politischer. Es sind die in jedem Winkel der Erde bestehenden materiellen Bedingungen der Lohnarbeiter, die objektiv das Weltproletariat vereinen! Darum lautet der Ruf des revolutionären Kommunismus seit seiner Entstehung: PROLETARIER ALLER LÄNDER, VEREINIGT EUCH!

Wo aber ist heute das Proletariat? Wo und wie organisiert es sich in der Verteidigung seiner unmittelbaren Klasseninteressen? Heute sieht sich die bürgerliche Macht, ihre Herrschaft und Vorherrschaft einem unendlichen Sammelsurium von Bewegungen gegenüber, die genau diese Herrschaft und Vorherrschaft beanstanden und das Recht einfordern – hier christlich inspiriert, da demokratisch beseelt, dort mit Barrikadenträumen – dieses Anliegen selbst vorzutragen. In der Substanz aber sind die allermeisten Forderungen der »Antiglobalisten« mit dem Kapitalismus vereinbar, auch wenn sie nicht auf der gleichen Linie liegen mit der Arroganz der Grossen dieser Erde, und sie verringern die Last des Grosskapitals auf der Gesellschaft nicht um ein müdes Gramm.

Heute steht die bürgerliche Macht nicht einem organisierten Proletariat gegenüber, einem im Kampf gegen das Kapital vereinten Proletariat, das auf jedem Gebiet präsent ist – vom unmittelbaren Kampf am Arbeitsplatz bis hin zum allgemeinen und politischen Kampf um die grossen sozialen Fragen – und steht nicht einem Proletariat gegenüber, das von seiner revolutionären Partei geführt wird. Das Proletariat ist als politische Kraft von der Bühne verschwunden, es stellt keinen Bezugspunkt und keine Kraft der gesellschaftlichen Opposition gegen das Kapital und die bürgerliche Macht mehr dar: es scheint so gut wie aufgelöst, so dass die dümmsten Theorien Platz finden, etwa über die erfolgte Umwandlung der in Klassen gespaltenen Gesellschaft in eine Gesellschaft »ohne Klassen«, obwohl das Kapital, der Markt, der kapitalistische Profit und die Lohnarbeit nach wie vor herrschen.

Die Abwesenheit des Proletariats als einer unabhängig organisierten Klasse auf der Bühne der gesellschaftlichen Gegensätze begünstigt die offensichtliche »Besetzung dieses Feldes« seitens des Kleinbürgertums, das, sehr zahlreich in den kapitalistisch entwickelten Ländern, die Rolle des zeitweiligen »Protagonisten« spielt und die Fahne der gesellschaftlichen und politischen Opposition gegen die »Übertreibungen« des Kapitalismus und der Kapitalisten schwenkt, seien die letzteren auch mehr oder weniger direkt an der Regierung, vor allem aber gegen die besser auszumachenden Zielscheiben wie zum Beispiel die Multinationalen.

Das Proletariat steht – auch heutzutage – noch im Schatten, hat nicht die »Aufmerksamkeit«, wie sie zum Beispiel die gegenwärtige »antiglobalistische« Bewegung erhält, es gelingt ihm nicht, die eigenen Forderungen aus dem Kampf gegen die Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen auf die grundlegendere Ebene des antikapitalistischen Kampfes zu stellen; das Proletariat scheint für immer erledigt, vertrieben in einen Winkel der Geschichte. Dies ist leider schreckliche Realität. Die Schwere der Schäden, die der politische und gewerkschaftliche Kollaborationismus der staatstragenden Gewerkschaften und die falschen »sozialistischen« oder »kommunistischen« Parteien der Unabhängigkeit der Klasse, der Klassenorganisation des Proletariats (auch nur auf unmittelbarer Ebene der Lohnverteidigung), zugefügt haben, ermisst sich erst richtig, wenn in Zeiten der wirtschaftlichen Rezession oder der Krise die herrschende bürgerliche Klasse zu einer unmittelbar antiproletarischen Politik übergeht, und nach und nach alle Zugeständnisse wieder zurücknimmt, die der proletarische Kampf in den vorhergehenden Jahren errungen hatte, und dies alles geschieht ohne dass darauf entschlossener Arbeiterwiderstand folgt. So geschieht es in allen fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern. Je mehr sich die internationale Konkurrenz zuspitzt, desto mehr versucht die Bourgeoisie eines jeden Landes, das eigene Proletariat auszupressen – und das Proletariat der ärmsten Länder zu vernichten – mit dem Ziel, den eigenen »Marktanteil«, besser: die eigenen Profite aufrechtzuerhalten. Aber diesen fortschreitenden Druck auf die Gesellschaft spürt nicht nur das Proletariat in Form von Arbeitslosigkeit, Elend und Hunger; ihn spüren auch mehr oder weniger etliche Schichten des Kleinbürgertums, die in Phasen wirtschaftlichen Wachstums mit vollen Händen von dem Grad der von der grossen Bourgeoisie aus der Lohnarbeit erzielten Ausbeutung profitierten, sich so auch bereicherten und im »gesellschaftlichen Ansehen« stiegen.

Jetzt, mit der fortschreitenden Rezession und der wirtschaftlichen Krise – in Japan bereits rücksichtslos zugange – fürchten etliche Schichten des Kleinbürgertums, in proletarische Lebensbedingungen hinabzurutschen (und einige sind bereits dort gelandet), das heisst, ohne Rücklagen, ohne die Möglichkeit die Schulden zurückzuzahlen, von einem Tag auf den anderen zu leben, alles verkauft zu haben und unter einem Chef arbeiten zu müssen. Das sind die materiellen Bedingungen, die das Kleinbürgertum dazu treibt, sich gegen die Verschlechterung ihrer besonderen Lebensumstände aufzulehnen. Während sich in breiten Schichten des Kleinbürgertums die Illusion verbreitet hat, die eigenen gesellschaftlichen Privilegien am besten mit der Unterstützung der Regierungen zu verteidigen, die am geneigtesten erscheinen, die Axtschläge auf ihre Einkünfte und ihre soziale Stellung zu mildern, haben in anderen Schichten die Ideen von Solidarität, Wohltätigkeit, Rechtmässigkeit und direkter Demokratie wieder Fuss gefasst. So entstanden Tausende von Gruppen, Verbänden, Zirkeln und sozialen Zentren, die sich eben daher der Verteidigung der Rechte oder der Umwelt widmen, der Hilfe für Immigranten, den hoffnungslosen Gefangenen der Drogen und des Alkohols, sei es in den Wohlstandsländern oder in Afrika, Lateinamerika oder Asien.

Der »Antiglobalismus« stellt für einen grossen Teil der gegenwärtigen Bewegung einen gemeinsamen Nenner dar, der sie bis zu einem gewissen Mass in einer hypothetischen »Front« vereint, gerichtet gegen die hassenswertesten »Unzivilisiertheiten« der Mächtigen dieser Erde, gegen die Anmassungen der Multinationalen, gegen die »halbierte« Demokratie der bürgerlichen Macht, gegen den grauenhaften Verbrauch der Ressourcen und der Umwelt seitens der rücksichtslosen Unternehmer und gegen den beständig üblen Ruf der sich an der Macht befindenden Politiker. Eine »Front«, die die eigentliche Grundlage dieser »Unzivilisiertheit« nicht zur Diskussion stellt – und dazu auch nicht in der Lage ist, berücksichtigt man ihre Herkunft und Zusammensetzung –, die Produktionsbasis dieser bürgerlichen Gesellschaft, ihre Produktionsweise, die das Kapital zur x-ten Potenz treibt, seine Produktion und Reproduktion, die Anhäufung und Verwertung des Kapitals, die die sich auf dem Markt konkurrierenden Unternehmen dazu treibt, sich zusammenzuschliessen, zu verschmelzen und das eigene Kapital in stets mächtigeren Mengen zu konzentrieren, was geradewegs dazu führt, Trusts zu errichten, die berühmten Multinationalen, in einem sich beständig wiederholenden Prozess.

Es gibt nur eine Bewegung, die die Grundlagen des kapitalistischen Horrors in Frage stellte und stellt, nämlich die proletarische Klassenbewegung, die Bewegung des revolutionären Kommunismus, die geschichtlich von Marx, Engels, Lenin repräsentiert wird – und sicherlich nicht vom Konterrevolutionär Stalin oder den bürgerlichen Revolutionären Mao Tse-tung, Castro und Che Guevara, und noch weniger von Toni Negri oder den Bewegungsanhängern von heute.

Was sich aus der »Antiglobalisierungsbewegung« folgern lässt

Proletarier,

Die Bewegung gegen die »Globalisierung« ist eine wirkliche Bewegung, auch wenn alle ihre Teile ideologisch wie praktisch verfangen sind in der bürgerlichen Demokratie und ihren Apparaten – seien diese nun staatlich oder nicht. Trotz dieser Beschränkungen macht diese Bewegung einige Aspekte der kapitalistischen Herrschaft deutlich, die zum Nachdenken anregen und die Proletarier dazu bringen müssen, in sich selbst und in ihrer verborgenen gesellschaftlichen Kraft den Schlüssel des Kampfs gegen den Kapitalismus zu erkennen.

An erster Stelle wird allen offensichtlich, dass die Grossen dieser Erde, acht, neun oder zehn, wieviel auch immer, nie um die Erlaubnis baten, bitten oder bitten werden, ob sie Entscheidungen treffen dürfen oder nicht, die sämtliche Länder der Welt betreffen: die Basis des Rechts entspringt der Stärke, und je mehr diese Stärke konzentriert und bewaffnet ist, um so mehr wird dieses »Recht« durchgesetzt, ob es den noch überzeugten Demokraten nun passt oder nicht. Daher die erste Schlussfolgerung: die in Parteien, Verbänden, Staatsapparaten organisierte Macht ist es, die den Verlauf der Geschichte bestimmt, und nur durch Stärke lassen sich Rechte durchsetzen.

Zweitens erscheint es allen klar, dass es die besonderen Interessen der grössten und mächtigsten multinationalen imperialistischen Gruppen auf der Welt sind, die über allen anderen stehen. Die bürgerlichen Staaten verstärken immer mehr ihre Rolle als »geschäftsführender Ausschuss der Kapitalisten«, deren Interessen sie verteidigen; die den Weltmarkt beherrschenden mächtigsten imperialistischen Staaten diktieren mit der Stärke ihres wirtschaftlichen, finanziellen und militärischen Gewichts die Bedingungen der Teilnahme am Weltmarkt für alle anderen Länder, steigern so den Druck und die imperialistische Unterdrückung für die gesamte Weltbevölkerung, proletarisieren allmählich immer grössere, von ihren Feldern und ihrer Beschäftigung vertriebene Bauernmassen, und erhöhen gleichzeitig die Ausbeutungsrate des Proletariats, das sich immer mehr als eine weltumspannende Lohnarbeitermasse herausstellt.

Drittens fällt auch dem zerstreutesten Menschen auf, dass, je mehr sich die kapitalistische Wirtschaft entwickelt, um so mehr entwickeln sich die Elemente der Krisen und der Gegensätze zwischen den imperialistischen Mächten selbst, um so mehr müssen sich die Grossen dieser Erde immer öfter auf jeder institutionellen Ebene treffen, nicht allein, um den Verlauf der Weltwirtschaft und der nationalen Wirtschaften zu verfolgen, sondern vor allem um zu versuchen, von Mal zu Mal irgendwelche Übereinkünfte zu finden, in denen die eigenen besonderen nationalen Interessen auf dem Weltmarkt besser zur Geltung kommen, einem Weltmarkt, der – wie es der Marxismus immer vertreten hat – ganz und gar nicht einfach zu beherrschen ist. Im Gegenteil, die dem kapitalistischen Markt seit seinem Entstehen angeborene Anarchie steigert – gleichzeitig mit der wahnsinnigsten Entwicklung der kapitalistischen Produktion – die aus ihr folgenden brutalen Konsequenzen. Aber die Treffen der Grossen dieser Welt haben gleichzeitig das Bedürfnis nach »Gelassenheit«, »Ruhe« und »Sicherheit«, denn bei diesen Treffen werden äusserst wichtige Dinge entschieden, über das Schicksal dieser oder jener Holding, der einen oder anderen nationalen Wirtschaft, für oder gegen ein Bündnis etc. Da die Kapitalisten in Ruhe gelassen werden wollen bei ihrer schwierigen Arbeit zur Verteidigung ihrer riesenhaften Gewinne, erreichen sie die Militarisierung der Städte, in denen sie sich treffen wollen – wie in Genua – sollten die dagegen aufbegehrenden gesellschaftlichen Bewegungen es wagen »nicht zu gehorchen«; und schwerbewaffnete Polizeikräfte einzusetzen – wie in Göteborg –, die auch bereit sind, Schüsse auf Menschen abzufeuern, wenn sie sich von Demonstranten überwältigt fühlen. Ein weiteres Mal zeigte sich, dass es die bewaffnete Gewalt ist, die darüber entscheidet, wer das »Recht« hat sich zu versammeln und über den Weltenlauf zu entscheiden (die Grossen dieser Erde), und wer es nicht hat (die gegnerischen Gruppen).

Viertens zeigt die Wiederholung des Doppelspiels von Dialog und Militarisierung der Städte zum x-ten Mal, dass sich die herrschende Bourgeoisie nicht darauf beschränkt, die übliche Methode von Zuckerbrot und Peitsche anzuwenden, sondern stets bestrebt ist, die Vorstellung durchzusetzen, dass jeder Protest gegen ihre Macht und ihre Interessen nur dann »akzeptierbar« ist, wenn er sich auf die von ihr definierten Grenzen beschränkt, aber »unakzeptierbar«, wenn der gesellschaftliche Protest diese Grenzen überschreitet. Die demokratische Toleranz neigt immer mehr dazu, sich einzuschränken, und jede Bewegung, die nicht den von der bürgerlichen Macht von Mal zu Mal gemachten Regeln folgt, wird als »irregulär« betrachtet, einer gewalttätigen Anschauung und Vorgehensweise verdächtigt, schlicht kriminalisiert. Die bürgerliche Demokratie zeigt so ihr zweites, mehr wahres Gesicht: die festgehaltenen demokratischen Regeln haben nur dann einen Wert, wenn sie unmittelbar von den Repräsentanten der bürgerlichen Macht ausgelegt werden. Wer sie »liberal« oder »buchstabengetreu« auslegt, riskiert sich ausserhalb der Grenzen der von der bürgerlichen Macht gesetzten demokratischen Regeln zu finden, das heisst, der Strafverfolgung ausgesetzt, und möglicherweise geschlagen, verhaftet oder erschossen durch die Hüter der Ordnung – der bürgerlichen Ordnung eben.

Fünftens zeigt der gesellschaftliche Protest gegen die brutalsten Folgen der kapitalistischen Herrschaft über die Gesellschaft einmal mehr, dass der Kapitalismus – als Produktionsweise, politische Macht und Gesellschaftsform – in seinem Innern keine konkrete Möglichkeit darbietet, sich in eine andere Produktionsweise, in eine andere politische Macht und also in eine andere Gesellschaft zu verwandeln. Diese Unmöglichkeit rührt nicht etwa von der Arroganz der Multinationalen, der Unzivilisiertheit der Unternehmer, dem Mangel an Bewusstsein bösartiger Menschen, den Ideen rassischer oder religiöser Überlegenheit der Völker her, sondern liegt an den ökonomischen Grundlagen des kapitalistischen Systems selbst. Kapital und Lohnarbeit sind die zwei grundlegenden Produktivkräfte der bürgerlichen Gesellschaft; das Kapital beherrscht die Gesellschaft und deshalb ist die bürgerliche Klasse, der das Privateigentum an Kapital gehört, die herrschende Klasse; die Lohnarbeit ist die hauptsächliche Quelle des gesellschaftlichen Reichtums, sie ist für die die Gesellschaft beherrschenden Kapitalisten der Springquell ihrer Profite, verkörpert in der Mehrarbeit, der Arbeitszeit also, für die die Lohnarbeiter nicht bezahlt werden (denn der kleinste Teil ihrer Arbeitszeit würde ausreichen, um ihren Lohn vollständig zu zahlen), und die sich in den Mehrwert verwandelt, der so aus der beständigen produktiven Arbeit der Lohnarbeiter tagtäglich herausgeschunden wird. Das Kapital kann nichts anderes als die Bedingungen für sein Wachstum herbeiführen um sich so stets zu reproduzieren. Je mehr die Entwicklung des Kapitalismus vorangeht, um so mehr steigen gleichzeitig die verheerenden Folgen, die bereits jeder bemerkt: Reichtum auf der einen, Armut, Elend und Tod auf der anderen Seite. Und es gibt keine Kraft auf dieser Welt, die in der Lage wäre diesen tragischen Kurs umzulenken; weder dem Liberalismus gelang es, noch dem Reformismus, und auch nicht dem falschen sowjetischen und dem noch falscheren chinesischen Pseudokommunismus.

Der Kapitalismus, auch wenn er regelmässig immer schärferen und weltumfassenderen Krisen entgegengeht, wie auch ausgedehnteren und zerstörerischen kriegerischen Auseinandersetzungen, kommt nicht von alleine zum Halt und es gibt keine einzige demokratische, legalistische oder pazifistische Bewegung, die die Möglichkeit hätte (unter der falschen Annahme, dass diese es wollten) diese Entwicklung zu unterbrechen. Noch jedesmal fanden und finden sich irgendwelche Trostpflaster, sogenannte »Zwischenlösungen«, irgendetwas, was »besser als nichts« ist, aber die tatsächliche Wirklichkeit zeigt, dass die Entwicklung des Kapitalismus einerseits die Anhäufung von Reichtum in wenigen Händen und Ländern bedeutet, auf der anderen Seite aber für ¾ der Weltbevölkerung Elend, Hunger und Tod bringt. Die Schere zwischen industrialisierten kapitalistisch entwickelten Ländern und den kapitalistisch rückständigen Ländern hat sich, im Verlauf von Jahrzehnten, weiter aufgespannt, und tendiert dazu, noch weiter aufzugehen. Der Kapitalismus ist nicht reformierbar, aber er wird, wie Marx es schon vertrat, gestürzt und von einer anderen Produktionsweise und einer anderen Gesellschaft abgelöst, einer Produktionsweise, in der keine Waren sondern nur Gebrauchsgegenstände produziert werden, und eine nichtmerkantile Gesellschaft, in der nicht der Handel sondern der Mensch und seine gesellschaftlichen Beziehungen im Mittelpunkt stehen.

Sechstens müssen die Proletarier eine vornehmlich politische Lehre aus den sich vor ihren Augen abspielenden Gegebenheiten ziehen.

In der heutigen wie der früheren bürgerlichen Gesellschaft gibt es eine gesellschaftliche Kraft, die in der Lage ist, sich mit Erfolg der Herrschaft und Übermacht der herrschenden Bourgeoisie entgegenzustellen: diese Kraft besteht im Proletariat, also in der einzigen Klasse dieser Gesellschaft, die keinerlei Vorteil hat aus dem Fortbestehen der kapitalistischen Produktionsweise, dem Privateigentum an Produktionsmitteln, der privaten Aneignung der gesamten gesellschaftlichen Produktion, oder von der Entwicklung des Finanzkapitals. Aber das Proletariat, das geschichtlich den bürgerlichen und kleinbürgerlichen Klassen gegenübergestellt ist, kann nur dann zu einer wirksam in der Gesellschaft agierenden Klasse werden, wenn es seine Geschicke, Ziele und Forderungen von allen anderen Klassen der Gesellschaft abtrennt; das Proletariat muss sich als eine von allen anderen Klassen verschiedene und ihnen gegenübergestellte Klasse begreifen, die sich unabhängig von jeder anderen Klasse und jedem anderen Apparat und jeder anderen Institution organisiert und den eigenen unmittelbaren Zielen die ausschliessliche und unnachgiebige Verteidigung der Arbeiterinteressen voranstellen.

Der Kampf, den die Proletarier allein zum Überleben führen müssen, kann niemals wirkungsvoll sein, wenn er sich auf Einzelbereiche beschränkt oder sich von den wirtschaftlichen Erfordernissen der ausbeutenden Betriebe abhängig macht oder nach dem Anspruch des sozialen Friedens richtet, den die Bourgeoisie beständig vorbringt, um sich besser der Verteidigung und Vermehrung der eigenen Profite widmen zu können. Der proletarische Kampf hat unter der Voraussetzung eine Chance, Ergebnisse zu erzielen und sich in den Reihen des Proletariats auszuweiten, wenn die Proletarier in der Verteidigung ihrer gemeinsamen unmittelbaren Interessen real mit klassenmässigen Mitteln und Methoden vereinigt werden, das heisst unabhängig vom Schutz unternehmerischer und… nationaler Interessen. Aus der Arbeitersolidarität erwächst ein weiterer Punkt der Stärke im antikapitalistischen Kampf, sofern es sich um eine kämpferische Solidarität handelt, die durch konkretes Handeln zum besseren Schutz eben dieses Kampfes beiträgt.

Die Proletarier müssen wieder ihr Haupt erheben, Mut fassen, den Kampf um ihre sie weltweit vereinenden Klasseninteressen wiederaufnehmen

Proletarier,

es ist nur logisch, dass man sich den Problemen, wie der AIDS-Epidemie in Afrika, dem Hunger in den armen Ländern, der hohen Kindersterblichkeit auf der südlichen Erdkugel, der Millionen von Flüchtlingen der tausend diese Erde überziehenden Kriege, der immer häufigeren, aus der rücksichtslosen Plünderung der planetarischen Ressourcen herrührenden Umweltkatastrophen, der immer heftigeren kapitalistischen Konkurrenz im Wettbewerb der Märkte, stellt, in einer Zeit in der die technologische Entwicklung die Möglichkeit eröffnet, Informationen aus jedem Erdenwinkel zu erhalten, und nur die verbreitete Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Menschen auf dieser Erde hält breite Schichten der Bevölkerung der reichen Länder von diesen Problemen fern. Aber auch die Information, die durch das Fernsehen, das Radio, die Zeitungen und heute auch durch das Internet verbreitet werden, ist in den Händen der herrschenden Klasse, die sie siebt, verteilt, kontrolliert, unterschlägt und beseitigt, entsprechend ihrem propagandistischen Bedürfnis. Im Hinblick auf die grundlegende Erfolglosigkeit – was die Lösung der oben genannten Probleme betrifft – der Bewegungen, die sich mit stärkerer oder schwächerer Hingabe den obigen Problemen widmen, haben wir keine Zweifel daran, dass die herrschende bürgerliche Klasse ein grosses Interesse daran hat, dass jene sich mit dem Welthunger befassen, anstatt mit dem Arbeiterkampf gegen die Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen auf der kapitalistischen Galeere. Denn nur dieser konkrete Kampf der Arbeiter kann erfolgreich Träger einer wirklichen gesellschaftlichen antibürgerlichen und antikapitalistischen Bewegung sein.

Die bürgerliche Klasse hat ein besonderes Interesse daran, dass man nicht auf das Terrain des wirklichen und offenen Klassenkampfs gelangt, da sich nur auf diesem Terrain eine gesellschaftliche Bewegung entwickeln kann, die eine tatsächliche und erfolgversprechende Opposition gegen die Macht und Vorherrschaft des Kapitalismus ist. Dies bedeutet, gesetzt dass die Widersprüche im Kapitalismus gemeinhin Protestbewegungen hervorrufen, die in gewisser Weise den Status Quo in Frage stellen, dass die Bourgeoisie es sicherlich vorzieht, auf lange Sicht Bewegungen wie der der »Antiglobalisten« gegenüberzustehen, die nach mehr Demokratie, nach mehr sozialer Gleichheit, nach mehr Aufmerksamkeit gegenüber den Armen, nach weniger wilden Umtrieben der Multinationalen schreien, die in immer weniger Zeit immer grössere Profite aus allen Winkeln der Erde ziehen wollen, als etwa mit einer anderen Art von Protest zu tun zu haben, einem unversöhnlichen Widerspruch, nämlich dem proletarischen Klassenkampf. Warum? Weil die auf Meinungen basierenden und demokratischen Bewegungen, auch wenn sie mit gewaltsamen Mitteln vorgehen, stets früher oder später wieder integriert werden können, wie es höchst anschaulich die 68er-Protestbewegung oder die Bewegung des bewaffneten Widerstands in den 70er-Jahren, vor allem die Roten Brigaden, bewiesen haben. Dagegen ist die unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse, wie die revolutionären Kämpfe seit Juni 1848 in allen wichtigen Städten Europas, die Pariser Kommune und die bolschewistische Revolution im Oktober 1917 bewiesen haben, für das Kapital nicht integrationsfähig: um diese Bewegungen zu besiegen, musste die demokratische Bourgeoisie nicht alleine die Waffen der Propaganda, der wirtschaftlichen Korruption, des Verrats der Führer des Proletariats benutzen, sondern musste Millionen von Proletariern niederstrecken, eine von den Medien und Professoren stets vergessene echte Katastrophe.

Oft hält man uns entgegen: das alles ist ja lange her, heute haben sich die Dinge geändert, es gibt mehr Demokratie, mehr Kultur, es stehen einem mehr Mittel zur Verfügung, es gibt das Internet…

Nichts ist illusorischer! Die multinationalen Konzerne, gleich jedem anderen Kapitalisten, ziehen ihre gewaltigen Profite stets aus der gleichen Quelle: aus der Ausbeutung der Lohnarbeit, das heisst, aus dem Herauspressen von Mehrwert aus der dem Arbeiter nicht bezahlten Arbeitszeit! Die kapitalistischen Profite, der kapitalistische Reichtum, entspringt einzig dieser im wahrsten Sinne des Wortes unerschöpflichen Quelle! Und solange es den bürgerlichen Klassen gelingt, nicht nur ihre wirtschaftliche, sondern auch politische, ideologische und militärische Herrschaft über das Weltproletariat aufrechtzuerhalten, erscheint diese Quelle weiterhin als »unerschöpflich«.

Das ist der Punkt. Der von der herrschenden bürgerlichen Klasse in zweihundert Jahren angehäufte Reichtum ist dermassen angewachsen, dass, vor allem im imperialistischen Stadium der kapitalistischen Entwicklung, der Umsatz einer einzigen der grossen multinationalen Finanzholdings das Bruttoinlandsprodukt einer grossen Zahl der Länder der sogenannten kapitalistischen Peripherie weit übersteigt. Aufgrund des Besitzes dieser gigantischen Reichtümer können die bürgerlichen Klassen die Staaten und die ganze Welt in der Hand haben. Wenn aber der ganze kapitalistische Reichtum auf so extreme Weise von der Lohnarbeit abhängt, so bedeutet dies, dass das Proletariat, das die weltweite Lohnarbeit darstellt, objektiv die Möglichkeit in seinen Händen hält, den beständigen Fluss der Profite in die Taschen der Kapitalisten zu unterbrechen; auf zeitweilige Art, etwa durch einen Streik, durch den die Proletarier Teilerfolge erzielen können, sofern sie entschlossen – das heisst klassenkämpferisch – vorgehen, aber damit hat sich die Lage noch nicht zugunsten der Lohnarbeiter verändert; oder also auf eine noch entschlossenere, grundsätzlichere Art, im Klassenkampf, der bis zur Ebene des revolutionären Kampfs zur Eroberung der politischen Macht geht, die diktatorische Macht der Bourgeoisie wirklich stürzt und an deren Stelle die Diktatur des Proletariats setzt.

Dies ist das wahre Gespenst für die bürgerliche Klasse eines jeden Landes dieser Erde: einem revolutionären Proletariat gegenüberzustehen, wie 1871 in Paris oder 1917 in Moskau und Petersburg, das keine Angst vor dem Kampf hat und entschlossen ist, seinen Weg zu Ende zu gehen, angeführt von seiner proletarischen Klassenpartei.

Die herrschende Bourgeoisie, an die seit 200 Jahren andauernde kapitalistische Diktatur über die Gesellschaft gewöhnt, weiss, dass die erfolgversprechendste Methode zur Erzeugung eines grösstmöglichen Konsens’ in den Volksmassen die demokratische Methode ist. Das hat sie mehrfach erprobt, aber sie weiss auch, dass die beständig aus ihrer Gesellschaft hervorbrechenden Widersprüche verschiedenste gesellschaftliche Schichten, und nicht nur das Proletariat, in Bewegung setzten und auch künftig setzen werden. Die Gewinnsucht und Habgier, die im entwickelten Kapitalismus seinen bürgerlichen Repräsentanten anhaftet, ist so sehr ausgeprägt, dass in bestimmten Situationen, auch dann, wenn keine unmittelbare Gefahr durch das Proletariat besteht – wie es nach dem Ersten Weltkrieg 1922 in Italien und Deutschland 1933 der Fall war und der Faschismus eingeführt wurde – die gesellschaftliche Kontrolle mit demokratischen Mitteln nicht mehr Rhythmus und Form der kapitalistischen Bereicherung garantiert, so dass auf die direktere Methode der offenen und militärischen Diktatur zurückgegriffen wird – wie in Lateinamerika, in Afrika, im Nahen und Fernen Osten, wie zu Zeiten der Militärdiktatur in Griechenland oder Francos in Spanien. In jedem der Fälle ist grundsätzlich das angestrebte gesellschaftliche Ziel das selbe: gesellschaftliche Kontrolle und Unterordnung des Proletariats, zum alleinigen Wohl der grossen Profitfabrik, die der Kapitalismus darstellt. Von daher besteht jede Überdosis Demokratie lediglich aus ideologischen und propagandistischen Begriffen; sie schliesst keineswegs die Unterdrückung, die militärische Diktatur, die faschistischen Methoden aus, je nach der Lage, die sich aus dem Kräfteverhältnis zwischen den beiden Hauptklassen der Gesellschaft, zwischen Proletariat und Bourgeoisie ergibt. Dass sich die (sogenannten »antifaschistischen«) Demokratien nach dem Zweiten Weltkrieg fortschreitend »faschistisiert« haben, wird durch eine Reihe von Tatsachen bewiesen: die immer auffälligere Konzentration der Kapitale, die offensichtlichere Machtlosigkeit der demokratischen Einrichtungen gegenüber der ökonomischen Macht der grossen Industrie- und Bankgesellschaften und den multinationalen Konzernen, die fortschreitende Militarisierung und Überwachung des Staatsgebiets, der Prozess der Integration der grossen Gewerkschaften in das Staatswesen, die klassenübergreifende Zusammenarbeit auf allen Ebenen und Gebieten. Und je mehr die Entwicklung zu noch stärkerer Konkurrenz auf dem Weltmarkt fortschreitet, umso mehr enthüllt die wehrhafte Demokratie die Wirklichkeit der Diktatur der herrschenden bürgerlichen Klasse.

Wegen seiner Bedingung ohne, Rücklage und gleichzeitig Produzent allen Reichtums zu sein, eine geschichtlich antagonistische Klasse gegenüber der Bourgeoisie zu sein, nicht nur aufgrund geschichtlicher sondern auch unmittelbarer Interessen, wegen seiner Präsenz in allen Ländern der Erde, wegen seiner klassenmässigen und revolutionären Tradition, ist das Proletariat die einzige gesellschaftliche Klasse, die das besitzt, was jeder anderen Gesellschaftsklasse fehlt: ein revolutionäres Programm – geschichtliche Zielsetzungen, die jegliche in Klassen gespaltene Gesellschaft überwinden, insbesondere die letzte dieser Art, die bürgerliche Gesellschaft – und das Proletariat verfügt über die marxistische Lehre, den wissenschaftlichen Sozialismus, der sich nicht darauf beschränkt zu »erklären«, wie der Kapitalismus wirklich funktioniert, sondern wohin die Entwicklung des Kapitalismus führt und warum. Dieses revolutionäre Programm, die Lehre des wissenschaftlichen Sozialismus und die klassenkämpferische Tradition der kommunistischen und Arbeiterbewegung, bilden die Basis der proletarischen Klassenpartei, ohne die das Proletariat keinerlei geschichtliche Möglichkeit hat, den Klassenkrieg gegen die Bourgeoisie zu gewinnen.

Aber die proletarische Klassenpartei und das Proletariat kommen nicht zusammen, solange das Proletariat nicht seine es selbst erniedrigende jahrzehntelange Trägheit aufgibt, sich nicht von den demokratischen und kollaborationistischen Verkrustungen befreit, die es auf ewig zur Geisel der bürgerlichen Macht werden lässt, wenn es sich nicht dazu entschliesst, als Klasse zu handeln, die ihre eigene Zukunft selbst in die Hand nimmt und sich auf dem Terrain des Klassenkampfes reorganisiert, auf dem Terrain des offenen, unversöhnlichen Gegensatzes zwischen Proletariat und Bourgeoisie, der politischen und faktischen Unabhängigkeit von den klassenversöhnlerischen Organisationen, die ausschliesslich zum Erhalt der gegenwärtigen Gesellschaft dienen, also nur der herrschenden Bourgeoisie von Nutzen sind.

Proletarier,

findet den Mut: Nein zu den betrieblichen Erfordernissen zu sagen, nein zum Marktbeherrschungsinteresse, nein zum Druck am Arbeitsplatz und zu Lohndrückerei, nein zu allen Tarifverhandlungen, die nicht Lohnerhöhung und Arbeitszeitverkürzung zum Ziel haben, nein zu allen Ungleichheiten zwischen zugewanderten und einheimischen und zwischen weiblichen und männlichen Arbeitern, nein zu allen Übergriffen der Bosse und Chefs, der Betriebs- und Abteilungsleiter, nein zur Zusammenarbeit mit den Chefs und mit den bürgerlichen Institutionen.

Proletarier,

Eure Zukunft liegt allein in euren Händen. Findet den Mut euer Haupt zu erheben und den Weg des Klassenkampfs wiederaufzunehmen, befreit euch von den reformistischen Illusionen eines steigenden Wohlstands, der Nützlichkeit pazifistischer Klassenkollaboration, dies hat euch in all den vergangenen Jahren nur den Blick auf die Wirklichkeit verstellt: kein Industrieller, keiner der Mächtigen, keine bürgerliche Regierung, kein demokratisches Parlament, keine nationale oder supranationale bürgerliche Institution hat etwas entscheidendes zur Verbesserung eurer Lebensbedingungen getan, tut es nicht und wird es auch nicht tun!

Jede noch so kleine Verbesserung, jede Abschwächung der Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen sind nur das Ergebnis Eures Kampfes. Die Kampferfolge der Proletarier in den vergangenen Jahrzehnten, die eine Reihe von Verbesserungen bezüglich der Lohnhöhe, des Arbeitsschutzes, der Arbeitszeit, den Renten usw. erzielten, werden heute wieder Stück für Stück von der Bourgeoisie aufgezehrt. Durch eine klassenkämpferische Gewerkschaftsorganisation haben die Proletarier noch am Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Selbstverteidigung organisiert und die Klassensolidarität entwickelt, mittlerweile hat die reformistische und kollaborationistische Degeneration der Gewerkschaften diese zerstört und die Arbeiterklasse vollständig entwaffnet und demoralisiert.

Der Lohn muss noch vor der Verteidigung des Arbeitsplatzes an die erste Stelle der Forderungen gerückt werden. Die drastische Verringerung der Arbeitszeit – bei vollem Lohnausgleich versteht sich – und die strikte Ablehnung von Überstunden müssen weitere grundlegende Forderungen im unmittelbaren Kampf aller Proletarier werden. Der Kampf für die Gleichheit der Löhne und Arbeitsbedingungen aller Arbeiter, unabhängig von Herkunft und Geschlecht, muss zum Merkmal der proletarischen Solidarität werden. Der Kampf gegen alle Übergriffe, in der Fabrik wie im täglichen Leben, muss wieder zum politischen Bindeglied zwischen dem unmittelbaren Kampf und dem allgemeinen politischen Kampf der Arbeiterklasse gegen die Kapitalisten und ihren Machtapparat werden.

Wenn die Proletarier nicht erneut damit beginnen, auf diesem Terrain zu kämpfen, so berauben sie sich aller Möglichkeit, ernsthaft für wichtigere, weniger unmittelbare und mehr politische Ziele zu kämpfen. Gegen die Übermacht der multinationalen Konzerne zu kämpfen, gegen die bestialische Ausbeutung, die vergleichsweise die Proletarier der kapitalistisch rückständigeren Länder erleiden, gegen die Umweltkatastrophen, gegen die zunehmende Verlagerung extrem schädlicher Produktion in die ärmsten Länder, kann auch für die Proletarier dieser Länder nützliches sein, aber dies kann nur Erfolg haben, wenn die Proletarier der entwickelten kapitalistischen Länder ein Niveau klassenkämpferischer Organisation und Kampfkraft erreicht haben, dass sie fähig sind, die Betriebsleitung der multinationalen Konzerne zu zwingen, den Proletariern der kapitalistischen Randzonen die gleichen Lohn- und Arbeitsbedingungen zuzugestehen wie den Proletariern des »Stammbetriebs«. Das ist der Inhalt des Klassenkampfes und der Klassensolidarität unter den Proletariern der ganzen Welt. Um aber ein solches Ergebnis zu erreichen ist es notwendig, dass sich die Proletarier der reichen, wohlhabenden, verschwenderischen imperialistischen Länder frei machen von den ausschliesslichen Bedürfnissen des »Wohlergehens des Betriebs«, der »Konkurrenzfähigkeit unserer Waren«, der »Verteidigung der nationalen Interessen auf dem Weltmarkt«, denn dies sind allein Bedürfnisse des Kapitals, es dient nur diesem Interesse, dem der grossen Finanzholdings und der grossen multinationalen Konzerne.

Wirklich von einem proletarischen Standpunkt aus gegen die »Globalisierung« zu sein, sofern man darunter die Verstärkung der kapitalistischen Ausbeutung in allen Ländern der Welt, vor allem in den ärmeren unter ihnen, versteht, kann nur bedeuten, für die klassenkämpferische Reorganisation des Proletariats auf dem Terrain des Kampfs um die Lebens- und Arbeitsbedingungen zu sein, vor allem im eigenen Land. Es bedeutet, in Sinne der Organisierung des proletarischen Kampfes zu handeln, der sich in allererster Linie gegen die »eigene« Bourgeoisie richtet, gegen die »eigenen« Chefs, gegen die »eigene« Regierung. Angesichts des offenen Abgrunds der Klassenkollaboration, vor dem der Kampf des Proletariats steht, ist dies bereits ein grosses und schwierig zu erreichendes Ziel. Die revolutionären Kommunisten, fern von allen demokratischen und kleinbürgerlichen Illusionen, arbeiten mit dieser Zielsetzung.

Internationale Kommunistische Partei (»Il Comunista«)


Source: Supplement zur Ausgabe Nr. 75, Juli 2001, der Zeitung »Il Comunista«, CP 10835, I-20110 Milano, Deutsche Übersetzung und Bearbeitung: sinistra.net, Juli 2001

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