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DEUTSCHLAND – BRENNPUNKT DER ZUKÜNFTIGEN KRISE


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Deutschland – Brennpunkt der zukünftigen Krise
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Deutschland – Brennpunkt der zukünftigen Krise

Im letzten imperialistischen Krieg besiegtes Land, ist Deutschland. heute wiederum eine gefürchtete Weltmacht. Wie der Phönix ist seine Wirtschaft mächtiger als vorher aus der Asche der Kriegszerstörungen wiedererstanden. Es ist die dritte Industriemacht der Welt im absoluten Sinn und die zweite Finanzmacht. Die Wachstumsraten von 1945 bis heute haben unvorstellbare Spitzen erreicht. Die Löhne sind – nach den Anstrengungen des Wiederaufbaus, während dessen sie niedergehalten worden waren – angestiegen. Ihre Indexziffer ist von 100 in Jahre 1956 auf 141 im Jahre 1968 gestiegen. Die Industrieproduktion von 100 auf 138, die Arbeitsproduktivität von 100 auf 141. Die Profite der Unternehmen sind 1968 sogar um 17,8 % angewachsen. Die Zunahme des Exports war 1968 in den einzelnen Branchen folgende:
Flugzeugindustrie 21,7 %, Konsumgüter 25 %, Schuhwaren 38,6 %, Bekleidung 24,9 %, Inneneinrichtungen 30,5 %, Druckerei- und Papierindustrie 27,6 %.
Der Export von Kapitalien betrug 1963 sogar 2,5 Milliarden Dollar, und ebensoviel im ersten Halbjahr 1969. Die DM hat in den letzten Jahren alle anderen Währungen überflügelt, Dollar inbegriffen, und hat zum Zusammenbruch von Pfund und Franc beigetragen. Die achtprozentige Aufwertung macht aus der DM die solideste Währung auf dem Finanzweltmarkt.

Diese rasche und mächtige Wirtschaftsentwicklung hat in den Jahren 1966–67 einen Rückschlag erlitten, als die produktive Tätigkeit zum ersten Mal seit 1945 einen bedeutenden Abstieg verzeichnete: das Wort Krise schwebte über dem deutschen Wirtschafts-»wunder«. Alle klassischen kapitalistischen Gegensätze, bisher latent und noch unausgedrückt, begannen sich in Formen von Wirtschaftspolitik, Aussenpolitik, Klassenverhältnissen zu materialisieren. Die Deutschland zugeteilte beschränkte Portion von Weltmarkt ist im Verhältnis zu seiner Wirtschaftsmacht wiederum zu eng geworden, wie in den Jahren 1914 und 1939. Wohin mit dieser relativen Überproduktion an Kapital? Im Westen versperrt der amerikanische Koloss den Weg, im Osten erhebt sich die Barriere des politischen Monopols Russlands. Der Weltkapitalismus ist auf der Suche nach einer Kompromisslösung, d. h. einer provisorischen Lösung, um zu verhindern, dass sich die deutsche Krise auf die hochentwickelten Länder ausbreitet und das augenblickliche prekäre und. unbeständige Gleichgewicht zwischen den Staaten stört. Der Osten hat Hunger nach Kapitalien. Polen, die Tschechoslowakei, Rumänien, Ungarn und Russland selbst sind zur Verfügung stehende Märkte. Aber Ostdeutschland, das auch auf dem Wege wirtschaftlicher Sättigung ist, braucht Expansions-»freiheit« und stösst in scharfen Gegensätzen mit ihren »Schwestern« der russischen Sphäre zusammen; es leidet unter der grösseren Wirtschaftsmacht Westdeutschlands und fürchtet dessen Konkurrenz. Pünktlich erneuert sich so der Konflikt um die Aufteilung der Märkte. Russland strebt danach, Westdeutschlands Verfügbarkeit an Kapitalien zu monopolisieren, indem es als Vermittler zwischen ihm und seinen eigenen Verbündeten auftritt. Dies ist der Grund des russisch-tschechoslowakischen Konflikts, des »heroischen« und umstrittenen »Prager Frühlings«: Prag wollte nicht für die deutschen Investitionen in der Tschechoslowakei Prämien an die russische Vermittlung zahlen; es hatte keine Absicht, sein Finanzkapital nach Osten zu verlegen und sich dabei von Moskau schwere Wuchersteuern auferlegen zu lassen. Es war eine dreckige Interessenfrage! Und hatte nichts zu tun mit nationaler Unabhängigkeit, Demokratie oder Sozialismus. Die Sozialdemokratie – jetzt an der Regierung – ist sogar bereit, auf die deutsche Wiedervereinigung zu verzichten, nur um Zugang zu den östlichen Märkten zu haben. Genauso wie Ostdeutschland, das hinter seinem falschen Vorwand von Kommunismus auf der nationalen Teilung besteht, auf einer wohlausgeklügelten Aufteilung der konterrevolutionären Aufgaben, mit dem einzigen Zweck, die Wiederkehr einer Offensive des deutschen Proletariats unter Kontrolle zu haben. Die Übermacht des Kapitals hat den Mythos der Nation zerstört und zerbricht alle Idole, die die Bourgeoisie aufgerichtet hat.

Kommt es zu Vereinbarungen, so ist der »Friede« für den Augenblick gerettet, d. h. die Krise wird hinausgeschoben, aber nicht vermieden. Die heute umschriebene und begrenzte Krise wird morgen auf umso grösserer Ebene ausbrechen, und auch die Länder Osteuropas mit einbeziehen. Durch den Export von Kapitalien werden auch die kapitalistischen Gegensätze exportiert, d. h. die objektiven Bedingungen der proletarischen Revolution. So wird sich das Proletariat des Westens mit dem des Ostens verbinden. Es ist eine alte marxistische Lehre, dass das Kapital keine Staatsgrenzen kennt und jede Barriere niederreisst, die seiner unwiderstehlichen Expansion im Wege steht. Soll das Grosskapital nur den Osten überschwemmen und die bestehende Ordnung über den Haufen werfen! Die Revolution kann sich darüber nur freuen, da sie taub ist gegenüber dem nationalistischen und pazifistischen Gewinsel des kleinbürgerlichen Pharisäers, dieser Beulenpest der Entwicklung der Geschichte. Soll die Übermacht des Kapitals nur die heutigen Gleichgewichte zerstören, sie wird dadurch nur die Katastrophe beschleunigen! Deutschland liegt im Brennpunkt des gesellschaftlichen Erdbebens, liegt im Herzen des wirtschaftlich-politischen Organismus des Weltkapitalismus. Und so wie riesige Produktivkräfte auf einem geopolitisch zu engen Raum zusammengepresst sind, genauso sind da unendliche Heerscharen Proletarier zusammengehäuft, denen nur das Bewusstsein ihrer unvergleichbaren Macht fehlt, den abscheulichen Mechanismus der modernen Sklaverei des Kapitals zu zersprengen. Dieses Bewusstsein ist die politische Klassenpartei, die einzig und international, marxistisch und kommunistisch ist. Die alte Prophezeiung von Engels wird sich erfüllen:
»...die deutschen Arbeiter… …werden einen ehrvollen Platz in der Kampflinie einnehmen«.
Wenn sich diese Bedingung verwirklicht haben wird, wenn der Wiederaufbau der Revolutionären Kommunistischen Partei erfolgt ist, dann wird es keine Zweifel geben über die Umwandlung der kapitalistischen Wirtschaftskrise in eine revolutionäre Krise. Das deutsche Proletariat, mit dem europäischen und internationalen Proletariat zu einen Block verschmolzen, wird wieder seine Funktion erfüllen, die ihm von seiner ausserordentlichen gesellschaftlichen Konzentration, von seiner leuchtenden Kampftradition und von seiner grossen theoretischen Kraft zukommt.


Source: »Internationale Revolution«, Nr.3, Dezember 1969, S.33–35

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